Review

Was ist Freiheit? Bunuel nahm sie sich für diesen Film in vielerlei Gestalt, das kann man schon mal ganz intuitiv skandieren.
Hätte „Das Gespenst der Freiheit“ normativen Charakter und dürfte in der ganzen Welt herumspuken, dann wären Logik, Kultur, Gesetz und Ethik auf Terra X gar nicht erst vorhanden, oder völlig invertiert:
Am Esstisch wird die Notdurft verrichtet, während man – ganz Kulturelite – über eine Oper parliert und sich – ganz Kosmopolit – über die rapide Bevölkerungsexplosion der nächsten 2 Dekaden mitsamt den dazugehörigen Exkrementen sorgt. Das schmutzige Thema Essen gehört in das kleine Kabuff „hinten links“ und: Tür abschließen!
Nach der Kulturedukation folgt die Logik, logisch.
Eine Tochter ist verschwunden, also schleppen die Eltern sie zum Polizeirevier, nach der persönlichen Begutachtung ist der Steckbrief fertig und die Fahndung kann losgehen. Nur, wo suchen, wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht? Absurder Satz, doch im Film mit beflissenem Ernst so dargestellt.
Weiter zur Ethik: Nachdem ein Herr sich die Schuhe wienern ließ und sich mit dem Schuhputzer über die Despektierlichkeit der Tierquälerei einig werden konnte, geht’s auf ein Hochhaus und aus dem Fenster wird durch das Zielfernrohr eines Sniper-Gewehres wahllos ein ganzer Haufen Passanten liquidiert. Dann folgt das Tribunal mit darauffolgender Todesstrafe, die völlig degagiert vom Massenmörder akzeptiert wird. Draußen gibt er dann noch eine Autogrammstunde zum besten, was tut man nicht alles für die lieben Fans. Der geneigte Filmfan wird hier schon die Thematik aus „Natural Born Killers“ antizipiert wissen, zumindest den Seitenhieb auf eine blutgierige, voyeuristische Gesellschaft erkennen.
Nicht jede Absurdität und jeder Kontrapunkt ist leicht zu decodieren, was die Frage nach der Intention mancher Szenen völlig unbeantwortet lässt. Doch auch wenn das Groteske zum Selbstzweck wird, amüsiert das Ganze.

Bunuel inszeniert den ganzen Schabernack in völlig routinierten Bildern, visuell von integrer Sachlichkeit, inhaltlich jenseits logischer Evidenz. Satire und Albernheit fluktuieren herrlich unberechenbar, so dass auch wenn der Verstand sich längst verabschiedet hat, Augen und Ohren freudig weiter rezipieren.

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