Review
von Alex Kiensch
Ein alternder Schauspieler blickt auf sein Leben zurück, während eine Gruppe von Kindern Kamera und Filmequipment bereit stellt, um ihn ein letztes Mal vor den Bildschirm zu bringen. Mit diesem Image-Kurzfilm anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Toronto Filmfestivals inszenierte Kanadas vielleicht berühmtester Regisseur David Cronenberg ein kleines, feines Werk und bewies, dass der Meister des so anspruchsvollen wie heftigen Body Horrors auch sehr feinfühlige Geschichten erzählen kann.
Der Mann, hervorragend gespielt von Leslie Carlson, dem es in den kaum sieben Minuten Laufzeit gelingt, seine Figur zum liebenswerten, herzerwärmenden Charakter reifen zu lassen, kommentiert anfangs die eingeblendeten Handlungen der Kinder, um dann abzuschweifen zu allgemeingültigen Betrachtungen über das Leben, die Schauspielkunst und die Angst vor dem Altern. Das Alleinsein im Alter sickert bald aus jeder Pore, jeder Falte, jedem ernsten, verunsicherten Blick des Mannes. Intensiviert wird diese tolle Leistung durch die ruhige, aber starke Kamera, die von der Nah- bis zur Detailaufnahme ganz langsam ans Gesicht ihres Protagonisten heranzoomt.
Überhaupt erzeugt „Camera" einen verspielt-zauberhaften Ton, vor allem durch seine simplen, aber ästhetischen Bilder. Die Gruppe kleiner Kinder, die mit höchster Konzentration und Professionalität die teils wuchtigen Kamera- und Filmequipments durch die Gegend schiebt, sorgt für ungewöhnliche Bilder, die das Filmschaffen aus einem ganz neuen Blickwinkel zeigen - und die wie ganz nebenbei die zeitlose Generationenfrage (alte Meister werden von jungen Talenten abgelöst) visualisiert. So entsteht auch ohne Musik innerhalb kürzester Zeit ein ergreifendes, intellektuell und emotional berührendes Stück Film über den Lauf des Lebens und die Macht der Kunst, die den wahren Künstler sein ganzes Leben lang nicht loslässt.
In diesem Sinne verleiht auch die abschließende Film-im-Film-Sequenz dem Ganzen eine faszinierende und wirklich zu Herzen gehende Metaebene. Mit „Camera" hat Cronenberg schon im Jahr 2000 gezeigt, was seine späteren Langfilme umso mehr unterstreichen sollten - die Zeiten seiner brachialen Gewaltorgien waren größtenteils vorbei, seine Geschichten tendierten immer mehr zu klugen, komplexen Charakter- und Gesellschaftsporträts. Eine bessere Werbung hat sich das Toronto Filmfestival wohl kaum wünschen können.