"Back to the future! - Ridley in Horrorland"
„Prometheus"! Schon der Titel macht deutlich, das es bei Ridley Scotts sehnlichst erwarteter Rückkehr in die von ihm so geprägten Science Fiction-Gefilde diesmal um mehr gehen sollte, als „nur" die Begegnung mit dem Außerirdischen, dem Fremdartigen. In der griechischen Mythologie gilt Prometheus nicht nur als Freund und kultureller Heilsbringer der Menschheit, sondern häufig auch als ihr Schöpfer (u.a. bei Plato).
Dieser philosophische Ansatz weckt im Kosmos des Zukunftskinos natürlich sofort Assoziationen zu Stanley Kubricks bahnbrechendem Werk 2001 - Odysse im Weltraum (1968). Eine nicht zu unterschätzende Hypothek für Prometheus zumal auch Scotts eigenes Oeuvre eine enorme Erwartungshaltung schürte, zeichnet er doch für die inzwischen als Klassiker geltende Genre-Meilensteine Alien (1979) und Blade Runner (1982) verantwortlich. Dass Prometheus dazu auch noch lange Zeit als Prequel zum nicht nur in einschlägigen Fankreisen kultisch verehrten Alien angekündigt war, dürfte den Druck nicht unbedingt verringert haben. Schließlich sollte es laut Scott dann doch ein eigenständiger Film werden, der lediglich im Alien-Kosmos angesiedelt bzw. mit Alien-DNA angereichert ist.
Das klingt nach dem faulen Kompromiss der es dann letztlich leider - zumindest teilweise - auch geworden ist. Viele Köche, in diesem Fall eher Rezepte, verderben bekanntlich den Brei. Eine Binsenweisheit, keine Frage, die aber hier wieder einmal von einem zweifellos hoch ambitionierten Chefkoch bewiesen wurde. Nicht, dass Scotts ehrgeiziger Plan nicht hätte aufgehen können, aber dazu hätte es eines erheblich vielschichtigeren und besser durchdachten Scripts bedurft.
Ein zunächst von Sci-Fi-Experte Jon Spaiths erarbeitetes Drehbuch war Scott zu deutlich an Alien orientiert, so dass er es zusammen mit Damon Lindelof umschrieb. Auch hier gilt wieder die oben bereits erwähnte „viele Köche"-Regel. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Lindelof nicht unbedingt zu den begnadetsten Geschichtenerzählern seiner Zunft gehört. Vor allem seine Autorenschaft bei zahlreichen Episoden der Mystery-TV-Serie Lost offenbarte ein ums andere Mal seine Schwächen beim Schreiben von griffigen und sinnhaften Dialogen sowie stringenten Storytelling. Mit genau diesen Problemen hat dann auch Prometheus zu kämpfen.
In der ersten Filmhälfte verläuft die Grundhandlung noch recht „rund", soll heißen in plausiblen und geschickt Spannung aufbauenden Bahnen. Das Forscherpaar Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall Green) entdeckt in einer Felshöhle prähistorische Zeichnungen, die auf den Ursprung der Menschheit in einem fernen Planetensystem hindeuten. Daraufhin bricht eine von der Weyland Corporation finanzierte Expedition mit dem Raumschiff Prometheus auf, um Aufschlüsse über den Ursprung menschlichen Lebens bzw. das Rätsel der Schöpfung zu bekommen. Der Konzern - vertreten durch „Aufpasserin" Meredith Vickers (Chalize Theron) und den Androiden David (Michael Fassbender) - verfolgt indes ganz andere Ziele mit der Expedition, ein Widerspruch, der nach der Landung auf dem Planeten und der Entdeckung rätselhafter Bauwerke zu einer gefährlichen Interessenkollision führt, die das Leben der gesamten Besatzung gefährdet. Zumal die von Shaw und Holloway aufgestellte These einer Einladung sich als fataler Irrtum herausstellt ...
Das erinnert natürlich stark an den Plotaufbau in Alien, funktioniert aber vor allem dank des zu erwartenden Unheils ähnlich gut. Trotzdem gibt es bereits hier die ersten Störfaktoren zu vermelden. Insbesondere nerven die pseudophilosophischen Dialoge, die angefangen bei der griechischen Mythologie über biblische Anspielungen, John Miltons „Paradise Lost", H.P. Lovecrafts „At the Mountain of Madness" bis hin zu Charles Darwin und Erich von Däniken so ziemlich alles in leeren Worthülsen verwursten, was über Schöpfung, Hölle und außerirdische Gott-ähnliche Wesen durch die Literaturgeschichte geistert. Mit den schwachen Dialogen einhergehend bleiben die skizzierten Figuren beinahe ausnahmslos blass wie austauschbar und entsprechen damit dem gängigen Personal erheblich weniger anspruchsvoller und auf bloße Unterhaltung abzielender Horrorfilme.
Einzige Ausnahme ist Michael Fassbender, der als androgyner humanoider Roboter David eine phänomenale Vorstellung abliefert. Orientiert an Gestik und Sprachduktus (im Original) von Peter O´Tooles Darstellung Lawrence von Arabiens, umgibt David eine gleichermaßen faszinierende wie (unterschwellig) bedrohliche Aura wie den Titelhelden seines Lieblingsfilms. Fassbenders Glück ist aber auch, dass er deutlich seltener wie der übrige Cast von Lindehof im Stich gelassen wird, sobald er den Mund aufmacht.
Der eigentlichen Hauptdarstellerin Noomi Rapace geht es da erheblich schlechter. Zumal sie sich den Vergleich mit Sigourney Weavers ikonographischer Darstellung Ellen Ripleys gefallen lassen muss - zu ähnlich ist die Rollenanlage bzw. die Funktion der Figur im Gesamtkonzept des Films -und dabei deutlich den Kürzeren zieht. So greifbar Ripleys Verzweiflung, Tatkraft und Mut im ersten Alien-Film war, so wenig Identifikationsangebote macht Shaw.
Dass Prometheus trotz seiner Script-bedingten Schwächen dennoch ein überdurchschnittlicher Science-Fiction-Film geworden ist - wenn auch keineswegs das von vielen erwartete Meisterwerk -, ist zuvorderst
seiner (audio)visuellen Gestaltung zu verdanken. Was Scott hier an phantastischen Bilderwelten kreiert hat, ist schlichtweg atemberaubend. Vor allem das Innenleben der Prometheus strotz vor Detailreichtum und faszinierenden technischen Gimmicks, die zwar eindeutig so noch nicht existieren, aber dennoch zukünftig machbar erscheinen. Dazu kommt eine räumliche Tiefe und Plastizität, die endlich wieder einmal aus dem inzwischen zu Recht in Verruf geratenen 3D-Effekt das Maximum herausholt und seinen Einsatz mehr als rechtfertigt. George Lucas nachträgliche Konvertierung seines vierten Star Wars Films (Episode I) wirkt dagegen wie eine billige Rummelplatzattraktion. Scott hat die dreidimensionale Latte jedenfalls ein Stück weit höher gelegt, so dass selbst Technik-Pionier James Cameron für seine geplanten Avatar-Sequels neu motiviert sein dürfte.
Erneut zeigt sich auch, dass real aufgebaute Sets nach wie vor erheblich glaubwürdiger aussehen als ihre computergenerierten Pendants. Die Sterilität und den unechten Computerspiel-Look vieler neuerer Effektspektakel sucht man hier glücklicherweise vergebens. Greift Scott dennoch mal auf den Rechner zurück (beispielsweise bei den Weltraum-Szenen), so erweist sich das Ergebnis keineswegs als optischer Fremdkörper, sondern als harmonische Ergänzung, die sich nahtlos in das überragende visuelle Gesamtkonzept fügt.
Dank Scotts gewohnt kraftvoller Bildsprache erweist sich auch die im Vorfeld häufig zu hörende Befürchtung Prometheus könnte im direkten Vergleich mit Alien zu harmlos ausfallen als unbegründet. Wenn der Horror schließlich über die Besatzung der Prometheus hereinbricht, zeigt sich Scotts nach wie vor intakte Meisterschaft im Erzeugen von ebenso plastischem wie drastischem Schrecken. Ein Schrecken der vielleicht nicht ganz so unvermittelt das Publikum überfällt wie anno 1979, der aber ähnlich lange nachwirkt. Zwar könnte man auch hier kritisieren - so wirken einige Attacken selbstzweckhaft und nicht konsequent zu Ende gedacht -, aber das wäre Jammern auf höchstem Horror-Niveau. Wirklich störend dabei sind lediglich die zum Teil wenig nachvollziehbaren Reaktionen der Wissenschaftler auf das sie attackierende Unheil. Womit wie wieder bei Damon Lindelof wären.
Viele Handlungsstränge laufen ins Leere oder zumindest Nebulöse. Das Bemühen Prometheus mit der Alien-Saga zu verknüpfen ist allzu deutlich zu spüren und engt den Film eher ein, als dass es ihn vorantreibt. Die Idee den bereits im Originalfilm von der Besatzung der Nostromo entdeckten mysteriösen „Space Jockey" (das Skelett eines riesenhaften Piloten) mitsamt seinem gestrandeten Raumschiff als Ausgangspunkt für einen neuen Pfad innerhalb des Alien-Universums zu nutzen, ist allerdings durchaus faszinierend und keineswegs so albern oder haarsträubend wie sie von einigen Kritikern gemacht wird. Allein Scott und Lindelof machen zu wenig daraus, wobei mögliche (und am Ende auch angekündigte) Sequels hier einiges gerade rücken könnten. Letztlich krankt Prometheus in erster Linie an seiner gesamtkonzeptionellen Unentschlossenheit. Will er nun ein reinrassiges Prequel zu Alien sein, oder doch ein völlig eigenständiges Szenario schaffen, das lediglich rudimentäre Berührungspunkte aufweist.
Vielleicht war der Titel dieser streckenweise unausgegorenen, streckenweise aber auch faszinierenden und visuell durchgängig berauschenden Rückkehr Ridley Scotts zu seinen gefeierten Science-Fiction Wurzeln doch nicht so glücklich gewählt. Prometheus war nicht nur Schöpfer und Wohltäter der Menschen, sondern neigte auch zu Selbstüberschätzung und Eigensinnigkeit. Das mag Scott als treffende Allegorie für die Ambitionen seiner Figuren bzw. die im Film aufgeworfenen Themenkomplexe angesehen haben, als quasi metaphorischer Vorwurf an seine eigene Rolle bei der Erschaffung von Prometheus taugt der titelgebende griechische Sagenheros aber in gewisser Weise ebenso.