Mit den Büchern hatten die beiden Bourne-Sequels zwar kaum noch etwas zu tun, aber sie brachten die Saga zu einem Abschluss. Doch nicht nur in Buchform, sondern auch filmisch sollte es trotzdem noch Sequels geben.
Während die Buchfortsetzungen ohne Mitwirkung des verstorbenen Robert Ludlum geschrieben wurden, wurde bei „Das Bourne Vermächtnis“ nicht nur Originaldrehbuchautor Tony Gilroy an Bord geholt, sondern gleich auf den Regiestuhl gesetzt. Doch nicht nur Regisseur Paul Greengrass, auch Hauptdarsteller Matt Damon stieg aus, also geht es hier um ein weiteres Regierungsprojekt, ein Nachfolger von Treadstone, das im Vorgänger enttarnt worden war. Große Teile von „Das Bourne Vermächtnis“ spielen parallel zu „Das Bourne Ultimatum“, setzen die Kenntnis des Vorgängers aber nicht zwingend voraus und deuten dessen Ende um: Pamela Landys (Joan Allen) Anklage war nur scheinbar ein Sieg, die Regierung macht sie mundtot.
Der neue Held ist beim Projekt Outcome, heißt Aaron Cross (Jeremy Renner) und wird nicht nur einem Spezialtraining unterzogen, sondern er nimmt auch noch Pillen, die seine körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit steigern. Während die Regierung die Spuren von Programmen wie Treadstone und Outcome vertuscht, ist er zum Training in Alaska. Keine Identitätskrise, kein Gedächtnisverlust – im Gegensatz zu Bourne wird Cross eingeführt, ironischerweise gibt es aber wenig über seine Vergangenheit zu erzählen und man erfährt die paar Details sowieso erst in der zweiten Filmhälfte.
Während die alten Schurken also grade am Treadstone-Debakel knabbern, betreten neue Finsterlinge die Bühne: Eric Byer (Edward Norton) und Mark Turso (Stacy Keach), quasi die Strippenzieher hinter den Strippenziehern. Und die Befehlen die Beseitigung aller Beweismaterialien, die zu Treadstone und dem eventuell vor der Enttarnung stehenden Outcome zu beseitigen. Die Outcome-Agenten werden liquidiert, ebenso die beteiligten Wissenschaftler, nur Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz) überlebt die als Amoklauf getarnte Massenbeseitigung von Zeugen, mit der die Übermacht der Regierungsleute affirmiert wird.
Auch Cross überlebt versuchte Mordattentate durch Drohnen, wird für tot gehalten und reist nach Amerika, wo Shearing seine einzige Spur ist. Er kann sie gerade noch vor Killern der Regierung retten und flieht gemeinsam mit ihr…
Eigenen Aussagen zufolge war Gilroy nicht mehr so tief in den dritten Bourne-Film involviert, doch es ist schon enttäuschend, dass er als Regisseur und Autor wohl nicht ganz begriffen hat, was die Originaltrilogie auszeichnete. Aaron Cross ist ein Held ohne großes Profil, wobei das Pillen-Pimping die Figur noch schwächer macht: Wenn Cross wie ein Junkie nach seinen Pillen ruft, dann wirkt das eher unfreiwillig komisch, noch dazu, weil er ohne Intelligenz-Doping unterdurchschnittlich intelligent ist, wie man später erfährt, was leider noch weiter an der Aura kratzt. Shearing ist als Mitflüchtige nicht mehr oder weniger bedeutsam als ihr Gegenstück aus „Die Bourne Identität“, doch die Filme hängen an ihrer Hauptfigur und die bleibt hier leider blass.
Außerdem wirft der Film das ästhetische Konzept der Vorgänger (vor allem von Teil zwei und drei) über Bord, die durch hektische Kameraführung und abrupte Schnitte Bournes Gejagtsein filmisch vermittelten. Cross leidet zwar auch nicht unter dessen Identitätsverlust, doch der inszenatorische Bruch verdeutlich nur noch einmal, was die Originaltrilogie von 08/15-Kopien abhob – und genau so eine ist dieses Spin-Off.
Insofern darf man auch auf Plotseite keine Wunder erwarten, ist die zigmal gesehene Geschichte des aufrechten Mannes auf der Flucht vor den Behörden, der zur Sicherung des eigenen Lebens Hindernisse überwinden und Aufgaben erfüllen muss. Da Cross an sich ganz gut untertauchen könnte, schreibt ihm das Drehbuch eben das Pillenproblem zu, das er lösen muss. Einzig und allein die Tatsache, dass er nicht über Jason Bournes geistige Reflexe verfügt, nutzt der Film clever aus: Wo Bourne im blitzschnell agierte, da plant Cross auf längere Sicht im Voraus und setzt die Verfolger auf falsche Fährten, indem er seinen eigenen Tod simuliert oder ähnliche Tricks anwendet, da er nicht in dem Maße intuitiv handeln kann wie sein Vorgänger.
Actionseitig setzt der Film auf Bewährtes, vergisst aber Tugenden der Vorgänger. Der Verzicht auf den Bourne-Stil sorgt nur für geringfügig mehr Übersicht, einen Nahkampf des Helden gegen einen anderen Superagenten (das Actionhighlight jedes bisherigen Bourne-Films) gibt es dieses Mal nicht. Stattdessen gibt es solide Hausmannskost im Ballern, Kämpfen und Davonlaufen, wobei die realistischen, kurzen Nahkämpfe zu den Hauptattraktionen gehören. Die Konfrontation in und um Shearings Haus stellt leider bereits den Höhepunkt dar, da das Finale zwar versiert gemacht ist, gerade in seinen Stunts überzeugt, es aber keinen draufsetzen kann, nicht dramatisch genug wirkt.
Es ist schade für Jeremy Renner, der in der Hauptrolle ein Gewinn ist, aber mit der Anlage der Figur zu kämpfen hat, denn das Geschrei nach Pillen ist zwar gefordert, macht die Figur aber lächerlich. Rachel Weisz ist okay, auf der Fieslingsseite trumpfen Edward Norton und Stacy Keach auf, sind in ihren Kontrollräumen aber zu sehr der Handlung enthoben um ihre ganze Bedrohlichkeit auszuspielen – Eindruck hinterlassen sie trotzdem, gerade Norton als mit Menschenleben rechnender Bürokrat und Demagoge.
„Das Bourne Vermächtnis“ ist kein schlechter Film, er ist ganz okay, als Fortsetzung der famosen Originaltrilogie aber eine Enttäuschung: Handelsüblich, stromlinienförmig und ohne große Akzente – da ist selbst manches Bourne-Imitat wie „Safe House“ die bessere Wahl im Vergleich zum offiziellen Nachklapp.