„Necronomicon – Geträumte Sünden“, auch als „Succubus“ bekannt, zählt zu den Frühwerken des umtriebigen spanischen Vielfilmers Jess Franco („Paroxismus“). Der auf das Jahr 1967 datierende Film ist eine sehr spezielle Mischung aus Erotik und Horror im artifiziellen Kunstfilmgewand, wird lose zur sog. Aquila-Trilogie gezählt und wurde vom Deutschen Adrian Hoven („Hexen bis aufs Blut gequält“) unter seinem Pseudonym Percy G. Parker produziert. Er gilt als der erste Film Francos, der komplett außerhalb dessen spanischer Heimat gedreht wurde.
Lorna Green (Janine Reynaud, „Der Schwanz des Skorpions“) tritt in sadomasochistischen Bühnendarbietungen auf, in deren Rahmen sogar ein Mord inszeniert wird. Parallel ist sie in psychiatrischer Behandlung, leidet unter Wahnvorstellungen und Realitätsverlust. Ihr Freund und Manager William Mulligan (Jack Taylor, „Die Jungfrau und die Peitsche“) lockt sie von Lissabon nach Berlin. Dieser setzt sie unter Drogen und animiert sie zu realen Morden. Als er sie schließlich umbringen lassen will, macht der Auftragskiller ihm einen Strich durch die Rechnung: Er verehrt Lorna als „die Gräfin“ und macht gemeinsame Sache mit ihr…
Viele werden Jess Franco lediglich als kruden Trash-Filmer kennen, doch ein Film wieder dieser ist ein schönes Beispiel für die künstlerische Ambition, die er insbesondere in den 1960ern an den Tag legte. „Necronomicon – Geträumte Sünden“ lässt Realität und Traum, Phantasie und Wahnsinn, Lust und Tod ineinander verschwimmen. Seine Bilder wirken wie Gemälde, gemalt statt gefilmt. Die Kamera übt sich in sehr individuellen Perspektiven und kreativer konzipierter, origineller Bildkomposition zur Manipulation des Zuschauers. Die mit für das Entstehungsjahr provokanten SM-erotischen Szenen angereicherte Geschichte ist schwer zu durchschauen, wirkt durch und durch künstlich und unnahbar, macht es dem Zuschauer nicht leicht, verwirrt ihn gar vorsätzlich. Auf klassische Erzählmuster legte Franco hier keinerlei Wert und verlässt sich auf die Durchästhetisierung der einzelnen Sequenzen. Die arg gestelzten Dialoge bemühen sich um Poesie und strotzen wie der ganze Film nur so vor Verweisen auf Kunst und Kultur. Unterlegt wird der Film von bisweilen hochgelobtem, für mein empfindliches Gehör jedoch tendenziell nervendem Jazz-Gedudel. Für die Kostüme zeichnet übrigens der junge Karl Lagerfeld verantwortlich.
Janine Reynaud füllt ihre Rolle mit Leben, während vieles um sie herum außerhalb der Erotik- und Mordszenen stocksteif wirkt. Als Lornas Psychiater tritt Adrian Hoven höchstpersönlich vor die Kamera, Franco-Stammmime Howard Vernon ist ebenfalls mit von der Partie. Apropos, die Darstellung einer wilden LSD-Party mit entsprechendem Rausch ist nicht von schlechten Eltern und eine eindeutige Reminiszenz an die Hippie-Zeit. Die nur angedeutete Geschichte um Lornas zweifelhafte Identität irgendwo zwischen ihrer Selbst, einer Inkarnation der Gräfin Faustine und einem Succubus spielt damit, den Zuschauer im Unklaren zu lassen, was auf welcher Bewusstseinsebene geschieht, was tatsächliche Realität ist und was nicht, was evtl. nur aus Lornas Perspektive aussieht, wie man es als Zuschauer zu sehen bekommt. Leider gelingt es nicht, daraus ein verwertbares, spannendes Psychogramm zu skizzieren, auch entwickelt sich keine Empathie für auch nur irgendeine Figur. So bleibt es letztlich bei einem Nischenfilm für interpretier- und rätselfreudige Freunde des extrem Unkonventionellen, der sich klassischer orientiertem Publikum sicherlich nicht erschließt und im Extremfall bzw. unter Anbetracht der im Jahre 2014 nicht mehr gegebenen erotisch-provokanten Wirkung gar langweilen könnte. Nichtsdestotrotz gelang Franco ein nicht uninteressanter unmittelbarer Vorläufer der sexuellen Revolution auf der Leinwand.