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Ausgeliefert zu sein ist für uns heutige Mitteleuropäer ein eher seltenes Gefühl, aber kurz nach dem 2.Weltkrieg war das noch ganz anders :

Die Litauerin Karin Bjösen (Ingrid Bergman) befindet sich in einem Flüchtlingslager und hofft auf ein Visum für Argentinien. Sie hat sich mit dem italienischen Soldaten Antonio angefreundet, der um ihre Hand anhält. Als das Visum abgelehnt wird ,heiratet sie Antonio noch im Flüchtlingslager, um ihrer Rechtlosigkeit zu entkommen.

Sie begleitet ihn in seine Heimat, der Vulkaninsel „Stromboli“...

Als Rosselini 1949 diesen Film drehte, war er einerseits dem neorealistischen Stil verschrieben, zum anderen hatte er den großen Hollywood-Star Ingrid Bergman kennengelernt, die ihre Familie darauf hin verließ.

Wenn man diesen Film heute sieht, kann man ihren Mut nur bewundern. Nicht nur, daß Hollywood sie deshalb verstieß, gerade diese Rolle in ihrem ersten gemeinsamen Film „Stromboli“ verbindet den Neorealismus mit dem von ihr damals noch bekannten Hollywood-Klischee.

Rosselini hält sich nicht lange in dem Flüchtlingslager auf, für ihn ist es wichtig, daß reale Leben auf der Vulkaninsel zu zeigen, das wenig einladend wirkt.

Gerade hier zeigt sich die Stärke des Schwarz-Weiß Filmes. Auf der kargen Vulkaninsel wachsen nur wenige Pflanzen, bestimmt wird alles von dem riesigen Vulkan, der ständig Qualm und Asche spuckt und jederzeit ausbrechen kann. Die wenigen Steinhäuser haben alle nur flache Dächer und liegen geduckt am Fuß des Berges.

Dieses Leben hat keine Farbe und wenn der Vulkan dunkel und alles überragend am Horizont erscheint, dann wird das Ausgeliefertsein der Menschen hier gegenwärtig.

Doch die hier lebenden Inselbewohner haben sich an diese Situation gewöhnt und leben hier ein einfaches bescheidenes Leben, in Gemeinschaft zu dem Vulkan.

Rosselini zeigt in beeindruckenden, dokumentarischen Bildern ein großes Thunfischangeln, einen Vulkanausbruch und viele alltägliche Dinge. Dabei ist seine Sympathie für diese Menschen immer zu spüren, die in diesem harten Leben durchaus Freude entwickeln.

Doch das ist nur die eine Seite des Films, denn Rosselini konfrontiert diese kleine Welt mit der Figur der Karin.

Ingrid Bergman legt diese Figur keineswegs als Leidende oder Opfer an. Im Gegenteil, sie gibt sich sehr selbstbewußt und als sie der ärmlichen Situation auf der Insel gegenwärtig wird, will sie sofort wieder gehen und macht ihrem Mann Antonio, der sich alle Mühe gibt ,ganz schön die Hölle heiß.

Schon in einer der ersten Szenen wird Karin von dem Vertreter der argentinischen Botschaft als verlogen bezeichnet und Ingrid Bergman wirkt auch im gesamten Film so, als täte sie Alles nur zu ihrem eigenen Vorteil.

Sie ist die klassische schöne Tochter aus gutem Hause, für die immer alles bereitet war, die aber durch die Kriegswirren diese Grundlage verloren hat und jetzt mit fast allen Mitteln versucht wieder auf die Beine zu kommen.

Keine Sekunde ist sie wirklich an ihrem Mann interessiert (es gibt keinerlei gezeigte Zärtlichkeiten im Film) oder versucht sich in die Situation der Inselbewohner hinein zu fühlen - im Gegenteil, als sie erfährt, daß der Pfarrer über ein gewisses treuhänderisches Vermögen verfügt ,versucht sie ihn regelrecht zu verführen.

In dieser Szene, eine der kontroversesten des Films, gelingt es Rosselini die offensichtliche Neigung des Pfarrers zu der schönen Karin zu zeigen, der er fast erliegt. Sie scheitert nur, weil sie ihr Ansinnen zu betont vorbringt, ihr fehlt im entscheidenden Moment das Einfühlungsvermögen.

Insgesamt wenden sich die Inselbewohner immer stärker von ihr ab, was sich auch an zunehmend agressiverem Verhalten ihr gegenüber zeigt und ihren Wunsch von dieser Insel zu entkommen gleichzeitig stärkt.

Die Genialität des Filmes liegt darin, daß es Rosselini gelingt, die Bewohner von „Stromboli“ nicht nur als Reaktionäre zu zeigen, die jedes „Anderssein“ ablehnen, sondern auch vermitteln kann, daß eine gewisse Einsicht in eine vorhandene Situation notwendig ist und man dann auch Lebensfreude darin empfinden kann.

Natürlich ist das Verhalten der Frauen hier gegenüber dem „Eindringling“ absolut exemplarisch für eine solche Situation, aber Rosselini vermeidet dabei jedes klischeebeladene Drama – trotz aller Anfeindungen bleibt seine Schilderung immer sachlich.

Umgekehrt ist Karin kein Opfer der Inselbewohner ,sondern ihrer eigenen Erwartungshaltung und ihrer Unfähigkeit sich einfühlen zu können oder zu wollen. Trotzdem spürt man mit zunehmender Zeit immer mehr Sympathie für sie und leidet mit ihrer Situation mit...

Rosselini gelingt ein grandioses episches Werk , eine Mischung aus realen Schilderungen der damaligen Lebenssituation und einer persönlichen Tragödie. Dabei bleibt er immer unterhaltend und vermeidet jeden schulmeisterlichen oder übertriebenen intelektuellen Gestus.

Ein Film, dessen Qualität heute noch höher einzuschätzen ist als zum Zeitpunkt seiner Entstehung, denn er transportiert uns in eine Zeit und eine Umgebung, die uns heute völlig fremd ist - unbedingt ansehen (10/10).

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