Wenn man wie ich, einige Jahre damit verbracht hat, seinem Fußballverein hinterherzureisen, wird man, je nach Statur, schon die ein oder andere wirklich negative Erfahrung mit der Polizei gemacht haben. Durchforstet man heutzutage Fußball-Foren, unterscheiden sich bei Ausschreitungen Augenzeugen-Berichte ganz gravierend von der Polizei-Fassung, die es als "offizielle" Version in die Medien schafft. Natürlich sind nicht alle Fußball-Fans unschuldig, aber ich selber durfte schon Pfefferspray abbekommen, weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort stand, viel Willkür über mich ergehen lassen oder auch gesehen habe, wie in Menschenmengen reingeknüppelt worden ist, in denen Frauen und auch kleine Kinder standen - und das ohne Vorwarnung.
Somit kann ich nicht gerade behaupten, dass ich ohne Vorurteile an diesen Film rangegangen bin und sehr überrascht war, wie realistisch "All Cops are Bastards" in manchen Situationen war, obwohl auch hier viele "Fans" als vermummte Idioten gezeigt worden sind und das Bild des heutigen Randale-Fan bestätigt. Auf der anderen Seite scheut Regisseur Stefano Sollima auch nicht davor zurück, Polizisten als charakterliche Arschlöcher darstehen zu lassen, die eh alles vertuschen können.
Doch bei "A.C.A.B." geht es um viel mehr als nur um Polizei vs. Fußball-Fans. Um viel mehr.
So spielt der Film in Italien rund um die Polizisten vom Bereitschaftsdienst Cobra (Pierfrancesco Favino), Negro (Filippo Nigro) und Mazinga (Marco Giallini), die schon Jahre zusammenarbeiten und sich "Brüder" nennen, wobei der eine für den anderen Fehler in Polizeiberichten vertuscht, um nicht vom Dienst suspendiert zu werden. Sie werden zu Fußball-Einsätzen, Streiks oder Demonstrationen geschickt, die nicht selten im Chaos ausarten. Als der Sohn von Gruppenführer Mazinga in die rechte Szene abrutscht, droht die Gewaltspirale zu eskalieren...
Als ich diesen Film in den Player legte, rechnete ich eigentlich mit einem sinnlosen, inhaltsleeren Actionkrawall, der, wenn ich Glück hätte, mich einigermaßen unterhalten könnte. Nach dem Abspann war ich fasziniert, stand applaudierend vor dem Fernseher und muss Regisseur Stefano Sollima Respekt zollen, da ihm ein wahres Meisterwerk gelungen ist, das den perfekten Spagat zwischen Opfer und Täter gefunden hat und aufweist, dass Gewalt nur zur Gegengewalt führt und den Menschen innerlich auffrisst, bzw. für weitere Einsätze abhärtet und somit den Polizisten es leichter fällt, ohne Gewissen drauf los zu knüppeln und sich die Frage zu stellen: Ist das richtig, was ich gerade tue?
Somit begleiten wir den jungen Polizisten Adriano (Domenico Diele), der zu dieser Einheit neu dazugestoßen ist und dem Zuschauer als Identifikationsfigur dienen kann. Denn genau wie er mit sich im Inneren hadert, dürfte auch der Zuschauer in fragwürdigen Situationen seine eigene Moral auf die Probe stellen.
Doch auch fern vom Einsatz scheut der Regisseur nicht davor zurück, das Privatleben der Charaktere näher zu durchleuchten, das alles andere als zufrieden aussieht. Was für mich ein harter Brocken war, ist die Innenpolitik Italiens, die hier mehrfach aufgegriffen wird, zu der ich aber kein wirkliches Wissen besitze und daher eher erschrocken bin, was in Italien im Alltagsleben so passiert. Einwandernde Rumänen, Rechtsgesinnte mit Hass im Bauch usw. machen den Film zu einem komplexen Universum.
Grandios sind neben der realistischen, dichten Erzählweise, die durch ihren semi-dokumentarischen Stil Authentizität erlangt, natürlich die Darstellerleistungen. Auch wenn es an dieser Stelle evtl. etwas fehl am Platz ist: Anstatt mit Luftpumpen wie Seagal und Konsorten neue Actionfilme abzudrehen, sollten die Amerikaner dieses Quartett einbürgern und hätten passende Nachfolger.
Mit "A.C.A.B. - All Cops are Bastard" habe ich ein kleines Meisterwerk gesehen, das nicht plump mit schwarz/weiß-Malerei arbeitet und schonungslos aufweist, dass alle Seiten Fehler haben, Fehler machen und doch nur Menschen sind, die unter dem Staatsorgan leiden und eben das beste aus ihrem Leben machen. Fernab vom Mainstream. In Deutschland würde man sich niemals trauen, solch einen ehrlichen Film abzudrehen.
9/10