Nach diversen actionreichen Blockbustern sollte James Cameron ausgerechnet mit „Titanic“, einem Schmalzepos deluxe, seinen größten Erfolg erringen.
Die historischen Gegebenheiten sind an sich jedem bekannt und Cameron gibt seiner Geschichte noch eine Rahmenhandlung zwecks Auflockerung. In ihr verfolgt man den Tiefseeforscher Brock Lovett (Bill Paxton) und seine Crew, die bei der Untersuchung des Titanic-Wracks ein Gemälde einer jungen Frau finden. Als sie das Bild in den Nachrichten zeigen, meldet sich eine gewisse Rose Dawson (Gloria Stuart) und behauptet die Frau auf dem Bild zu sein.
Von da an folgt „Titanic“ mit wenigen Ausnahmen ihren Schilderungen des Jahres 1912, als sie noch Rose DeWitt Bukater (Kate Winslet) hieß. Mit ihrer Mutter und ihrem ungeliebten Verlobten Caledon 'Cal' Hockley (Billy Zane) war sie an Bord der Titanic – genau wie der mittellose Künstler Jack Dawson (Leonardo DiCaprio), in den sich Rose verliebte...
Wenn es um die emotionalen Parts geht, dann will „Titanic“ an sich bloß Edelkitsch sein, ähnlich wie z.B. „Vom Winde verweht“, und dementsprechend präsentiert sich die Figurenauswahl als bunte Ansammlung von Klischees. Die meisten Passagiere der ersten Klasse sind verwöhnte Snobs wie Cal oder Rose’ Mutter, nur wenige sympathische Charaktere wie Molly Brown (Kathy Bates) tummeln sich hier. Dafür sind Jack und die anderen Passagiere zwar mittellos, aber deutlich herziger und lebenslustiger. Die schwarz-weiß-Zeichnung setzt sich bei der Besatzung nahtlos fort, denn auch hier sind die Leute entweder total selbstsüchtig oder edel bis zum Verrecken.
Doch das bleibt dann auch die einzige wirkliche Schwäche, denn Cameron mag ja nicht der Romantikfachmann sein, kann seine Geschichte jedoch mit reichlich handwerklicher Perfektion präsentieren. Bewegt „Titanic“ den Zuschauer, dann liegt das meist weniger an den Dialogen, sondern mehr an den imposanten Bildern und dem sehr stimmigen Soundtrack. Gleichzeitig versteht Cameron es die Geschichte mit dem notwendigen Pep (z.B. wenn kurze Einspieler der Rahmenhandlung zwischendurch erfrischend das Pathos der Liebesgeschichte brechen) zu erzählen, dass die drei Stunden recht schnell rumgehen.
Da macht es gar nicht aus, dass man den Ausgang der Geschichte an sich von Anfang an kennt. Doch nicht nur für Romantiker bietet „Titanic“ etwas, auch wenn einige Möchtegern-harte Menschen direkt das Lied von wegen seichtem Frauenkino anstimmen. Sicher ist das die primäre Zielgruppe des Films, doch auch an Krawall und Effekten spart „Titanic“ nicht. Gerade die CGI-Animationen, welche die Titanic und alle anderen Locations des Films darstellen, sind nicht nur für damalige Verhältnisse wirklich schick.
Auch der Actionfan kann an „Titanic“ seine Freude haben, denn etwa ab der Halbzeitmarke beginnt das Sinken. Anfangs turnen Jack und Rose noch durch die Gänge, die sich langsam mit Wasser fluten, danach geht es in den Tumult an Deck des sinkenden Schiffs. Da wird um die viel zu wenigen Rettungsboote gekämpft, da springen die Leute vom sinken Ozeanriesen und das Schiff selbst wird natürlich mit viel Lust am Krawall zerstört. Dazu noch mit Bemühen um Authentizität, aber das ist nicht so wichtig: Hauptsache, es rummst ordentlich.
Auch die Darstellerriege bemüht sich gegen die Rollenklischees anzuspielen. Leonardo DiCaprio und Kate Winslet spielen das Liebespaar mit dem nötigen Hingabe, aber so eine zündende Kombo Marke Meg Ryan und Tom Hanks sind sie nicht. Billy Zane ist zudem immer als Fiesling zu gebrauchen, wenngleich er hier teilweise etwas übertrieben schmierig daherkommt. Auch die Nebendarsteller sind ähnlich gut, wobei einige hier wirklich herausstechen können. Vor allem Kathy Bates als resolute Upper Class Lady macht Eindruck sowie Cameron-Buddy Bill Paxton, welcher der Rahmenhandlung den nötigen Schuss Humor verpasst.
So bleibt unterm Strich ein handwerklich perfektes, sehr imposantes Epos, das den Titel des besten Films aller Zeiten aufgrund der Klischeecharaktere sicher nicht verdient, aber doch mit Romantik und einem beeindruckenden Schiffsuntergang sehr gut über drei Stunden unterhält.