Der reale Horror
Wir glauben alle ahnen zu können, wie schrecklich es ist seine wichtigsten Personen verfallen & letztendlich langsam sterben zu sehen... sei es durch Alzheimer oder andere schleichende Krankheiten. Aber im Endeffekt wissen wir ganz tief in uns, dass wir keine Ahnung haben, bis wir so etwas wirklich durchleben. Gibt es etwas Schlimmeres? Ich glaube nicht. Meine Freundin konnte ihn sogar nicht zu Ende gucken auf Grund eigener Erfahrungen. Kino kann kaum glaubhafter, tiefer & schockierender sein. Selten ging ein Film so in die Vollen, ohne Rücksicht auf Verluste. Schlimmer als jeder Horrorfilm, sehr realistisch, ruhig erzählt & intim, ein wahrer Horrorfilm.
Es geht um ein recht gebildetes & wohlhabendes Ehepaar in ihren 80ern. Die zwei haben ein erfülltes, erfolgreiches Leben voller Kultur & Musik hinter sich & genießen ihren Lebensabend. Bis eines Tages die Frau einen Anfall bekommt, auf einer Seite gelähmt bleibt & langsam körperlich & geistig verfällt. Der verzweifelte Mann tut alles für seine große Liebe, von eigener Pflege, bis Personal, wird aber im Endeffekt zu einer grausamen Entscheidung gezwungen, über die es nachzudenken & zu diskutieren gilt. Ein kontroverses Thema, zu dem sich jeder seine eigene Meinung bilden sollte.
Während Haneke sich optisch & künstlerisch im Vergleich zu vielen seinen anderen Werken unterkühlt zurück hält, war bisher keiner seine Filme emotionaler & tiefschürfender, wachrüttelnder & zu Tränen rührender als Amour. Wenn man durch ein Krankenhaus läuft & viele schreckliche Schicksale sieht, ist das schlimm, aber dann doch nicht persönlich. Sieht man aber wichtige Menschen aus seinem eigenen Leben dahinscheiden, hinterlässt das tiefe Spuren & verändert uns. Und ich finde, solch ein Erlebnis schildert Liebe wie kaum ein Film zuvor. Wenn man sich konzentriert & in diesem Alptraum verliert, wird er einem das Herz brechen. Wenn man ihn oberflächlich oder schändlicherweise sogar nur nebenbei betrachtet, kann er langweilen.
Die zwei älteren Hauptdarsteller spielen grandios, realistisch & sind eine Offenbarung - perfekte Besetzung. Der Ton des Films ist im Gegensatz zum Thema intim, kalt & oft abstoßend grausam - kein schöner Film, auf mehreren Ebenen. Aber sicher ein unglaublich wichtiger & ein wahres Statement des Regisseurs zur Würde eines Menschens, zu starker Liebe & natürlich Sterbehilfe. Auch wenn z.B. das weiße Band mysteriöser & ungleicher hübscher war, halte ich Liebe für Hanekes wichtigeres Meisterwerk. Ein Film, der so einen Eindruck hinterlässt, dass sich viele sicher sind, ihn nie wieder zu gucken. Nicht weil er schlecht oder zu langweilig ist, sondern weil er so schmerzt. Verständlich, denn von einem ähnlichen Schicksal, kann sich wohl keiner sicher freisprechen, was wohl jedem Schweißperlen auf die Stirn zaubert & zu einer Auseinandersetzung mit dem Stoff geradezu zwingt!
Fazit: ein Film über ein zerfallendes Leben, aber nicht über eine zerfallende Liebe. Das ist höchst emotional & fast körperlich schmerzhaft. Schwere Kost, in der Tat!