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Eine namenlose junge Frau (Scarlett Johansson) streift mit ihrem Lieferwagen durch eine nächtliche schottische Stadt. Sie spricht fremde Männer an, tut so, als frage sie nach dem Weg. Die hübsche Dame bietet dem Fremden an, ihn ein Stück mitzunehmen. Sie macht ihm eindeutige Andeutungen. Sie nimmt den Mann mit nach Hause. Die Stimmung knistert. In einem pechschwarzen Raum ziehen sich beide aus. Der Mann geht auf das Objekt seiner Begierde zu, versinkt aber dabei im Boden, in schwarzem Treibsand, wo der Proband verzehrt und zersetzt wird. Das Spiel wiederholt sich einige Male. Eines Tages trifft sie auf einen deformierten Elefantenmenschen. Sie lockt ihn wie gewohnt an, verschont ihn aber. Danach legt es der hübschen "Jägerin" einen Schalter um. Sie wirkt verwirrt, psychotisch, kommt nicht mehr klar. Isst in Zeitlupe Kirschkuchen und starrt sich selbst lange im Spiegel an. Sie fährt mit dem Bus aufs Land. Dort gestrandet, nimmt sie ein alleinstehender Herr bei sich zu Hause auf. Ein mysteriöser Motorradfahrer nähert sich dem Ort...

Wie tief enttäuscht waren einige Cineasten, als feststand, dass UNDER THE SKIN, der neueste Streich von Jonathan Glazer (SEXY BEAST), keinen Kinostart in Deutschland bekommt. Hält man sich jedoch vor Augen, was für ein kryptisches Stück Hirnkasper der Film ist, kann man sich vorstellen, wie schlecht er bei der breiten Masse angekommen wäre. Sei's drum, auf einigen wenigen Filmfesten (wie dem in München - danke dafür!) wurde der Streifen vorgeführt. Die Reaktionen waren gemischt und ich muss erwähnen, dass tatsächlich einige Besucher die Vorführung vorzeitig verlassen haben. Was ist da passiert? Ganz klar, UNDER THE SKIN verlangt dem Zuschauer einiges ab, vor allem an Geduld. Statische Landschaftsaufnahmen der kargen, nebeligen schottischen Küste. Nur dunkle, blasse Farben, dass man oft kaum etwas erkennt. Ein hohes Maß an morbider Bildhaftigkeit, die auch nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Dann steht die Handlung oftmals auf der Stelle und der Zuschauer auf dem Schlauch, weil man nicht immer dahintersteigt, was einem das Gezeigte sagen möchte. Es wirkt phasenweise, als verweigere sich der Streifen komplett, sei es dem Publikum oder einer erzählerischen Struktur. Vielleicht wäre es ratsam gewesen vor dem Genuss Michel Fabers "Die Weltenwanderin" zu lesen, der Roman, auf dem UNDER THE SKIN beruht. Dieser besagt nämlich, dass es sich bei der Protagonistin um eine Alienfrau handelt. Ob dieses Vorwissen, aber sonderlich viel weiterhilft - ich wage es zu bezweifeln.

Scarlett Johansson macht als Schwarze Witwe oder wandelnde Venus Fliegenfalle aber ganz schön was her. Egal ob in Pelzjacke oder im Evakostüm, die Frau ist einfach 'ne Wucht. Oh ja, Scarlett hat hier gleich mehrere Nacktauftritte. Allerdings entbehrt die dargestellte Nacktheit beinahe jeglicher Erotik, was jedoch nicht an der hübschen Scarlett liegt, sondern eher an der Stimmung, welche die Nacktszenen umgibt. Es wirkt vielmehr so, als schwinge die wahre Erotik unterschwellig mit. So wie z.B. das Versinken der Opfer im pechschwarzem Morast als Versinnbildlichung des sexuellen Akts gesehen werden kann. Wie in Lars von Triers NYMPHOMANIAC werden alle Männer als sexbesessen und degeneriert dargestellt. Der entstellte Elefantenmensch macht keine Ausnahme. Allein der etwas reifere Mann, der die Außerirdische im Scarlett-Johansson-Kostüm aufnimmt, hegt keine sexuellen Absichten.

UNDER THE SKIN polarisiert sein Publikum durch und durch. Wie die Alienfrau, die von dem vernuschelten schottischen Slang kein Wort versteht, fühlt man sich als Zuschauer befremdlich und verstört, womit der Film mit Kollegen wie ENEMY, ONLY GOD FORGIVES und ENTER THE VOID auf einer Stufe steht. Scarlett Johansson strahlt mit ihrer kühlen Performance des abgeklärten Männer mordenden Biests jedenfalls eine ähnliche Diabolik aus wie die Grazien in SPECIES, BASIC INSTINCT und POSSESSION. Als Science-Fiction ist das Dargebotene kaum noch zu identifizieren. Dann schon eher als Trip oder Wahnvorstellung in Videoclip-Optik.

Fazit:
Abstrakte, kryptische, völlig aus der Art schlagende Mischung aus Experimental- und Science-Fiction-Film(?), die arg vor den Kopf stößt. Über Entfremdung und die Verwissenschaftlichung des Sex. Entweder man schaltet frühzeitig ab oder man zieht ihn sich, wie die Werke von Kubrick oder Tarkowski, wieder und wieder rein, um einen tieferen Zugang zu finden. Intergalaktisch!

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