Ein nackter Junge hängt an der Decke in einem dunklen Raum, bei ihm ist ein Mann, der ihn misshandelt und dabei fotografiert. Dies geschieht nicht unbeobachtet, denn ein Unbekannter entwendet Aufzeichnungen von dem Täter. Nach dieser irritierenden, verstörenden Einleitung folgen üble KZ-Aufnahmen während des Vorspanns, der die Abgründe, die sich noch auftun sollen, erahnen lässt. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch ist Klaus an eine eiserne Lunge gefesselt, die ihn wie in einem Glaskäfig vegetieren lässt. Seine Frau Griselda fühlt sich ebenso vom Leben ausgeklammert, abgeschottet von der Aussenwelt in einer abseits gelegenen Villa lebend, wünscht sie sich am liebsten den Tod ihres Mannes. Eines Tages schleicht sich unerwartet ein junger Mann zu dem kranken, alten Klaus und gibt vor, eine Anstellung als Pfleger zu suchen. Klaus, mit dem er ein mysteriöses Gespräch führt, möchte ihn unbedingt einstellen, auch gegen den Willen seiner Frau, die schon schnell bemerkt, das Angelo nie in einem Krankenhaus arbeitete, wie er behauptet. Als der Klaus aus dessen Tagebuch vorliest, kommt ein wenig Licht in diese Geschichte, die nicht nur inhaltlich sehr düster erscheint. Die vergangenen Greueltaten des Deutschen während des Dritten Reiches scheinen den jungen Angelo in dessen Lage zu versetzen und den Kriegsverbrecher zum wehrlosen Opfer der sexuellen Obsessionen werden zu lassen. Genau so, wie der Altnazi damals Kinder missbrauchte, ist Angelo, ein ehemaliges Opfer, vom Schrecken des Todes fasziniert. In kalten Blautönen gedreht, erteilt uns Agustín Villaronga eine Lektion in Sachen Psychoterror und über die Abgründe der menschlichen Seele. Das gute Drehbuch vermeidet die simple Rachestory an einem Altnazi, vielmehr zeigt es die Verbindung von Täter und Opfer, die hier den beiden sogar eine bizarre Ebene des Austausches zu ermöglichen scheint. Der Todesengel steckt nicht in der schwarzen SS-Uniform, sondern in dem Menschen dahinter, nicht zufällig hält die Haushälterin den Eindringling für einen Dämon. Diese verstörend offene Darstellung über Kindesmisshandlungen zeigt, wo die Projektion entstehen kann, ebenso ihre Vergeltung. Sehr ruhig und trotzdem fesselnd erzählt, braucht dieser bedrohliche Thriller keine extremen Blutlachen, um eine beängstigende Stimmung zu schaffen. Das liegt zum Teil an den sehr guten Schauspielern und zum anderen an dem exzellenten Score, Soundscapes mit oftmals grollendem Bass, für den Javier Navarrete verpflichtet werden konnte. Dazu das ständige, mechanische Geräusch der Pumpe der künstlichen Lunge, von der Klaus' Leben abhängt, nur unterbrochen von den Mordversuchen seiner Frau und den sadistischen Attacken seines Pflegers. Ein sehr empfehlenswertes Drama mit Horroratmosphäre aus Spanien, das sich trotz seiner schon damals wegweisenden Art von neueren Vertretern wie "The Nameless" oder "Second Name" deutlich abhebt, wenngleich ja irgendwie immer wieder Kinder als Opfer eine wichtige Rolle bei den spanischen Filmern zu spielen scheinen. Dafür kommt auch dieser mitreissende Film ohne ein happy end aus. Nachdem Angelo einige seiner psychisch abseitigen, homoerotischen Fantasien ausgebreitet hat, verbleibt nach bildhaftem Ende ein Unwohlsein in der Magengegend, Macht und Unterdrückung werden hier emotional und schonungslos entblösst.
Fazit: Düsteres, stellenweise fieses Drama, gleichsam schwer verdaulicher Albtraum in kühler, wunderschöner Atmosphäre. 8/10 Punkten