Gute Filme sind oft wie manche gute Musikstücke: Man muß sie wie gute Musik mehrmals hören bzw. sehen, um die feinen Linien, Schattierungen und Stimmungen erkennen und genießen zu können.
BOURNE VERMÄCHTNIS ist ein solcher Film, der sich einem erst nach und nach vollends erschließt. Zum ersten Mal sah ich den Film im Kino. In einem kleinen und voll besetzten Saal, und hörte dazu von allen Seiten „ahh's“ und „ohh's“, vermischt mit Popcornverzehrgeräuschen. Schon damals haben mich die Bilder des Filmes beeindruckt, die klar formulierten Dialoge, und natürlich die Darsteller.
Agentenfilme haben ein breites und meist begeistertes Publikum. Die Werke der BOURNE Filmreihe sind dabei von einer ganz besonderen Art, und kommen vielleicht gerade deswegen bei den Zuschauern gut an. Anders wie bei den ähnlich guten Filmen mit dem Spion Ihrer Majestät ist jedoch nicht die absolute Loyalität mit Dienst und Vaterland die Leitlinie.
Die Protagonisten der BOURNE Filme haben ein eher kritisches Verhältnis zu Vorgesetzten und zur Geheimorganisation insgesamt. Aus diesem Kontext entsteht bei BOURNE VERMÄCHTNIS eine fesselnde Geschichte, der man wohl eher folgen kann, wenn man auch die vorangegangenen Episoden der Reihe gesehen hat. Bei mir war das damals schon eine Weile her, Grund genug um mir den Film anschließend fürs Heimkino zu kaufen.
Im ruhigen und ungestörten Umfeld zuhause ist dieser Film einfach nur ein Genuß. Schon die ersten Szenen im alpinen Alaska bieten berauschende Landschaftsaufnahmen, gebündelt mit atemberaubenden Actionstunts. Im weiteren Verlauf des Filmes werden zeitlich synchron stattfindende Handlungsstränge entwickelt, die wirklich faszinierende Einblicke in die hochtechnisierte Welt eines global arbeitenden Geheimdienstes zeigen. Wenn es denn wirklich so ist.. ;-)
All das wird anschließend hochspannend zu einem grandiosen Finale geführt, und mit weiteren erstklassigen Actionszenen garniert. Die Story insgesamt und die darin eingebetteten Einzelszenarien wirken wie aus einem Guß. Alles fließt geschmeidig in einander, der Zuschauer wird auf eine packende Reise mitgenommen bis hin zum fulminanten Schluß. BOURNE VERMÄCHTNIS ist eine Perle der BOURNE Reihe und erreicht in jeder Hinsicht zumindest das anspruchsvolle Niveau der anderen Filme der Reihe.
Viele Filme werden in schauspielerischer Hinsicht von den Hauptrollen dominiert, die Nebendarsteller sind dabei eher unauffällig. Bei BOURNE VERMÄCHTNIS ist das gänzlich anders. ALLE Charaktere dieses Filmes wirken außerordentlich authentisch, von den Akteuren brilliant dargestellt und filmtechnisch optimal umgesetzt. Ich denke deshalb, daß die Arbeit in und an diesem Film allen Beteiligten viel Spaß gemacht haben muß, besonders den Schauspielern. Ohne jemanden hervorheben zu wollen: Jeremy Renner wirkt so intensiv wie meiner Ansicht nach in keinem anderen Film. Und die Darstellung der Ärztin durch Rachel Weisz ist echt reif für den Oscar. Auch bei Edward Norton, Stacey Keach, Oscar Isaac und allen Anderen scheint es, als hätten sie sich schon immer auf diese Rollen gefreut. Das alles wirkt nicht „gespielt“, sondern einfach nur echt!
Der Produzent/Regisseur/Director oder wie man diese Person auch immer nennen mag, haucht einem filmischen Werk das Leben ein. Tony Gilroy ist in dieser Hinsicht die Seele und das Wesen dieses Filmes. Wie alle anderen BOURNE Filme hat auch dieser Film irgendwie etwas Besonderes an sich. Als Konsument tue ich mich schwer das im Einzelnen zu beschreiben.
BOURNE VERMÄCHTNIS ist aber auf jeden Fall ein Highlight der gesamten Reihe. Vielleicht ist es die Tatsache, daß hier das gesamte Team der Darsteller/innen außerordentlich präsent ist. Die anderen Filme der Reihe sind doch mehr auf den Protagonisten fokussiert. Und: Bei BOURNE VERMÄCHTNIS sind die Fightstunts und ähnliche Szenen eher subtil gesetzt. Story, Dialoge und die Darstellung der Charaktere stehen nach meiner Ansicht eher im Vordergrund. Aber wie auch immer: Tony Gilroy hat mit diesem Film ein Meisterwerk geschaffen, ein wirkliches cineastisches Glanzlicht.
Unbedingt zu nennen sind auch die Leute, die den Film kongenial technisch ins Bild gesetzt haben. Ob es nun die Kameraführung ist, der Bildschnitt, die Bildfarben oder die mit diesen Mitteln geschaffenen Stimmungen sind, alles erstklassig. Damit ein weiteres Kompliment an Tony Gilroy für die Führung seines Teams, der das Maximale aus den Fähigkeiten seiner Kollegen herausgeholt hat. Und: Wie es scheint hatten alle Beteiligten echt Spaß dabei, faszinierend!
Alles in allem ist dieser Film unbedingt sehenswert und empfehlenswert, besonders für Freunde des Genres! Aber auch eher zart Besaitete werden Gefallen daran finden, an den betörenden Bildern, der spannenden Story und den erstklassigen Darstellern.
Vielleicht sind ergänzend dazu einige Worte zur Öffentlichkeitswirkung dieses Filmes und der BOURNE Reihe insgesamt sinnvoll. Heutzutage versucht man gern aus Allem einen tiefenmanipulativen Hintergrund herauszulesen. Die gestaltende Freiheit von Kunst und Kultur wird dadurch in Frage gestellt, z. B. bei Büchern und Musiktexten und vor allem bei Filmen.
Dieser Film beschreibt in vielen Szenen fiktive Umstände und Abläufe in real existierenden wichtigen Behörden einiger Nationen. Darauf wird in den Endcredits ausdrücklich hingewiesen. Unseriöse Leute argumentieren im Tagesgeschäft gern mit solchen fiktiven Inhalten gegen diese vermeintlich „bösen“ Organisationen, und erschweren diesen Behörden damit deren verfassungskonformen Auftrag. Denn einfache Gemüter und leicht beeinflussbare Mitmenschen neigen halt dazu, diese erdachten und künstlerisch gestalteten filmischen Geschichten irgendwie für die Realität zu halten.
Eine moderne Demokratie auf der Basis von Freiheit und Recht braucht Krallen und Zähne, um ihren Bestand zu sichern. Geschichte und Entwicklung von vielen relativ jungen und funktionierenden demokratischen Systemen zeigen das ganz deutlich. Das katastrophale Scheitern von z.B. der naiven/hilflosen/zahnlosen Weimarer Republik vor gar nicht so langer Zeit zeigt das ebenfalls ganz deutlich. Diese junge Demokratie ist damals menschenverachtend und bösartig von Kommunisten und Nationalsozialisten torpediert und zerfleddert und in einen aussichtslosen Massenvernichtungskrieg getrieben worden.
Bei den Sicherheitsbehörden unserer Zeit ist vieles was glänzt tatsächlich Gold. Aber auch dort arbeiten nur Menschen, von denen halt manche... na ja, Sie wissen schon. Mit leicht verständlichen und unübersehbaren Hinweisen auf die fiktiven Inhalte von solchen Filmen (z.B. in Werbung und in den Medien allgemein) könnte man den engagiert und sorgfältig arbeitenden Leuten bei Sicherheitsbehörden das Business sicherlich leichter machen.