Mit seinem Regiedebüt schafft es Mario Van Peebles („Posse“, „Panther“) nicht nur dem totgesagten Black Cinema einen wichtigen Impuls zu versetzen, sondern gleichzeitig noch in die Fußstapfen seines Vaters Melvin zu treten, der nicht unwesentlich mit Filmen wie „Watermelon Man“ oder „Sweet Sweetback's Baad Asssss Song“ frühzeitig das Black Cinema mit begründete.
Jenes durch „New Jack City“ und auch Spike Lees „Malcolm X“ bildende und nur kurz existierende New Black Cinema traf Anfang der Neunziger genau den Nerv der schwarzen Bevölkerung, verlor sich aber genauso schnell wieder wie es kam, als Hollywood das finanzielle Potential erkannte.
Dennoch gilt „New Jack City“ bei all seiner provozierenden Polarisierung des kritischen Zustands der U.S. – Metropolen Mitte bis Ende der Achtziger als ein ambitioniertes Independent-Werk, das seinerzeit breiten Anklang fand und sich diesen auch weitestgehend verdiente.
Van Peebles ist natürlich auch an Unterhaltung gelegen, in erster Linie möchte er aber kritisieren, anklagen und offen legen. Deshalb holt er sich zunächst auch Bestätigung ein und nimmt das Publikum für sich ein. Der auf einen Überflug der New Yorker Skyline folgende Blick nach Harlem, das gesellschaftlich geächtete, sozialschwache Ballungszentrum der schwarzen Bevölkerung, das dort tagtäglich in maroden Bauten und Müllkippen gleichenden Hinterhöfen um die eigene Existenz kämpft, ist natürlich Berechnung, zeigt jedoch gleichzeitig in einer rauen, ehrlichen Optik die harte Realität für diese Menschen, die weder Zukunft noch Perspektive haben, um sich überhaupt eine Möglichkeit zu verschaffen und aus diesem Dilemma auszubrechen.
Die Situation verschärft sich nur noch als die Mitte der Achtziger auftauchende Modedroge Crack hoffnungslose, seelisch ausgehöhlte Menschen in die Falle der Abhängigkeit treibt. Der kleine Dealer Nino Brown (Wesley Snipes, „Demolition Man“, „Blade“) erkennt das Geschäftspotential dieser Droge und baut sich innerhalb kürzester Zeit sein eigenes Imperium auf, indem er rücksichtslos den Markt übernimmt ohne eventuelle Kompromisse einzugehen. Er nimmt sich was er will, baut einen ganzen Häuserkomplex zu seiner Hightech-Festung, in der gedealt und hergestellt wird, aus, während die Opfer dort vor sich hin vegetieren und er die Polizei in den entsprechenden Positionen schmiert, um so unangreifbar und gefürchtet zu werden.
Die Tatenlosigkeit der korrupten oder schlicht die Augen verschließenden Justiz ist Van Peebles hier sehr wichtig. Da es auf offiziellem Weg unmöglich scheint dem schier unangreifbaren Nino, der sich längst nicht mehr selbst die Hände schmutzig macht, sondern sich vertreten lässt, etwas zu beweisen, sucht Stone (Van Peebles selbst) ohne Rückendeckung von oben zu erhalten von Hand zwei harte, unnachgiebige und wenig kooperationsfreudige Cops aus, denen er vertrauen kann, die die Straße kennen und sich auch nicht kaufen lassen: Scotty Appleton (Ice-T, „Surviving the Game“, „Air Rage“) und Nick Peretti (Judd Nelson, „From the Hip“, „ Falcon Down“). Der eine ist ein Schwarzer dem es weh tut mit anzusehen wie „seine Brüder“ vor die Hunde gehen, der andere kommt aus der Gosse und hat es hinter sich.
Van Peebles mag in der Wahl seiner Mittel drastisch zu Werke gehen, fährt damit allerdings den gewünschten Effekt ein und sorgt für baffes Staunen oder bestätigendes Nicken beim Publikum, das sich in zugemüllten Seitengassen mit zombiegleichen Drogenfreaks auseinander setzt und gleichzeitig Nino dabei zuschaut, wie er sich als Wohltäter aufspielt. Seine Dekadenz, sein Leben in Saus und Braus, steht dabei im harten Kontrast mit dem Leben der Verlorenen auf der Straße.
Die Intensität des Films wird von den hervorragenden Darstellern mitgetragen. Allen voran Wesley Snipes, der als selbstherrlicher, sich für unbesiegbar haltender Nino kontinuierlich dem Größenwahn verfällt und die Bodenhaftung verliert, mit der, rein schauspielerisch gesehen, wohl besten Leistung seiner Karriere, die ihm dann auch den Durchbruch bescherte, während auf der anderen Seite vor allem Ice-T als verbitterter, emotioneller Cop überzeugt. In den weiteren Nebenrollen geben sich noch einige weitere bekannte Namen aus der Rap-Szene die Ehre, weswegen das auch die passende, dominante Musikbegleitung darstellt. Unter anderem ist hier auch Chris Rock („Lethal Weapon 4“, „The Longest Yard“) als Wrack Pookie in seiner ersten größeren Filmrolle zu sehen.
Das Scheitern der legalen Methoden und die infolge von Ninos unnachgiebiger Geschäftsstrategie absehbaren Konflikte mit weiteren Verbrecherorganisationen, wie beispielsweise der Mafia, beschwören im letzten Drittel dann Konflikte herauf, die Van Peebles auf die blutigen Schauwerte reduziert, auch wenn er, das muss man zugeben, dies sehr ordentlich hinbekommt und ein paar astreine Actionszenen serviert.
Mit zunehmender Spieldauer gerät die Intention des Films leider aus dem Fokus, wenn Scotty und Nick einen Spitzel bei Nino einschleusen, der allerdings auffliegt und ihr Fall zu den Akten gelegt wird, die beiden sich damit aber nicht geschlagen geben, auf eigene Faust weitermachen und sich in Ninos Organisation einschleichen, um die nötigen Beweise selbst zu sammeln. Ninos selbstzerstörerisches Treiben steht hier im Vordergrund. Respektlos gegenüber seinen loyalen Mitarbeitern und seinem Bruder zeigt er sich und glaubt sich längst unbesiegbar und am Ziel seiner Träume. Die Vernichtung seines Stützpunkts scheint da nur ein temporäres Ärgernis für ihn. Scotty und Nick hingegen sind nicht gewillt ihn so davon kommen zu lassen, nehmen ihn schließlich hoch und zerren ihn vor Gericht. Doch anstatt ihn festzunageln, lässt sich die Staatsanwaltschaft auf deinen Deal ein...
Neben wirklich intensiven Momenten, wie dem Entzug von Pookie, muss sich „New Jack City“ zwar mit ein paar Klischees herumschlagen, um die nur leider kein Weg vorbei führt, wenn man denn bei der unverfälschten Wahrheit bleiben will. Speziell das Gehabe einiger Figuren kann auf die Dauer zu nerven anfangen, spiegelt in den meisten Fällen aber nur die Realität wieder.
Obwohl als Milieustudie brauchbar und im Umgang mit dem Thema an sich ehrlich, reicht es für „New Jack City“ dann letztlich aber nie zu einem wichtigen Film, der über die bloße Darstellung der Missstände hinausgeht und tiefer bohrt, sich mit der dahinter steckenden Politik und Wirtschaft beschäftigt. Der zur persönlichen Sache ausgerufene Privatkrieg der beiden Cops, die zielstrebig ihr Ansinnen verfolgen und dafür auch Verluste in Kauf nehmen, bildet dann sorglos konsumierbare Szeneunterhaltung, kann dann aber nicht mehr das halten, was der Film im ersten Drittel noch verspricht: Transparenz zu schaffen, wovon sich nur zu gern abgewendet wird.
Fazit:
Gut gespielter, atmosphärischer Drogenkrimi, der mit meist eindringlichen Bildern anklagt und anfangs auch seine Versprechungen wahr macht, später dann jedoch nur noch nebensächlich die eigentlichen Probleme behandelt und es sich zu einfach macht, indem er lieber zwei Cops folgt, die auf eigene Faust, unabhängig und nicht mehr vom Gesetz gedeckt, dem kriminellen Abschaum ein Ende bereiten will. Die Anklagepunkte werden deutlich, wenn auch nicht bis zum Ursprung verfolgt, die realistische Blick ist ein schwer zu schluckender Brocken und die Darsteller mit Herz bei der Sache, so dass man „New Jack City“ nur aufgrund seines letztlich inkonsequenten Drehbuch seine Klasse streitig machen kann. Aufrütteln und Denkansätze bieten kann er dank seiner sehr realen Darstellung allerdings immer noch. Das sollte einmal genügen.