Ben Affleck etabliert sich mit „Argo" (2012), einem Mix aus Politthriller und Caper-Movie, in der A-Liga des amerikanischen Spannungskinos. Obwohl sich der historisch verbürgte Kontext seines Szenarios ein ums andere Mal mit den reichlich überdramatisierten Spannungssequenzen beißt, bleibt der Film aufgrund seines straffen Drehbuch, gut aufgelegter Darsteller und einer gelungen Inszenierung stets unterhaltsam spannend und eindrucksvoll.Während einer Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran 1979 können sechs Amerikaner unerkannt in die kanadische Botschaft fliehen. CIA-Agent Tony Mendez (Ben Affleck) ersinnt einen riskanten Plan um die Flüchtigen unversehrt außer Landes zu bringen: Getarnt als Filmcrew auf der Suche nach Drehorten für das fiktive Sci-Fi-Märchen „Argo", sollen sie unerkannt außer Landes gebracht werden. Während die Vorbereitungen mit dem Effektspezialisten John Chambers (John Goodman) und Hollywood-Produzent Lester Siegel (Alan Arkin) auf Hochtouren laufen, kommen die iranischen Revolutionswächter den geflohenen Botschaftsmitarbeitern Schritt für Schritt auf die Spur.
„Argo", die dritte Regiearbeit von Ben Affleck, besteht in mehrfacher Hinsicht aus zwei Teilen. Zunächst einmal ist seine Struktur, ähnlich wie beispielsweise „Full Metal Jacket" (1987) streng zweigeteilt. Während sich die erste Hälfte auf die Vorbereitungen der Rettungsaktion in den USA konzentrieren, springt der zweite Teil zur konkreten Mission nach Teheran
Zudem bedient er sich zu gleichen Teilen zweier Genres. Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck inszeniert vordergründig einen Politthriller schiebt dem Publikum aber nebenbei eine recht ungewöhnliches Caper-Movie unter. Der obligate Einbruch eines Caper-Movies ist hier ein Ausbruch, der Tresor ist die streng gesicherten Festung des Irans, die Beute sind Menschen, die es zu retten gilt und die Diebesbande besteht aus aufrechten Geheimdienstlern und zynischen Hollywoodbossen. Ansonsten bleibt alles wie gehabt: Erst wird ein Plan geschmiedet, dann werden Spezialisten angeheuert und schließlich der Coup durchgezogen. Und selbstredend kommen die Antagonisten dem Plan nach und nach auf die Schliche. Dazu gesellen sich typischen Elemente eines Politthrillers, indem der Protagonist schließlich persönlich zum Spielball weltpolitischer Mächte wird. Beides inszeniert Affleck auf einem beachtlich souveränen Niveau. Das Geschehen ist an die richtigen Stellen spannend, zur richtigen Zeit dramatisch und findet sogar Momente grimmigen Humors, der meistens auf die Mechanismen der Traumfabrik Hollywood zielt. Hier zeigt sich das Potenzial Afflecks für die breite Masse zu inszenieren ohne die Intelligenz seines Zuschauer zu beleidigen.Eine weitere Zweiteilung erfolgt aus seiner Spannung zwischen einem realen Szenario und einer teilweise fiktiven Spielfilmhandlung. Filme, die auf tatsächlichen Begebenheiten basieren, wandeln auf dem schmalen Grad, einerseits eine filmtaugliche Vereinfachung und Dramatisierung der Ereignisse vornehmen zu müssen, sich andererseits hinreichend am realen Vorbild zu orientieren, um beim Publikum nicht jene Glaubhaftigkeit zu verspielen, die einem realistischen Stoff grundsätzlich innewohnt. „Argo" (2012) jongliert über weite Strecken recht geschickt über diesen schmalen Grad und beweist (vor allem im Abspann) den Ehrgeiz, alles möglichst authentisch wiederzugeben. Gleichzeitig übertreibt er es aber bisweilen zugunsten einer mainstreamkonformen Inszenierung mit der Zuspitzung des Plots. Das gibt insbesondere dem furiosen finalen Akt, der die Flucht der Botschaftsmitarbeiter thematisiert, einen bitteren Beigeschmack. Hier werden wirklich für jeden winzigkleinen Nebenhandlungsstrang teilweise hanebüchene Konflikte aufgetürmt, um das Maximum an Spannung zu generieren - das gibt zwar Fleißpunkte in den Fächer Dramaturgie Drehbuch und Regie, zumal das Geschehen auch äußerst spannend inszeniert ist - glaubwürdig ist es allerdings eher nicht. Zudem wirkt das Gefahrenszenario der Flüchtigen jederzeit seltsam aufgebläht. Schweben die Flüchtlinge im Falle ihrer Ergreifung in der kanadischen Botschaft wirklich in akuter Lebensgefahr? Im Film wird jedenfalls keine Gelegenheit ausgespart genau dies zu suggerieren bzw. auch ganz konkret zu behaupten. Vor dem Hintergrund, dass parallel zu der Haupthandlung 52 andere Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft „lediglich" in Geiselhaft, gehalten werden, ist dies aber zumindest zweifelhaft.
Auch die persönliche Haltung Afflecks zu den historischen Ereignissen, bleibt etwas indifferent. Auf der einen Seite spart er nicht mit kritischen Seitenhieben auf die damalige Außenpolitik der Carter-Administration, die vorbehaltlos zweifelhafte Despoten unterstützte, sofern er die sich auf die Seite des Westblocks schlagen. Indem er aber Angestellte exakt dieses Regierungsapparates als Helden seines Films darstellt, singt er ein etwas unkritisches Hohelied auf den aufrechten Beamten, der die Fehler seiner Regierung ausputzen muss.Obwohl „Argo" in der jüngeren Vergangenheit angesiedelt ist, wirkt das Iran-Szenario sehr aktuell - nicht nur aufgrund der aktuellen Zerwürfnisse des Landes mit den Vereinigten Staaten. Geschichte wiederholt sich bekanntermaßen und deswegen weckt der historische Backround der Handlung, um die Absetzung eines USA-freundlichen Nahost-Despoten durch eine radikalislamische Gruppierung Erinnerung an den Sturz des Mubarak-Regimes in Ägypten 2011.
Ein klarer Pluspunkt sind die Schauspieler. Ben Affleck („Good Will Hunting", „Pearl Harbour", „Armageddon") spielt einen soliden Part als Agenten, der seinem verwegenen Hollywood-Plan stellenweise selbst nicht recht über den Weg zu trauen scheint und zwischen dem Prinzip Hoffnung und der Überzeugung über seine eigenen Fähigkeiten gefangen scheint. Edeljoker Bryan Cranston („Total Recall", „Drive", „Breaking Bad") gibt seinen unmittelbaren Vorgesetzten als prinzipientreuen Regierungsbeamten, der am Ende zu großer Form auflaufen darf. Weitaus schillernden sind die Rollen von John Goodman („King Ralph", „The Big Lebowski", „Red State" „Roseanne") und Alan Arkin („Little Miss Sunshine" „Gattaca", „Edward mit den Scherenhänden") als abgebrühte Hollywood-Urgesteine angelegt. Mit grimmigem Zynismus gelingen ihnen einige boshaft-komischen Momente, die die Traumfabrik der 1980er-Jahre in ein sehr zweifelhaftes Licht rücken. Als politische Flüchtlinge agieren bekannte Gesichter wie Tate Donovan (Shooter, Ally McBeal, The O.C.), Clea DuVall („The Faculty", „Identität", „The Grudge") und Rory Cochran („Love & a 44.", „A Scanner Darkly, „C.S.I. Miami), verschwinden aber unter ihrer umfassenden 80er-Jahre beinahe komplett und erhalten nur wenige Möglichkeiten, schauspielerische Akzente zu setzen.„Argo" lebt auch von seiner stimmigen 80er-Jahre Atmosphäre, die detailliert und vollkommen überzeugend nachgestellt wurde. Nicht nur die Schauplätze sowie die Maske und Kostüme der Darsteller sind äußerst glaubhaft, auch der gesamte Look des Films hinsichtlich Farbgebung und Kamerakörnung wirken äußerst stimmig. Ab und an tappt Affleck hier allerdings in die Mad-Men-Falle, deren Ausstattungswut und Zeitattitüde mitunter reichlich selbstzweckhaft und grotesk überzeichnet anmutet. So werden auch in „Argo" auffällig oft und nicht immer subtil technische Relikten wie Rohrpost, Durchschlagpapier, Schnurtelefonen, manuelle Verbindungstationen, Telefaxgeräte, Röhrenbildschirmen und dergleichen ins Bild gehangen, so dass das Publikum fleißig Nostalgie atmen kann. In dieser Hinsicht hätte es durchaus auch etwas weniger getan.
„Argo" bleibt trotz allem eine klare Empfehlung. Straff inszeniert und geschrieben, gelingen einige äußerst spannende Momente, ein äußerst stimmiger Erzählfluss und eine dichte, wenngleich etwas überambitionierten Atmosphäre. Als Oscar-Anwärter, als den ihn Ben Affleck auserkoren hat, weist er jedoch zu viele Mängel hinsichtlich einer stimmigen Tonalität auf.Daran werde ich mich erinnern: Der 80er-Jahre-Look des Filmmaterials