Ein Film nach einer wahren Geschichte, die erst wenig mehr als 30 Jahre zurückliegt und dank der noch lebenden Zeitzeugen bestens dokumentiert ist, scheint wenig Spannung zu versprechen, zudem den Machern kaum interpretatorische Freiheiten blieben. Tatsächlich werden sich nur noch Wenige an die Geiselnahme von 52 Botschaftsangehörigen Ende 1979 in Teheran erinnern, mit denen die Mullahs während der islamischen Revolution versuchten, die USA dazu zu erpressen, den schwer an Krebs erkrankten Schah Reza Pahlevi wieder auszuliefern. Angesichts des 1980 beginnenden ersten Golfkriegs zwischen dem Iran und dem damals noch von den USA unterstützten Irak, des zweiten Golfkriegs 1990, den die USA diesmal gegen den Irak führte, und des Irakkrieges von 2003, dessen Folgen nach wie vor aktuell sind, liegen diese Ereignisse gefühlt schon ewig zurück.
Ben Affleck beginnt in seinem Film noch deutlich früher, schildert die Verstaatlichung der Ölindustrie 1950 - bis dahin war der Iran nur minimal am Nettogewinn der Ölförderung internationaler Ölgesellschaften beteiligt - und die gemeinsame Aktion der CIA und des britischen MI6, mit der ab 1953 wieder die Kontrolle über das Öl zurückgeholt wurde - unter Einsetzung des USA-freundlichen Schahs Reza Pahlevi, der bis 1979 den Iran feudal anführte. Ohne eine Wertung abzugeben, schildert der Film eine extrem aufgeheizte Situation, in der die Islamisten jede us-amerikanische Nuance mit Hass verfolgten, weshalb Studenten in das auswärtige Amt der USA eindrangen und die Botschafter als Geiseln nahmen. Doch um diese Geschichte geht es in „Argo“ nicht, sondern um sechs Botschaftsangehörige, die sich rechtzeitig absetzen konnten und Unterschlupf in der kanadischen Botschaft fanden - es ist die kleine Story hinter der großen.
Entsprechend zurückhaltend, mehr bürokratisch als aktionistisch beschreibt der Film die Planung einer möglichen Rettung der sechs seit Wochen versteckten Personen. Dabei drängt die Zeit, denn nicht nur die kanadische Regierung ist sehr nervös, da eine Entdeckung der US-Amerikaner in ihrer Botschaft, negative Folgen auch für ihre Landsleute hätte – „Argo“ verschweigt nicht die täglichen Hinrichtungen von Personen, denen irgendein Kontakt zur USA nachgewiesen werden kann – auch die Iraner sind ihnen auf der Spur. Zwar konnten die Botschaftsangehörigen ihre Unterlagen noch schreddern, bevor sie überwältigt wurden, aber in wochenlanger Fleißarbeit setzen Kinder und Frauen die schmalen Papierstreifen wieder zusammen, so dass es an Hand der Fotografien nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Revolutionäre wissen, dass sie nicht alle Botschafter als Geiseln genommen haben.
Tony Mendez (Ben Affleck), Spezialist der CIA für Befreiuungaktionen, kennt die Lage, aber er weiß auch, dass nur ein wirklich überzeugendes Täuschungsmanöver erfolgversprechend ist. Während seine Vorgesetzten ihre sechs Landsleute als Fremdsprachen-Lehrer oder mit dem Fahrrad herausholen wollen, kommt ihm die Idee bei einem Telefonat mit seinem entfernt lebenden Sohn, der gerade „Planet der Affen“ im Fernsehen sieht – er will sie als kanadisches Filmteam ausgeben, das für einen Science-Fiction-Film vor Ort Locations begutachtet. Es ist nicht nur die Story an sich, es ist die Art, wie „Argo“ – genannt nach dem geplanten Filmtitel – diese inszeniert, die deutlich werden lässt, wie irre die Welt ist. Mendez kommt mit seiner Idee bei seinen Vorgesetzten keineswegs gut an, die wenig von Trash-Filmen der Marke Hollywood halten, deren eigene Ideen aber alle nicht funktionieren. Unterstützung findet er bei dem bekannten Maskenbildner John Chambers (John Goodman) und dem Produzenten Lester Siegel (Alan Arkin), die mit ihm in wenigen Tagen ein komplettes Fake-Film-Team aufbauen mit Drehbuch, Panels und Produzentensitz bis hin zur Pressekonferenz mit den Darstellern.
In dieser Phase ist „Argo“ trotz seines ernsthaften Hintergrunds sehr amüsant, einerseits dank Goodman und Arkin, die ihre ironischen Kommentare in alle Richtungen abgeben, aber auch durch die unmittelbare Gegenüberstellung einer typisch schrägen Hollywoodveranstaltung und den Revolutionsprozessen in Teheran, die sich in ihrer Inszenierung zur Beeinflussung der Massen erstaunlich ähnlich sind. Doch der Witz in „Argo“ ist von der entlarvenden Sorte, denn an der unmittelbaren Gefahr, in die sich Mendez begibt, als er als angeblicher Co-Produzent in den Iran einreist, gibt es keinen Zweifel. Allerdings bleibt „Argo“ jederzeit sachlich und verzichtet auf eine zusätzliche Dramatisierung oder patriotische Emotionen, wofür es auch keinen Anlass gegeben hätte, denn das Verhalten aller Beteiligten, unabhängig ob auf iranischer oder amerikanischer Seite, deren Vertreter sich keineswegs mit Ruhm bekleckerten, genügt schon, um ständig neue Gefahrenmomente hervorzurufen.
Ob sich die Situation am Ende so zugespitzt hatte, wie im Film geschildert, bleibt fraglich, erzeugt aber eine ungeheure Spannung, die der Unterhaltung dient, letztlich aber nicht entscheidend für den Eindruck des Films ist. Viel mehr entwirft „Argo“ das Bild einer Welt, in der der Irrsinn Methode hat und damit den bis heute bestehenden Konflikt erst erzeugte, unabhängig davon, ob Revolutionäre ihren Hass im Namen Gottes mit fanatischer Akribie ausleben oder die westlichen politischen Führer jede Situation nach ihrem größten Vorteil abwägen und das als vernünftige Entscheidung verkaufen, auch wenn dabei Menschenleben zu Schaden kommen können. Die eigentlichen Helden sind Fantasiefiguren, die auf fremden Planeten gefährliche Abenteuer bestehen, Sternen-Prinzessinnen retten und mit ihren Geschichten Alle erreichen – den kleinen Jungen in den USA oder den Revolutionär in Teheran. Den Figuren aus „Star Wars“ gilt deshalb der letzte Blick der Kamera (8,5/10).