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„Das ist die beste blöde Idee, die wir haben, Sir – mit Abstand!“

Die dritte Regiearbeit des vornehmlich als Schauspieler bekannten US-Amerikaners Ben Affleck („Jay & Silent Bob schlagen zurück“) ist der 2012 veröffentlichte und mehrfach oscarprämierte Polit-Thriller „Argo“, den Affleck auch zusammen mit George Clooney (Regie und Produzent bei „The Ides of March - Tage des Verrats“) und Grant Heslov (Produzent bei „The Ides of March - Tage des Verrats“, Regie bei „Männer die auf Ziegen starren“) produzierte. Das Drehbuch von Chris Terrio erzählt die Geschichte des „Canadian Caper“ nach, für die Affleck auch gleich die Hauptrolle übernahm:

Nachdem der iranische Premierminister Mohammad Mossadegh sein Land vor der Ausbeutung durch den britischen BP-Vorgänger AIOC bewahren wollte und daher die Ölförder- und Raffinerieanlagen verstaatlichte, taten sich die Briten und die USA zusammen, schürten antikommunistische Paranoia und stürzten schließlich mithilfe des CIA Mossadegh mit einem blutigen Militärputsch, um den Schah (iranischer Monarch) wieder an der Staatsspitze zu installieren, welcher schließlich die Verwestlichung des Irans rasant vorantrieb. Dieser wiederum wurde 1979 von einem breiten Revolutionsbündnis gestürzt und durch den Islamisten Chomeini ersetzt. Der Schah genoss daraufhin Asyl in den USA. Aufgebrachte Demonstranten fordern vor der US-Botschaft in Teheran die Auslieferung des Schahs an den Iran und stürmen schließlich die Botschaft, nehmen die Mitarbeiter als Geiseln. Sechs Botschaftsangehörige können jedoch fliehen und kommen zunächst in der kanadischen Botschaft unter. Doch wie bekommt man diese sechs unerkannt aus dem Land mit seiner gefährlichen Anti-US-amerikanischen Stimmung geschleust? CIA-Offizier Tony Mendez (Ben Affleck) spinnt mithilfe der Hollywood-Größen John Chambers (John Goodman, „The Big Lebowski“) und Lester Siegel (Alan Arkin, „Edward mit den Scherenhänden“) den Plan, mit einer fingierten Filmproduktion in den Iran zu reisen, sich und die Flüchtigen als Kanadier zu tarnen, die angeblich nach exotischen Drehorten für den Science-Fiction-Film „Argo“ suchen – und sie schließlich mithilfe gefälschter Papiere außer Landes zu fliegen...

Das politische Klima zwischen den USA und dem Iran ist aktuell wieder einmal alles andere als entspannt. Wenn nun die als nicht so doof wie die üblichen Action-Verdächtigen geltende Hollywood-Flanke um Clooney und Affleck sich eines Themas wie diesem annimmt, darf man grundsätzlich gespannt sein. So macht „Argo“ zu Beginn auch unmissverständlich die Rolle der USA beim Sturz Mossadeghs deutlich, nennt Ross und Reiter, zeigt die hektische Aktenvernichtung der US-Amerikaner angesichts der aufgepeitschten Menge in Teheran und beurteilt die Menschenrechtssituation unter dem Schah kritisch. So weit, so gut. Doch hat es sich Affleck nun einmal vorgenommen, den lange Zeit unter Verschluss gehaltenen, o.g. „Canadian Caper“ nachzuzeichnen, von dem er 2007 aus dem „Wired Magazine“ erfuhr. Somit beruhen seine Informationen wohlgemerkt zu einem großen Teil auf den Angaben des CIA und sind nach wie vor nur schwer nachprüfbar. Handelt es sich dabei um eine politisch motivierte Legendenbildung, müssen sich Affleck & Co. gefallen lassen, sich für sie instrumentalisieren haben zu lassen. Nach einer durchaus sympathischen Ehrerbietung an Maskenbildner John Chambers, verleitet „Argo“ sein Publikum dazu, mit den US-Amerikanern mitzufiebern, statt mit den aufgebrachten Iranern, die auf Grundlage dessen, was der Film bis jetzt seinen Zuschauern an politischen und historischen Informationen mitgegeben hat, vollkommen zurecht stocksauer sind und die Auslieferung des Monarchen fordern. An dieser Stelle beginnt die US-typische Manipulation des Zuschauers, die chauvinistisch suggeriert, dass das Schicksal jener sechs Botschaftsangehöriger wichtiger sei als das des iranischen Volks.

Die Betonung von Einzelschicksalen, von Unrecht, das US-Bürgern und dafür Gehaltenen angetan wurde, bei fortan nahezu völliger Ausklammerung des Leids der Iraner, im Zusammenspielt mit permanent um Sympathie buhlendem Humor mit seinen abgeklärten Sprüchen und einer derben Schippe an streng nach Mainstream-Formel programmierten Rührseligkeiten, ist unerträglich und tendenziös. Nicht fehlen darf auch hier das Motiv des altbekannten Einzelkämpfers, in diesem Falle Mendez, der seine „Mission“ eigenverantwortlich gegen bestehende Anweisungen durchzieht. Regelrecht rassistisch wird „Argo“, wenn während der Ausreise der Farsi sprechende Spion bzw. Diplomat dem iranischen Wachmann in sein Gegenüber herabwürdigender Babysprache die Handlung des fiktiven Films erklärt.

Affleck sieht als Mendez beinahe aus wie Ahmadinedschad und kommt unter seinem Vollbart mit nur einem Gesichtsausdruck aus. Ist er erst einmal im Iran angekommen, zieht er die Dramaturgie des Films für satte 15 bis 20 Minuten lang nach unten, beendet die Langatmigkeit indes im Rahmen einer spannenden Szene auf dem engen Basar, durch den die vermeintliche Filmcrew geschleust werden muss – verzichtet jedoch unverständlicherweise darauf, zu zeigen, wie die bedrohlich inszenierte Konfliktsituation gelöst wurde. Generell verfügt „Argo“ zwar über relativ authentisch anmutende ’70er-Jahre-Kulissen, wurde aber anscheinend zu keiner Sekunde tatsächlich im Iran gedreht – was bei genauerer Überlegung auch leicht bizarr anmutet angesichts der Inkognito-Filmteam-Thematik. Höhepunkt ist dann das Finale, das die letztlich glücken werdende Ausreise in nervenzerrender Anspannung zelebriert; die anschließende Freude im „Happy End“ sodann wirkt einmal mehr zynisch. Und anstatt es dabei bewenden zu lassen, wird im ausgedehnten Epilog noch einmal überflüssigerweise die volle Kitschoffensive aufgefahren.

Damit ist „Argo“ leider dann doch das befürchtete propagandistische Ami-Produkt geworden, das, zudem qualitativ nur mäßig geschauspielert, bei näherer, kritischer Betrachtung wirkt, es wolle es sich an der Reinwaschung einer der mächtigsten Verbrecherorganisationen der Welt beteiligen, als würde der mehr oder weniger detailliert gezeigte, originelle Einsatz der CIA den unrechtmäßigen Putsch aufwiegen. Angesichts der allgemeinen Qualitäten des US-Propagandafilms jedoch ist der Fingerzeig auf die von den USA mitverursachte Ausgangssituation evtl. anzuerkennen und mit etwas Wohlwollen lässt sich ein Plädoyer für friedliche Konfliktlösungen erkennen, möglicherweise gar bewusst vor dem Hintergrund des aktuell schwelenden Konflikts ausgesprochen. Von neutralem Boden aus betrachtet aber ist „Argo“ für die politisch-historische Bildung in etwa das, was die US-Demokraten für den Weltfrieden sind: Ganz ähnlicher Inhalt im etwas anderen Gewand. Insofern wenig überraschend, letztlich aber doch enttäuschend.

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