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Tränenreiches Drama im Schatten des Schiffsuntergangs

Ich erinnere mich noch, den Film im Kino gesehen zu haben, in einem schön altmodischen Kino namens „Capitol“, mit rotplüschbezogenen Kinosesseln, echtem Vorhang und Holzvertäfelung. Die Titanic lief als letzter Film überhaupt in diesem Kino, welches dann zu einem Restaurant mit Clubcharakter und Tanzfläche umgebaut wurde. Warum erzähle ich das…nun, ich wohnte seinerzeit direkt über dem Kino, mein Treppenhaus war der Notausgang, und in der Filmpause –man mußte die Filmrollen wechseln, dank Überlänge – konnte ich in meine Wohnung gehen, mir noch ein Glas Wein holen und mich dann wieder auf den Balkon setzen, denn das Capitol hatte noch diese wunderbare Einrichtung. Klingt alles sehr nostalgisch, ist es auch, da Kino aufgrund der großen Mehrfachkinos eher zu einem gewöhnlichen Spaß verkommen ist, was sich leider auch in der Filmauswahl der Cinemaxxe und Multiplexxe widerspiegelt. Titanic nun war als Abschlußfilm geradezu ideal, denn auch dieser Streifen schwelgt in prächtiger Ausstattung und nostalgischen Gefühlen, wäre da nicht diese elende Liebesgeschichte gewesen…die mich damals fast aus dem Kino und zurück in die Wohnung getrieben hätte. Aber man wird ja älter…

…und sieht Dinge mit anderen Augen, so auch die Liebesgeschichte zwischen Jack und Rose, beide an Bord der Titanic auf deren Jungfernfahrt, doch beide von unterschiedlicher Klasse und Status. Doch auch hier gilt das eherne Gesetz des Liebesfilms, was sich kriegen muß, das kriegt sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, und wenn es auch Opfer erfordert. Rose nun soll eigentlich einen amerikanischen Geldmann heiraten, um der drohenden Armut mitsamt der Mutter zu entkommen. Jack hat das Ticket auf der Titanic beim Kartenspiel gewonnen – die Schweden, die es verloren haben, sollten im Nachgang froh gewesen sein, harhar…Rose nun ist ob ihrer durchgeplanten Zukunft sehr unglücklich und denkt an Selbstmord, wird aber vom zufällig an Bord herumliegenden Jack gerettet. Danach kommt man sich näher, und wir lernen, daß Liebe alle Schranken überwindet. Rose wird ihren Verlobten verlassen und mit Jack durchbrennen, auch wenn es an allem mangeln und die arme Mutter schmählich im Stich gelassen wird. War noch was?

Ach so, eigentlich geht es um den Untergang des schönen Schiffs Titanic, welches von einem Eisberg aufgeschlitzt wird und trotz der angeblichen Unsinkbarkeit mit Mann und Maus absäuft. Wir sehen den Überlebenskampf von Jack und Rose, sehen viele Klischees und wissen nicht, ob sich manches abseits der Liebesgeschichte wirklich so zugetragen hat. Obwohl, angesichts des Klassen- und Standesdünkels der besseren Gesellschaft ist schon vorstellbar, daß man sich die Rettungsboote nur ungern mit dem Pöbel teilt. Heute hingegen teilt man Halbwissen und Günther Hauch bei Fernsehshows mit dem Prekariat…

Und als Rahmenhandlung hat Regisseur Cameron noch einen Tauchgang in das Wrack der Titanic beschert, der einer Schatzsuche dient und doch nur dazu führt, daß uns eine alte Dame die wahre Geschichte des Untergangs berichtet. Viel Geld hat der gute Mann ausgegeben, um die dramatische letzte Stunde des Luxusliners prachtvoll in Szene zu setzen, und dieser Teil des Films ist wahrlich spektakulär und gelungen ausgefallen. Doch die Liebesgeschichte, die die Geschehnisse eher überdeckt als begleitet, ist in den meisten Augen zu lang ausgefallen und bedient sich zu vieler Klischees. Das ist sicher richtig, aber nehmen wir einen gewöhnlichen Liebesfilm, der auch gern seine zwei Stunden dauert…dazu noch eine Stunde Schiffsuntergang, dann hat man schon die drei Stunden Spielzeit. Das ist sicher teils langatmig, aber anders als damals im Kino hat mich das jetzt nicht mehr gestört. Sicher sind einige Szenen zu kitschig, auch die lustigen Tanzrunden unter Deck beim Proletariat hätte man gern streichen können, aber mal ehrlich: in gewisser Stimmung sind selbst solche Szenen Balsam für die Seele.

Ohne Fehl und Tadel hingegen Ausstattung und Bilder des Untergangs, dramatische Szenen von menschlichem Fehlverhalten und ein insgesamt gar grausiges Ende im eiskalten Meer, und bei all dem ist man wirklich mittendrin. Tricktechnisch vom Feinsten, imposant und mit viel Liebe zum Detail, dennoch in meinen Augen mit zu vielen Oscars versehen und auch bei gutmütigster Stimmung einfach…zu lang. 8/10.

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