Der erfolgreichste Film aller Zeiten (wenn man die Inflation nicht berücksichtigt, ansonsten wäre das nach wie vor "Vom Winde verweht") und jahrelang auch der teuerste.
11 Oscars erhielt James Camerons Version vom Untergang der Titanic, der wohl bekanntesten Katastrophe überhaupt. Von 2200 Menschen überlebten in jener Nacht im Jahre 1912 nur knapp 700. Hat Camerons Umsetzung nun tatsächlich diese Oscar-Überflutung verdient? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Denn "Titanic" ist nicht über jeden Zweifel erhaben.
James Cameron kümmert sich nämlich mehr um die fiktive Liebesgeschichte zwischen dem Dritte-Klasse-Passagier Jack Dawson (Leonardo DiCaprio) und der wohlhabenden Rose (Kate Winslet), als um die Schicksalsnacht.
Neunzig Minuten lang muss der Zuschauer eine schwülstige Schnulze voller gekünstelter Dialoge ertragen, die ihren Höhepunkt in Sätzen wie: "Wohin Miss?" - "Zu den Sternen." findet. Gestandenen Männern kann da ganz leicht übel werden, Frauen werden es lieben! James Cameron hat dennoch versucht, alle Interessengruppen unter einen Hut zu bringen. Nur anteilsmäßig muss der Action- oder Katastrophen-interessierte Fan zurückstecken können.
Richtig interessant wird die Schifffahrt erst nach geschlagenen 100 Minuten. Und zwar dann, wenn die "Titanic" zu sinken beginnt. Ab hier sorgt der Meisterregisseur für dramatische Momente und ordentliche Action. Cameron legte großen Wert auf Details. Die Katastrophe ist deshalb auch perfekt inszeniert und getrickst. Hier hat der Film seinen Oscar auf jeden Fall verdient. Leider ist der Untergang aber nur schmückendes Beiwerk, um "heimlich" die Liebesgeschichte von Jack und Rose in der unglaubwürdigen Plantsch-Szene im eiskalten Wasser zum Abschluss bringen zu können: Alle sind erfroren, außer Rose. Sie hat nach etlichen Minuten in der Kälte sogar noch genügend Kraft, zu einer Leiche mit Trillerpfeife zu schwimmen (!) und diese zu betätigen, ohne dass ihre Lippen an dem Metallteil festfrieren. Besonders fragwürdig ist diese Tatsache, da Rose schon lange vorher an Bord des Schiffes bereits im (sicherlich nicht wärmeren) Wasser gebadet hat, aber erst an dieser Stelle Erfrierungserscheinungen zeigt.
Überhaupt liegt der große Schwachpunkt in der Figurenzeichnung. Die kommt nämlich nie über die typische, verkitschte Klischeeansammlung hinaus. Allein die Hauptcharakter Jack und Rose sind lächerliche Papphanseln ohne Tiefe, dafür aber ehrlich und liebenswert bis in die kleinste Pore. Hinzu gesellen sich der durchtriebene Verlobte von Rose (recht gut: Billy Zane), deren selbstsüchtige Mutter und ein brutaler Butler (David Warner). Komisch, dass die tragischen Momente trotzdem zu packen wissen, zumal ich keinerlei Beziehung zu irgendeiner Person auf diesem Schiff aufzubauen vermochte.
Da dies ja nun beileibe nicht die erste Verfilmung rund um die "Titanic" ist, sollte ich erwähnen, dass sich Cameron für sein Drehbuch bei unserem deutschen Klassiker aus dem Jahre 1943 bedient hat - und das mehrfach! Die 43er "Titanic" sollte damals waschechte anti-britische Propaganda sein. Dennoch wurde Regisseur Herbert Selpin auf Befehl von Goebbels verhaftet und wenig später ermordet.
Deutlich werden die nicht zufälligen Ähnlichkeiten in folgenden Szenen:
1. Der hier wie dort nicht-britische Held (keine britsche Person wird in beiden Filmen positiv dargestellt) lässt seine Geliebte ins Rettungsboot steigen und sie schaut ihm beim Hinablassen an.
2. Auch in der deutschen Version gibt es einen Juwelenklau-Subplot.
3. Eine Hauptfigur wurde schon damals in einer Kabine eingesperrt, als das Schiff zu sinken begann.
4. Und die von den Eltern versuchte erzwungene Vermählung einer Frau mit einem Mann, den sie nicht liebt, gab es auch schon einmal.
Desweiteren verwendete Cameron mehrere ähnliche Kameraeinstellungen und Szenenkompositionen.
Originalität kann man Cameron in diesem Bereich also wirklich nicht zusprechen.
Dennoch ist das Unterfangen "Titanic" geglückt. Trotz dicker Schmalzschicht auf jedem Bullauge ist die gesamten drei Stunden lang keine Langeweile zu spüren. Dass die "Jack liebt Rose"-Story stellenweise mehr zum Schmunzeln als zu Tränen rührt, ist der Hauptkritikpunkt. Ansonsten passt das Ganze. Nur mit den vielen Oscars hätte sich die Academy besser etwas zurückgehalten. Vom besten Film aller Zeiten ist "Titanic" noch ein ganzes Stück entfernt! 7/10 Punkten