Jeder will mal so einen richtigen Kultkracher inszenieren, mit Ewigkeitsgarantie, wie es sonst nur Rodriguez oder Tarantino hinkriegen. Tommy Wirkola, Regisseur des durchaus unterhaltsamen Nazi-Zombie-Gruslers „Dead Snow“, geht das ganz genauso.
Und als ihm dann im Kämmerlein eine gute Idee kam, nämlich „Hänsel und Gretel sind erwachsen geworden und jagen jetzt professionell Hexen!“ – da hatte er einen Pitch in der Hand, der sich in Hollywood vermutlich allein wegen dieser Zeile schon verkauft hatte.
Allein, eine gute Prämisse macht noch kein Drehbuch – und das erarbeitete sich der tapfere Finne dann auch in Eigenregie. Und dann bekam er Geld aus den Staaten und aus Deutschland und die Produktion war gesichert.
Es fanden sich sogar namhafte Darsteller in Gestalt von Jeremy Renner und Gemma Arterton – beide zu dieser Zeit gerade auf dem ansteigenden Ast. Und mit Famke Janssen hatte man sogar eine passable böse Gegnerin gefunden.
Warum ist dieser Film dann am Ende auf Dauer so verdammt eintönig?
Ach, liebe Kinder, das kann ich euch erklären!
Denn alles was auf den ersten Blick so perfekt klingt, sieht nach hinten raus ganz anders aus.
Zunächst mal sind Regisseure nicht eben immer ihre besten Autoren. Klar, die Story scheint sich von selbst zu erzählen, aber irgendwie braucht man dann doch ein bißchen Plot. Also ran an das anfängliche Kindertrauma, das unsere Helden noch im erwachsenen Zustand verfolgt. Hänsel ist bei dem ganzen Zuckerzeugs Diabetiker geworden (hier mal ein funktionierender Gag!) und sonst ein wortkarger Umleger, der es mit dem Denken nicht so genau nimmt; Gretel ist die kühle Planerin in den knackigen Lederklamotten und wie ihr Bruder immun gegen Hexenzaubersprüche und Flüche.
Wer jetzt denkt, daß das die Sache eigentlich zu einfach macht, liegt richtig. Die beiden sind so cool und überlegen, daß Zweifel oder die Diabetes irgendwie nur wie kleine billige Einschübe wirken, damit hier nicht zwei perfekte Rambos auf Tour im Wald gehen.
Da wird gefetzt und gemeuchelt, zerschrotet und zerteilt und immer wenn man denkt, daß der Tötungseffekt nicht mehr grotesker werden kann, holen die beiden die nächste anachronistische Fantasywaffe aus der Tasche.
Nur hat Wirkola bei all seinem Spaß eins vergessen: es gibt so etwas wie eine Spannungskurve und die basiert auf dem Gesetz der Steigerung, zumeist langsam, manchmal auch schnell.
Wirkolas Film hat diese Steigung leider nicht, stattdessen eine Flatline. Die ist immerhin nicht wegen mangelnder Action so platt, sondern eher wegen permanenten, sich immer auf dem gleichen Level befindlichen Krawumm.
Hauptsache, es ist was los. Man kloppt sich, man jagt sich, man splattert sich voll, es wird gehackt und pulverisiert und wenn das Rating noch mehr Gore verbietet, kann man immer noch reichlich künstliche Gehölz zum Explodieren und Splittern bringen, das dann auf den Zuschauer zufliegt.
Wer es simpel in Verständnis und Darreichungsform mag, dem wird das genügen – eine atmosphärische Zuspitzung wird damit nicht erreicht. Und so macht sich bereits nach 40 der knapp 80 Minuten langsam dieses leise Gefühl der Ermüdung breit, daß dauerhafte Action noch keinen guten Film macht.
Viel gibt der Plot jedoch nicht her, denn die Figuren skizzenhaft zu nennen, wäre schon fast ein Kompliment.
Renner arbeitet sich meistens an einer Rolle ab, die starke Ähnlichkeit mit den Charakteren Stallones hat und würzt diese mit Grunzen und Brummen. Gretel derweil erklärt uns den Plot (als ob wir uns die Zauberimmunität der Geschwister nicht sowieso schon erklären könnten, weil wir ein Gehirn besitzen und es auch benutzen können) und steigt zwischendurch mal aus der Handlung aus und freundet sich mit einem Oger an. Der hat zwar in der Handlung nichts zu suchen, aber schön, daß er da ist, niedliche Sidekicks sind ja immer gern gesehen (da rennt noch eine Art junger Praktikant rum, der noch weniger hergibt).
Dazu gibt es noch etwas Mumpitz um weiße und schwarze Hexen und ein Opferritual und am Ende das zu erwartende Massaker im großen (also gleichbleibenden) Stil. Alles natürlich incl Lösung aller Kindertraumata.
So ist man denn froh, wenn endlich alles vorbei ist, denn der Zerstörungsrausch ist schon längst einem monotonen Dauerkrachen gewichen.
Da die Figuren also nicht sonderlich interessant sind, fällt der dünne Standardplot natürlich noch unangenehmer auf. Und daß es dem Film an Witz mangelt. Es wird zwar eine Menge Actionaufwand betrieben, letztendlich verschwindet das Meiste jedoch in hektischem Kameragewirbel. Und ja, wer einmal den Trailer gesehen hat, kennt wirklich die besten Szenen, die noch etwas Humor transportieren. Nicht nur die besten – es sind wirklich alle.
Da hilft es wenig, daß auch Renner es schafft, weniger Gesichtsausdrücke zu zeigen, als der mäßig am PC erschaffene Oger. Auch die knackigen Kultklamotten aus Mittelalter-Leder-Kostümschmiede, die Frau Arterton trägt, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie zwar ganz niedlich ist, aber (wie schon in „Prince of Persia“ überdeutlich zu sehen), keinerlei nennenswerte Ausstrahlung besitzt.
Famke Janssen war immerhin so ehrlich, zuzugeben, daß sie es nur wegen des Gagenschecks gemacht hat. Sie chargiert munter drauf los und läßt sich eine Karnevalsmaske verpassen, so daß man sie nicht wiedererkennt. Ach ja, und weil er in so vielen von diesen Genrefilmen mitspielt, ist auch Peter Storemare hier kurz dabei, der als bekloppter Sheriff den Plot gerade so lange aufhalten darf, damit Wirkola auf Spielfilmlänge kommt.
Der produktionstechnische Aufwand ist immerhin schön anzusehen, selbst die 3D-Konvertierung bringt ein bißchen was, bei all den Dingen, die filmwärts über oder in die Leinwand zu fliegen scheinen. Daß der Film aber vor seinem ursprünglichen Starttermin aus der Planung genommen und fast ein Jahr verschoben wurde (meist ein schlechtes Zeichen) sieht man ihm an – er ist inhaltlich einfach leer und dürftig und versucht diese Löcher mit Aktionismus zu stopfen, aber auch die repetitiv und schließlich langweilig.
Da hilft auch kein Directors Cut mit noch härteren Szenen, Wirkola hat sich schlicht überschätzt, wobei nicht ganz klar ist, was hier schwächer ausgeprägt ist, seine Fähigkeiten als Autor oder als Regisseur – für die Zukunft empfehle ich aber einen einfallsreichen Drehbuchschreiber und es sich schnell abzugewöhnen, alles so betont cool machen zu wollen, als hätte man einen Unfallwagen notgedrungen auf Roadster getunt.
Gewollt und nicht gekonnt! (4/10)