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"Das Bourne Vermächtnis" bezieht sich auf die Film-Trilogie über Jason Bourne, der nach dem Verlust seines Erinnerungsvermögens langsam seiner eigenen Vergangenheit auf die Spur kommt, verbunden mit der Erkenntnis, ein zum Töten ausgebildetes Werkzeug des US-Geheimdienstes zu sein. Dem Versuch, ihn zu beseitigen, entkam er im letzten Teil der Trilogie 2007 mit einem Sprung ins Wasser, nicht ohne die Hintermänner und Schuldigen zuvor einer gerechten Strafe zuzuführen.

So zumindest deutete es Drehbuchautor Tony Gilroy damals an, doch von dieser Lösung ist in seinem vierten "Bourne"-Film, bei dem er erstmals auch die Regie übernahm, nichts mehr zu spüren. Dieser nimmt die Handlung knapp 6 Wochen nach dem Verschwinden Bournes wieder auf, zu einem Zeitpunkt, an dem der Staat und seine verantwortlichen Entscheidungsträger längst wieder Herr der Lage sind. Pam Landy (Joan Allan), Bournes wichtigste Verbündete im Kampf für die Gerechtigkeit, ist des Vaterlandsverrats angeklagt, und wird nur einen kurzen Moment mit Screentime bedacht, wie auch Ezra Kramer (Scott Glenn) und Noah Vosen (David Strathairn), die abgemeldet sind. Sie werden ersetzt durch Admiral Mark Turso (Stacy Keach) und Colonel Eric Byer (Edvard Norton), deren Job es ist, den Laden vollständig aufzuräumen, um jeden Verdachtsmoment, der Staat braue unkontrolliert von der Öffentlichkeit ein eigenes tödliches Süppchen, im Keim zu ersticken.

Wer deshalb bemängelt, die Nennung von "Bourne" im Titel nutze nur den Bekanntheitsgrad der Trilogie, hat recht und unrecht zugleich. Tatsächlich spielen die ehemaligen Protagonisten keine Rolle mehr, aber Gilroy bedient sich seiner eigenen Idee, das es sich bei Jason Bourne um keinen Einzelfall handelte, sondern um ein groß angelegtes Forschungsobjekt mit weiteren Einzelkämpfern, um die Geschichte im Prinzip erneut zu erzählen. Diesmal nutzt er nicht den Gedächtnisverlust eines Mannes als Ausgangspunkt seiner Story, sondern den rigorosen Versuch der verantwortlichen Stellen, das Projekt und damit alle möglichen Zeugen zu beseitigen, was letztlich die gleiche Konsequenz hat - ein Mann, der für den Einzelkampf speziell ausgebildet wurde, streitet gegen eine staatliche Übermacht, um zu überleben.

Oder anders ausgedrückt - Jeremy Renner als Aaron Cross übernimmt den Job von Matt Damon, womit der entscheidende Unterschied schon benannt ist. Dazu hat Rachel Weisz den weiblichen Part als Dr. Marta Shearing inne, die als Wissenschaftlerin ebenfalls auf der Abschussliste steht. Und sie bekommen es mit einem Edvard Norton zu tun, dessen intelligente Skrupellosigkeit ein gelungenes Beispiel dafür abgibt, wie man Mord aus patriotischen Gründen rhetorisch verpacken kann. In seiner ersten Hälfte, indem die Szenerie ständig zwischen dem Einzelkämpfer und den Vertretern des Staates wechselt, baut "Das Bourne Vermächtnis" überzeugend eine Situation auf, die an eine diktatorische Allmacht erinnert, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzogen hat. Und es wird deutlich, wie der Staat die Menschen für seine Zwecke geschickt instrumentalisiert - sowohl Aaron Cross, als auch Dr. Shearing hatten von ihrer Mitwirkung an dem Projekt bisher durchaus profitiert.

Das die Action in dieser Phase nur hin und wieder aufflackert, kommt dem Film zugute, wie sich in der deutlich actionlastigeren zweiten Hälfte zeigt, die diese Thematik verwässert und sich auf ein klassisches Verfolgungsszenario im Stil von "24" konzentriert, bei dem alle technischen Mittel hinzugezogen werden, um den beiden Flüchtigen auf die Spur zu kommen. So gekonnt die Verfolgungsjagd in Manila inszeniert ist, zeigen sich im Vergleich zum dichten Beginn des Films Verschleißerscheinungen, aber unabhängig davon, wie der Betrachter diese Konstellation für sich gewichtet, steht und fällt der Film letztlich mit seinen Protagonisten. Und in dieser Hinsicht machen Renner, Weisz und als Gegenspieler Edvard Norton ihre Sache richtig gut und emanzipieren sich von der alten "Bourne"-Trilogie.

"Das Bourne Vermächtnis" versteht sich als Einleitung für ein neues Sequel und führt direkt in eine Zukunft, deren Qualität noch nicht absehbar ist - ein schlüssiges Abbild menschenverachtender Skrupellosigkeit unter dem Deckmäntelchen staatlicher Selbstverteidigung oder oberflächliche Action. (7/10)

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