Wenn es einen Beleg dafür gibt, wie sehr wir Filmliebhaber und Kinobesucher in unseren Sehgewohnheiten konditioniert sind, dann ist es "Signs".
Da wälzen sich nach dem Film Massen von vorzugsweise jungen Leuten aus dem Kino und den meisten ist eines gemein: sie haben etwas anderes erwartet. Angelockt von mysteriösen Trailern mit Kornkreisen, Gestalten vor dem Fenster und im Mais, erwarten hier alle DEN Suspenser zum Thema Alieninvasion schlechthin. Sie werden landen oder haben es schon getan und nun erwarten sie den personifizierten Helden in Gestalt Mel Gibsons, der die Aliens gewaltig ass kickt.
Aber bekommen tun sie etwas ganz anderes.
Wir sind es nicht mehr gewöhnt, etwas zu erhalten, was wir nicht erwartet haben. Hunderte von mittelmäßig bis schlechten, hoffnungslos vorhersehbaren und sich an eine, allerhöchstens zwei guten Ideen klammernden Popcorn-Sommerblockbustern haben uns gezeigt wie es geht und inzwischen scheinen wir die Formel durchschaut zu haben. Also muß dies wie der neueste Burger bei McDonalds sein, innovativ wegen einer Scheibe Bacon oder einer neuen Sauce.
Doch M.Night Shyamalan, der unseren Sehgewohnheiten schon bei "The Sixth Sense" und "Unbreakable" den Boden unter den Füßen wegzog, inszeniert auch bei seinem dritten Fall gegen den Strich. Das Neue an diesem Burger? Man muß ihn kauen.
Und manchmal schmeckt er nicht mal dann.
Der findige Inder hat sich nämlich etwas anderes ausgedacht, als die übliche Alieninvasion. Zwar weisen uns diverse Vorschauen darauf hin, daß sich der Titel auf eine mögliche Invasion bezieht, im Film jedoch sieht das anders aus.
Die Story ist noch nicht zu einem Drittel erzählt, da werden wir vom Plot schon vor vollendete Tatsachen gestellt. Ja, die Aliens sind da, nicht nur in Mels Maisfeld, sondern überall auf dem Planeten. Das Fernsehen zeigt es überdeutlich in Inserts, Lichter schweben überall über unserem Planeten und die Frage ist lediglich, was wollen sie.
Wie weilend Hitchcock scheißt Shyamalan nämlich auf eine innovative Story, sondern spielt auch hier viel lieber mit den Möglichkeiten der Suspenseerzeugung. Angst machen will er dem Publikum, Unruhe erzeugen, die Bedrohung in unsere kleinen Wohnungen und noch kleineren Köpfe tragen.
Wo kann man das besser machen als in der Abgeschiedenheit Pennsylvanias, wo der Mais in aller Stille rauscht und nur alle paar Kilometer ein Haus steht. Hier residiert der Ex-Pfarrer Gibson mitsamt seinen kleinen Kindern und seinem erfolglosen Bruder seit dem Unfalltod seiner Frau still und zurückgezogen vor sich hin. Der Glaube ist futsch gegangen, Gott ist tot und es gibt nur noch Zufälle und keine Wunder mehr. Bis ihn das Schicksal in den Allerwertesten beißt.
Und der Trick mit der Isolation wirkt wie immer zuvor, die Zeichen mehren sich. Das Unwichtigste unter ihnen sind dabei die titelgebenden Kornkreise, lediglich eine Navigationshilfe, stattdessen reihen sich die anderen kleinen Schocks fleißig aneinander. Der Hund dreht ab und küßt eine Grillgabel, die Tochter trinkt nur halbe Gläser Wasser und läßt den Rest in der Wohnung rumstehen, auf dem Dach steht mitten in der Nacht eine düstere Gestalt.
Sauber setzt Shyamalan die Sequenzen, die uns im Sessel kurz hüpfen lassen, alle nacheinander, im Fünf-Minuten-Takt. Dazwischen Infomaterial aus dem Alienbuch, TV-Ausschnitte über die offensichtliche Wahrheit, humorvolle Ausfälle nach links und rechts, wo die Figuren ihrem menschlichen Anspruch Sorge tragen. Es könnte ja alles eine lächerliche Scharade sein.
Doch spätestens wenn Gibson eine Begegnung mit einem Besucher hat, den der Tierarzt in der Speisekammer gefangen hat und ein Video eine erste verschwommene Komplettansicht gibt, zieht sich die Schlinge enger.
Was aber wirklich befremdend ist, ist nicht der uralte, ausgelutschte Plot mit den Aliens, ist die Hauptfigur. Wir wollen keinen hoffnunglosen, gebrochenen Mel Gibson sehen, wir wollen Martin Riggs aus "Lethal Weapon". Doch das ist kein Ex-Polizist, es ist ein Ex-Pfarrer.
Mit leeren Blick schlurft Gibson durch das Unglaubliche und wirkt dadurch ebenso glaubwürdig, wie seine Darstellung unhollywoodesk hölzern ist. Locker bremsen ihn seine aliengläubigen Kinder aus, ruhig und ernst agierend und gerade deswegen nicht selten für einen Lacher gut, wenn den nicht Joaquin Phoenix produziert, als halb-tumber Verlierer.
Gibsons menschliches Drama, der Verlust der Ehefrau durch einen Unfall steht stark im Mittelpunkt der Handlung, die Verdrängung der Realität im Moment der Überflutung durch das scheinbar Irreale. Shyamalan selbst spielt eine mysteriöse Figur, die mit dem Schicksal der Familie eng verbunden ist. Gibsons dröge Darstellung ist gleichzeitig fade und notwendig, denn das Human Drama spielt hier eine entscheidende Rolle im Werdensprozeß von Innen- und Außenleben der Figuren.
Das Geniale am Ganzen ist jedoch die gewisse Scharfsinnigkeit mit der die scheinbar belanglosen Szenen aneinandergereiht werden, um schließlich zum Showdown alle miteinander auf das Wichtigste verbunden zu werden. Jegliche Merkwürdigkeit und halb unwichtige Erwähnung gewinnt auf den letzten Metern unheimliches Gewicht. Geschickt werden die Schlüsselszenen herausgezögert, bis alles in einem fokussierenden Höhepunkt mündet.
Einige der Sequenzen werden dabei Geschichte machen, wie eine unheimliche Szene im Maisfeld und der dramatische Klimax, der in einem komplett finsteren Keller spielt, nur zeitweise erhellt durch zwei Taschenlampen. Daß die Helden dabei filmgeschichtlich ein Klischee nach dem anderen erfüllen, indem sie sich verbarrikadieren und in immer kleinere Räumlichkeiten zurückziehen, ist dabei nebensächlich und funktioniert problemlos.
Und noch etwas ist in diesem Kontext unwichtig: die Aliens selbst. Der Film reduziert sie visuell nur auf schattenhafte Silhouetten, ein Bein, ein paar Finger, eine Klaue. Hochfunktionell und effektiv. Und als keiner mehr damit rechnet, holt der Film bildlich die Keule raus und präsentiert uns dann doch noch ein paar Komplettansichten, doch auch da hält sich der Meister zurück. Zwar gibt es nun endlich alles zu sehen, doch auch das geschieht im Gegenlicht eines strahlenden Vormittags, als Spiegelung, Aktion im Hintergrund, Blick durch ein Fenster. Hier sind keine endgültigen Details nötig, denn sämtliche Fäden lösen sich von selbst auf.
Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann sind es minimale Mängel. Oftmals zerstört ein ruppiger Schnitt eine atmosphärische Sequenz, die man gern noch länger begutachtet hätte und der zwischen Bernard Herrmann und Hollywood-Standard schwankende Soundtrack setzt bisweilen in den unpassensten Szenen ein, wie in etwa bei den Babyfonszenen, in denen man die Alienstimmen auffängt. Anstatt in stillem Grauen zu lauschen, dröhnt die Musik in die Szene und zerstört die Spannung. Auch bemüht der Film den Zufall ein wenig zu sehr, wenn er seine Bilder schließlich resümiert und präsentiert uns dann ein kleines Wunder, daß gleichzeitig ein simpler Zufall sein kann, gerade nach der Fasson, die der Film in so mancher Szene diskutiert hat. Der Witz, der dahinter steckt (das Mittel gegen die Aliens wird per geradezu lachhafter Annahme mitten im Film angesprochen steckt) ist jedoch so subtil, daß er beim Publikum weitestgehend auf Unverständnis stoßen dürfte.
Immerhin werden wir von allzu christlicher Symbolik verschont (das hatte ich von einem Inder auch eigentlich erwartet), so daß der Glaube hier nie derjenige an einen bestimmten Gott ist, sondern allein als innere Kraft der Hoffnung selbst diskutiert wird, eine Basis, die angenehm auffällt, wo eine Christenbreitseite leichtgefallen wäre, sei sie auch noch so unpassend.
Was bleibt ist ein unheimlich dichter, kribbliger Film, der jedoch auf ruhige Bilder setzt, wo andere das Gebot der Action befolgen würden, weil es schon Standard ist. Den Clou am Ende jedenfalls behält Shyamalan auch im dritten Durchlauf bei, das gewisse Aha-Erlebnis, diesmal kein überraschender Dreh, sondern eine überraschende Wendung in der Bedeutung gewisser Dinge, die zusammengenommen die Augen aufgehen lassen.
Und erzählt mir diesmal bitte niemand, er hätte es schon vorher gewußt.
An die Enttäuschten: ihr hattet anderes erwartet? Seid froh! (8/10)