Der spanische Regisseur Agustí Villaronga entführt den unbedarften Zuschauer in seinem 1987er Spielfilmlängen-Debüt „Im Glaskäfig“ auf einen abgründigen Ritt, den selbiger nicht so schnell vergessen wird - es sei denn, er schafft es, ihn erfolgreich zu verdrängen. Was zunächst möglicherweise wie ein „Rape’n’Revenge“-Thriller im Edelgewand anmutet, entpuppt sich bald als perfides Psychodrama, das gleich mehrere Tabuthemen anpackt: Kranke Nazi-KZ-Ärzte, die im Exil ihre widerwärtigen Tätigkeiten unbehelligt fortsetzen, Kindesmisshandlung, sexuelle Perversion etc., ohne dabei in schmuddelige Naziploitation o.ä. abzugleiten. In kalten Blautönen gehalten, ist „Im Glaskäfig“ ein unheimlich intensives, nachhaltig verstörendes, skandalträchtiges und provokantes Filmerlebnis, das aber ohne einen einzigen Anflug von Selbstzweckhaftigkeit auskommt. Der junge Angelo, der zunächst – passend zum Namen – den Part des Racheengels einzunehmen scheint, tauscht irgendwann auf erschreckende Art die Rollen zwischen Täter und Opfer, als er ein schwer zu ertragendes, von Faszination geprägtes Verhältnis zum an die „eiserne Lunge“ gefesselten Altnazi Klaus eingeht. Auf drastischste Weise widmet sich „Im Glaskäfig“ der Teufelskreisthematik, wie ehemalige Opfer selbst zu Tätern werden, deren eigene Opfer nicht selten eine ähnliche Entwicklung erfahren. Auf Blut und Gekröse wird dabei quasi vollständig verzichtet, die Psychoschraube aber bis zum Anschlag und darüber hinaus gedreht. Die Klangkulisse mit den permanenten Pumpgeräuschen des „Glaskäfigs“ und die Konzentration des Films auf einen einzigen Schauplatz sorgen für eine überaus klaustrophobische, eiskalte, schaurige Atmosphäre. Die Schauspieler fallen zu keinem Zeitpunkt negativ auf. Selbst Davis Sust, dem Darsteller des Angelo, merkt man seine Unerfahrenheit (es war sein erster und einer von insgesamt nur drei Spielfilmen) nicht an. Unnachgiebig verfolgt „Im Glaskäfig“ in bedächtigem Erzähltempo seinen Plan von Wahnsinn und Pein, der mit seiner Schlussszene in einem echten Gänsehautmoment gipfelt und einen ausgelaugten Zuschauer zurücklässt, dessen Hausaufgabe darin besteht, das Gesehen zu verarbeiten. Ein ganz fieser Magenschwinger von einem Film auf verdammt hohem Niveau.