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Nach dem Ende einer ruppigen Straßenschießerei zwischen Polizei und chinesischen Festlandgangstern sowie der anschließenden Entführung eines Stadtbusses sind ebenso viele Kriminelle tot wie Gesetzeshüter, von den zufällig umstehenden und der plötzlichen Gefahr schutz- und wehrlos ausgelieferten Zivilisten ganz zu schweigen. Dennoch wird die Operation als Erfolg verbucht. Andere Zeiten verlangen andere Mittel; auch die Szenenfolge voll Verwirrung und Entwirrung erhält von diesem Sinnbogen her ihren Zusammenhang. Moralische Entwertung als zentrales Verbindungselement und vereinigendes Kompositionsprinzip; durch Handlungen und Äußerungen maßlosen Menschenhasses vergegenständlicht sich sowohl der übergreifende thematische Bezug als das sie auch die gesamte personale Einheit umklammert. Die Exekutive überspannt ihre Befugnisse und dehnt ihre Rechte aus. Die Legislative ist korrupt. Japaner und Chinesen sind sowieso das Übel schlechthin, und letztlich muss der brave Bürger zur Selbstjustiz greifen, um sich aus diesem infamen Moloch freizukämpfen.

Der geeignete Regisseur für eine derartig schäbige Geschichte am unwirschen Rande der Existenz ist natürlich Johnny Wang Lung-wei: Spezialist für bärbeißig glanzlose Reißer. Freischaffender Kulturkämpfer für zementfarbene Momentaufnahmen einer neuen, einer zackig schmissigen Ästhetik, die auf den schönen Schein verzichtet.

Wang hat in narrativer Verwandtschaft seit jeher ähnlich von Aufmüpfigkeit, Bitterkeit und Rebellion in selber Ausführung erzählt und würde diese Vermittlungsinstanz als garstiger Bluthund sicherlich auch noch heute praktizieren, wenn derart niederträchtiges, optisch verkommenes und inhaltlich zerfetztes Rabaukenkino noch gefragt wäre. Das ihn auszeichnende Gepräge ist der märterliche Verzicht auf Überflüssigkeiten, auf Stilisierung und Implikationen, auf Intrigenfäden und Handlungsmotivationen, auf konkrete Befindlichkeiten, erläuternde Maximalkommunikation, tiefere Verstrickungen und emotionale Ausbrüche. Vielmehr wird emsig auf den wahren Kern der gesellschaftlichen Handlungsunfähigkeit, seines Unrechts, der eigenhändigen Vergeltung und damit des revenge plots eingeschlagen, und so in steigender Schikane der Überredungsprozeß als verbindendes Ausdrucksmittel gefördert. Paranoider Einzelkampf im Zerrbild der Gerechtigkeit, visuell widernatürlich verkantet, gespickt mit schwelenden Entscheidungssituationen einer traditionellen Konfliktstruktur, die meist von hasserfüllten Reden eingeleitet und diversen schaulustbedienenden Gräueltaten abgeschlossen werden. Ein wutschäumendes Entlanghangeln an der schmalen Grenze zwischen Männlichkeitswahn und Gewaltverherrlichung, zwischen widerwilligen Respekt, Geringschätzung, Überlegenheitsgefühle und Herrschaftsansprüche:

Lok Han [ Dick Wei ], Ex-Soldat der Volksbefreiungsarmee, unternimmt zusammen mit kapitalismusbegeisterten Reisefreudigen eine Butterfahrt über die Grenze nach Hongkong, allerdings nicht, um im örtlichen Water World wie alle Anderen unter Aufsicht der Touristenführerin Mak Ying-yang [ Carina Lau ] Karussell zu fahren, sondern seine vor einem Jahr verschwundene Schwester Lok Ling [ Debbie Tsui ] zu suchen. Diese ist mittlerweile mit dem ehemaligen Special Task Force Mitglied Tang Sai-kit [ Ken Lo ] verbandelt, der sie "vorübergehend" als Prostituierte bei Old Sister [ Shum Wai ] untergebracht hat. Die gesamte Organisation, incl. zusätzlichem Drogenhandel wird insgeheim von dem Gemeinderatsangehörigem Chor Ping [ Chu Yuan ] geleitet, der auf der politischen Leiter noch hoch hinaus will, aber von Superintendant Chan [ Phillip Chan ] und Sergeant Mak [ O Chun-hung ] der serious crime unit eine erbitterte Abwehrschlacht geliefert bekommt.

Mak ist der Heißsporn, der für das anfängliche open season / open fire Gemetzel auf beiden Seiten des Gesetzes und der Passanten gesorgt hat und sich dementsprechend auch den "Dirty Harry" Rüffel abholen musste. Er ist aber auch der, der am Ende des Filmes vor Zweifel, Frust und erschöpfender Depression mindestens noch zusätzliche zehn Jahre gealtert und wohl eingesehen hat, dass er mittlerweile sprichwörtlich zu alt für diese Scheiße ist. Denn abgesehen der einleitenden Aktion kann er nur wenig mit den noch folgenden Schandtaten mithalten und hat, obwohl in seiner Dienstzeit bei weitem genug erlebt, Dergleichen auch noch nicht gesehen. Was soll man auch sagen oder machen angesichts eines grell geschminkten Transvestiten im hautengen Overall, der mit einem Baumstamm in der Hand eine komplette Telefonzelle verwüstet. Eines in Ninjamontur die Hochhausfassaden überwindenden Attentäters, der den potentiellen Zielopfern die Kehlköpfe eindrückt. Einer Folter mit Maden und Würmern, die als Inhalt einer Tüte über den Kopf einer unwilligen Prostituierten gesurrt wird. Oder einer aufgequollenen Wasserleiche, an der sich die Fische und vorher kokainumnebelte Yakuzaschergen vergangen haben.

Exploitative, nie um Seriosität bemühte Stromschläge, die sich rasend schnell zur argumentativen Kurzschlussreaktion ausweiten und bald nur noch erzreaktionären Qualm, Gestank und Destruktion hinterlassen. Wang zelebriert aus eigenem Trieb die äußeren Konsequenzen des individuellen Aufruhrs gegen Nötigung und Terror. Formuliert diese triviale, aber ungeheuer aggressive Geschichte am Ende der Kompromisse anekdotisch, in jeweils einzelnen Begebenheiten, die universell, dynamisch und dominant genug sind, um eine sowohl personenbezogene als auch themenbestimmte Handlungsführung zu ergeben und das später auch mit der Hilfe dreier Action Directoren als euphorisierendes Kollektiv kombinieren zu können. Eine Mischung aus verdrehter künstlerischer Problemwahrnehmung und gepflegter Egomanie.

Als Genuss für die sonst sträflich vernachlässigten Darsteller bekommt Jeder vom Elendsviertel eine eigene hitzköpfige Einführung, so etwas wie die persönliche Schlüsselszene ab, in der man ganz allein im aschfahlen Rampenlicht stehen und mit anschwellendem Zorn über-motivierend glänzen kann. Während Routinier O Chun-hung sich in der bleispritzenden Feuerschlacht in den Slamschluchten HKs bewähren und wie weiland Jackie Chan hinter und auf Bussen hechten muss, kann Ken Lo erst die halbe japanische Mafia beseitigen als dann auch einer eintrudelnden Spezialeinheit den Garaus machen. Dick Wei dagegen teilt zwar auch emsig aus und schickt bestimmt auch mehrere Dutzend Handlanger über den Jordan, darf aber, ganz rotgardistischer Held der Stunde, auch ein kleines Kind vom Riesenrad retten und dafür nicht nur selber Polizist spielen, sondern auch die weisen Abschlussworte zum Besten geben:

"I hated Hong Kong's prosperity very much. I thought it was decadent, but in fact I was wrong. Prosperity doesn't necessarily mean decadence, just as poverty isn't necessarily spiritual. I got used to poor life, and had prejudice on progression & luxury."
Phrasenhafte Brachialrhetorik, die sich in Anpreisung, Übertreibung und Überhöhung der eigenen misslungenen Weltanschauung ergötzt und noch im Nachhinein, nachdem das Faustrecht durchzogen wurde, diesem neoliberalen Verfall huldigt. Romantisierter Nihilismus und Faszination an der stumpfen Verrottung statt aufrichtige Systemkritik an den fundamental zerrütteten Zuständen oder gar glaubhafter politischer Agitation.

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