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In einer kleinen, dänischen Gemeinde werden Behauptungen gegen einen Kindergärtner (Mads Mikkelsen) laut, er habe sich einem Kind sexuell genähert. Der Beschuldigte streitet alles ab, verliert aber schnell Job, Freunde, alles, was er hat, da ihm keiner Glauben schenkt. Alle wenden sich von ihm ab. Die Polizei wird eingeschaltet. Doch ist der Angeklagte schuldig?

Vom Regisseur von DAS FEST erreicht uns ein weiterer, ganz fieser Schlag in die Magengrube. Ein Film, der unser Empfinden von Moral anstichelt und es wie eine Seifenblase auf einer Messerspitze tanzen lässt. Sexuelle Übergriffe auf Kinder sind schlimm und falsch. Wo früher weggeschaut wurde, schauen Eltern heutzutage aber ganz genau hin, ganz besonders bei diesem pikanten Thema. DIE JAGD schildert die feinen Kleinstadt-Mechanismen, wie man ganz schnell vom besten Freund zum Staatsfeind und Hassobjekt wird. Der Beschuldigte beteuert seine Unschuld, meistens glaubhaft, dennoch ertappt man sich auch als Zuschauer, beinahe durchgehend die Möglichkeit im Raum stehen zu lassen, dass er es doch getan hat.
Absolut herausragend die Darbietung des dänischen Schauspielers Mads Mikkelsen (CASINO ROYALE, ADAMS ÄPFEL, HANNIBAL [die Serie]). Mikkelsen liefert ein Feuerwerk an Charisma und eine weite Palette an emotionaler Vielschichtigkeit. Seine Rolle des in die Ecke gedrängten Kindergärtners Lucas ist wahrlich bemitleidenswert. Obwohl er eine angesehene Person in dem kleinen Provinznest ist, steht er ganz schnell ganz alleine da. Er wird gemieden von Freunden und Bekannten. Geschäfte verweigern sich ihn zu bedienen. Es kommt zu körperlichen Übergriffen und, dass mal ein Stein durchs Fenster segelt, kommt auch vor.

Der Film regt permanent zum Überlegen an, wie man wohl selbst in einer entsprechenden Situation mit jemandem, dem derartige Anschuldigungen anhaften, umgehen würde. Ferner deutet er an, mit bestimmten Behauptungen etwas kritischer zu sein, wenn gewisse Sachverhältnisse noch nicht geklärt sind, da man allein durch die Äußerung von Anschuldigungen bereits Existenzen ins Wanken bringen kann und ein Image erschafft, dass der Beschuldigte ggf. nie wieder los wird.
DIE JAGD stellt berechtigte Elternängste auf die eine und die Hilflosigkeit des Beschuldigten seine Glaubhaftigkeit zu untermauern auf die andere Seite. Als Zuschauer weiß man sich oft nicht zu entscheiden, insbesondere, wenn man daran denkt, wie man sich fühlen würde, wenn dem eigenen Kind etwas Derartiges widerfahren würde. Da erhalten Selbstjustiz und Vorgehen mit radikalsten Mitteln plötzlich wieder ihre Berechtigung. Wird tatsächlich das eigene Kind zum Opfer eines Sexualdelikts oder besteht auch nur die Möglichkeit, dass so etwas passieren könnte, würde man wahrscheinlich auch nicht als erstes daran denken, dass Pädophilie ja eine Krankheit ist, und an psychologische Gutachten und Pipapo, sondern wahrscheinlich bereits beim geringsten Verdacht eher dazu tendieren einen Schuldigen zu suchen und diesen bestrafen zu wollen.
Ganz stark ist DIE JAGD in den Momenten, in denen er eben solche Mechanismen nicht erklärt und aufzeigt, wie die Eltern der Kindergartenkinder zusammensitzen und beratschlagen oder wie hinter dem Rücken getuschelt, gespottet und gelästert wird, sondern dann, wen der beschuldigte Kindergärtner vor vollendete Tatsachen gestellt, ihm der Supermarktbesuch verwehrt oder ohne Vorankündigung eines in die Fresse geschlagen wird. In diesen Momenten stellt man seine Voreingenommenheit auf den Prüfstand und bekommt überdeutlich vorgehalten, was mit einer Person passiert, selbst wenn wirklich alle Anschuldigungen falsch sind. Bestes Beispiel aus dem realen Leben wohl der kürzlich aus dem Maßregelvollzug entlassene Gustl Mollath, dem das Image des Psychos, der seine Frau geschlagen und gewürgt haben soll, wohl noch etwas länger anhaften dürfte.

Fazit:
Über unterschwellige Ängste und Hilflosigkeit im Umgang mit einem pikanten Thema – wahnsinnig hart!

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