French-US-Connection - Jean Louis Trintignant bleibt trotz kalifornischer Sonne blass
"Brutale Schatten" von Jacques Deray ist ein typischer Delon-Film ohne Delon. Stattdessen gibt hier Jean-Louis Trintignant den einsamen Killer Lucien, der sich unerwartet der Verfolgung durch die Polizei und durch einen Gegenspieler aus seinem eigenen Berufsfeld (Roy Scheider) ausgesetzt sieht. Dieser simple Plot wird von Deray aber ziemlich entspannt, um nicht zu sagen schleppend, inszeniert und krankt etwas an seiner Ausgangssituation, den französischen Killer in die USA zu verpflanzen. Die typisch kühle Machart des Franzosen kollidiert permanent mit dem Setting, denn das etwas plüschige L.A. der frühen Siebziger konterkariert die zu erwartete Eleganz französischer Thriller. Aus diesem Gegensatz hätte man natürlich auch etwas machen können, aber irgendwie will dies Deray nicht so recht gelingen.
Ganz witzig ist der europäische Blick auf amerikanische Eigenarten, besonders die Szene im Bestattungsinstitut sorgt für ein Lächeln. Immerhin stammt der Film aus einer Zeit, in der man sich auf dem alten Kontinent auf Augenhöhe mit amerikanischen Produktionen wähnte. Insofern wirken diese kleinen, eingestreuten Kommentare wie der Ausdruck eines durchaus vorhandenen Selbstbewusstseins und man biedert sich nicht an das US-Kino an. Die wilde Grobheit eines „French Connection" oder die auf Präzision ausgelegte Machart eines „Der Pate" fand man im französischen Kriminaldrama der frühen Siebziger nicht und auch hier versucht Deray gar nicht erst, Eigenarten zeitgenössischen Hollywood-Kinos zu übernehmen. So hätte der Film womöglich genauso oder sogar besser funktioniert, wenn man die Achse Paris-Marseille statt des transatlantischen Spagats verwendet hätte, wenngleich der Aspekt der Fremdheit für die Hauptfigur dann nicht so ausgeprägt gewesen wäre.
Diese ist aber nicht tragend genug, um die Verlegung in die USA zu rechtfertigen. Als bekannte Gesichter begegnen uns neben Roy Scheider so allerdings Ann-Margret, Angie Dickinson, Talia Shire (dann doch etwas „Der Pate") und ganz kurz John Hillerman (Higgins aus „Magnum"). Aber auch darin findet sich kein wirklicher Mehrwert und die französisch-US-amerikanische Co-Produktion dümpelt zusammen mit seiner Hauptfigur etwas verloren vor sich hin. Der Erzählung mangelt es zu sehr an Zuspitzung und an Spannungsmomenten und ausgerechnet ein beiläufig auftauchender Ermittler wittert irgendwann das falsche Spiel und setzt die Antagonisten unter Druck, wodurch sogleich die Spannung aufploppt, die man bis dahin vermisst hat.
Das Katz- und Mausspiel zwischen den beiden Killern wird auch nicht unbedingt schmissig dargeboten und hätte angesichts der beiden Darsteller doch mehr liefern können. Die wenigen Actionszenen fallen eher bescheiden aus und beide Figuren bleiben bedauerlich blass. Friedkin hatte ein Jahr zuvor die Verfolgung zum Ereignis gemacht, bei Deray plätschert diese Episode in engen Kreisen vor sich hin. So verwundert es auch nicht, dass dieser Konflikt auch nur eine Episode bleibt, die unerwartet früh und beiläufig endet. Hätten Roy Scheider und Alain Delon sich gegenübergestanden, wäre das ohnehin interessanter gewesen.
FAZIT
Derays Film bietet eine eigentlich interessante Prämisse, doch wird diese nicht wirklich zielführend ausgearbeitet. Die größten Mankos sind allerdings die zu dünne Figurenzeichnung und eine etwas zu zahnlose Machart, die „Brutale Schatten" zwar nicht zu einer Zeitverschwendung machen, aber bei Sichtung des Films zur Überlegung führen, was hätte sein können.
Also: Hätte man der Aufdeckung des Komplotts mehr Raum gegeben, den Figuren mehr Tiefe und dem Konflikt zwischen beiden Killern mehr Spannung und Action verpasst, wäre dies ein guter Film geworden. Hätte dann noch Delon die Hauptrolle übernommen wahrscheinlich sogar ein richtig guter. Hätte, sollte, könnte...
So bleibt ein durchschnittlicher Krimi, der Freunde des europäischen Kinos wegen seiner Ausgangslage und (zu) coolen Machart durchaus unterhalten kann. Ich hatte mir allerdings deutlich mehr erhofft.