Neben all den poppig-postmodernen Reißern und episch aufgezogenen Spektakeln sind aufs wesentliche reduzierte Actionthriller bodenständiger Machart selten geworden, doch „Premium Rush“ zeigt, dass es sie noch gibt.
Wilee (Joseph Gordon-Levitt) ist Fahrradkurier in Manhattan und einer der besten seines Faches, wie uns die unglaublich ökonomisch erzählte Eingangssequenz wissen lässt. Als klassischer Working-Class-Hero bevorzugt er das einfache Rad mit nur einem Gang und ohne Bremse, könnte aber eigentlich bereits fertig studierter Anwalt sein, würde ihn das spießige Anzugträgerleben nicht so abschrecken. Der Adrenalinjunkie fährt lieber für einen schmalen Verdienst Ware im dichten Straßenverkehr aus, in dem Routenplanung innerhalb von Sekundenbruchteilen geschieht.
Als Wilee für Nima (Jamie Cheung), die Mitbewohnerin seiner Ex-Freundin Vanessa (Dania Ramirez), einen Umschlag von der Universität nach Chinatown fahren soll, hat der unfreundliche Anzugträger Bobby Monday (Michael Shannon) schlechte Karten, als er Wilee die Fracht abnehmen soll, denn dessen Einstellung kennt man bereits. Also zeigt Wilee als traditioneller Actionheld der Bürokratie den Stinkefinger und lässt den vermeintlichen Campus-Sicherheitsbeamten stehen.
Wie Wilee allerdings bald erfahren muss, ist Monday de facto ein Cop und ein schmutziger dazu: Er will den Umschlag haben, da er mit dessen Inhalt seine Spielschulden begleichen will. Also verfolgt er den toughen Kurier mit allen Mitteln durch die Stadt…
Nicht nur angesichts von Wilees Abneigung gegen das Bremsen erinnert „Premium Rush“ an den atemlosen Actionthriller „Speed“, auch der Film insgesamt fühlt sich von seiner Prämisse, der kurzen Laufzeit und der schnörkellosen Umsetzung eher nach Genreware der 1990er an. Die Subplots um Wilees Berufs- und Liebesleben werden zackig eingeflochten, lenken aber nie von der Haupthandlung an, im Gegenteil: Figuren wie Vanessa oder Wilees Rivale Manny (Wolé Parks) sind bald in die Hatz nach dem Umschlag involviert, wobei ihr jeweiliges Verhältnis zu Wilee auch den Fortgang der Handlung beschreibt.
Sicher: „Premium Rush“ ist simpel und behilft sich teilweise kleiner Taschenspielertricks um auf seine Lauflänge von 90 Minuten zu kommen. So muss gelegentlich der deus ex machina eingreifen, etwa dann, wenn der sonst determinierte Wilee kurz zuviel bekommt und den Umschlag doch wieder returnieren will – diese Stellen fallen durchaus unangenehm auf und bremsen den Flow des sonst so zackigen Actionthrillers leider merklich aus – gerade die erste halbe Stunde des Films ist ein Traum in Sachen Tempo, danach hakt der Film angesichts der nicht immer sanften Drehbucheingriffe gelegentlich. In anderen Punkten ist der Film erzählerisch durchaus stark, gerade die Hintergrundgeschichten Mondays und Nimas werden via Flashback zügig abgehandelt ohne den Film zu bremsen.
„Ohne zu bremsen“ ist auch ein gutes Stichwort, wenn es um die Actionszenen des Films geht: In Sachen Stuntarbeit zeichnet sich „Premium Rush“ durch teilweise atemberaubende, dynamische, aber übersichtlich inszenierte Fahrradtricks aus, die Verfolgungsjagden vermitteln immer das nötige Gefühl von Drive und die Visualisierung ist einfallsreich: Immer dann, wenn Wilee überlegt, welchen Weg er wählen soll, werden Was-wäre-wenn-Optionen durchgespielt, digitale Straßenkarten zeigen Position und Routen der Figuren an. Diese Szenen verorten „Premium Rush“ dann trotz 90er-Feeling wieder im Gegenwartskino, nicht immer sauber, weil an diesen Stellen deutlich erkennbar ist der Einsatz von CGI-Tricks, auf die Film verständlicherweise nicht immer verzichten kann: Trotz waghalsiger Stunts kann man schnellen New Yorker Verkehr nur zu einem gewissen Grad ohne PC simulieren. Erfreulich dagegen ist der humorige Tonfall des Films, vor allem in der Figur des Fahrradcops zu erkennen, die als Running Gag immer wieder auf den überlegenen Wilee angesetzt.
Ebenfalls humorvoll angelegt, aber meist im Auto unterwegs ist die Figur des Bobby Monday, die Michael Shannon bewusst als überzogenen, leicht comichaften Fiesling mit cholerischen Anfällen und undeutlicher Aussprache. Dem Wüterich steht Joseph Gordon-Levitt als relaxter Actionheld der Zweiradklasse mit einer launigen Performance in nichts nach, während die Nebendarsteller dagegen meist auf ihre Supportfunktion reduziert werden. Einzig und allein Wolé Parks als leicht durchgeknallter Konkurrent Wilees kann da noch Akzente setzen.
Bei den Plottwists im späteren Verlauf gerät „Premium Rush“ gelegentlich ins Stottern, ansonsten funktioniert der Film aber als selbstironischer, stylisch inszenierter und mit schicken Fahrradstunts aufwartender Actionthriller in der Tradition von „Speed“ und „Final Call“. An diese reicht er nicht ganz heran, gutes Entertainment wird hier aber trotzdem geboten.