Das Gespenst der Freiheit (1974)

In lose bis gar nicht zusammenhängenden Episoden schildert Bunuel auf völlig absurde Weise scheinbar ganz "normale" Szenen aus der Bürgerwelt. Man sitzt vornehm gemeinsam am Tisch auf dem Klo, während man sich in ein Kämmerchen einsperrt um zu essen. Man gibt eine Vermisstenanzeige für ein Mädchen auf, das die ganze Zeit anwesend ist. Fotos von kulturell wertvollen Bauwerken und Denkmälern sind obszön, Massenmörder geben Autogramme,...
Bis ins Surreale werden in dieser Satire wirklich alle bürgerlichen Werte, Vorstellungen, Konventionen und Verhaltensweisen gnadenlos durch den Kakao gezogen. Dass das ganze erzähltechnisch und logisch gesehen teilweise überhaupt keinen Sinn macht, stört gar nicht. Ganz im Gegenteil, die Absurdität (dagegen die eher konventionell gehaltene Filmgestaltung) unterstützt geradezu die derb-ironischen permanenten Seitenhiebe.

Freunde der anspruchsvollen Gesellschaftskomödie werden diesen ungewöhnlichen, detailverliebten Leckerbissen sicher in ihr Herz schließen. Ein Film, der Spaß macht und zugleich denkanstößig wirkt, der seine Spannung und seinen Witz bis zur letzten Sekunde durch seine Eigenwilligkeit und Unvorhersehbarkeit beibehält.
9/10.