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In ländlicher Idylle zelebriert die wohlhabende US-Familie Stoker gerade im engeren Kreis den Abschied vom Vater, als unvermittelt dessen Bruder Charlie (Matthew Goode) auftaucht und nach und nach dessen Stelle einzunehmen scheint - für die gerade 18jährige Tochter des Hauses India Stoker (Mia Wasikowska), um die sich der ganze Film dreht, beginnt mit dem Erscheinen des lange verschollenen Onkels ein stetiges Wechselbad der Gefühle. Der leibliche Vater Richard (Dermot Mulroney), dessen plötzlicher Unfalltod sie zunächst tief erschüttert, war nicht nur ihr "bester Kumpel", sondern hatte ihr durch seine ruhige und weitblickende Art ein sorgenfreies Leben als Einzelkind ermöglicht, der Bruder dagegen (von dessen Existenz sie gar nicht wußte) ist ein Schürzenjäger par excellence und kommt ihr wesentlich näher, als sie dies zunächst zulassen will. Auch ihre Mutter Evelyn (Nicole Kidman) ist Onkel Charlies Charme schnell erlegen und erst nach und nach offenbart sich dessen dunkle Seite...

Der Psycho-Thriller Stoker ist der erste Hollywood-Streifen des südkoreanischen Regisseurs Park Chan-wook (den Freunden des Horror-Kinos zumindest mit seinem Titel Oldboy bekannt) und bietet mit seiner Detailverliebtheit reichlich Schauwerte (stellvertretend hier die vielen gleichen Schuhe unterschiedlicher Größe, die India in einer Szene im Kreis aufreiht) - bei soviel Eye-Candy fällt es jedoch schwer, einen konstanten Spannungsbogen aufzubauen, zumal die entscheidenden Szenen relativ knapp ausfallen und damit leicht übersehen werden können.

India, die heranwachsende Tochter der titelgebenden Familie, ist ein verzogenes Gör, das seinen Platz im Leben erst finden muß. Während ihre Mutter sich den lieben langen Tag nur mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigt und überhaupt keinen Draht zu ihrer Tochter hat, oblag die Erziehung ausschließlich dem Vater. An dessen Stelle tritt nun der dauergrinsende Beau Onkel Charlie, der sich lächelnd die Mutter angelt und gleichzeitig offenbar auch ein Auge auf India geworfen hat - auf all seinen Bemerkungen und Handlungen ihr gegenüber lastet ein leicht inzestuöser Touch, der sich allerdings nie in Anzüglichkeiten oder Berührungen manifestiert. Warnende Stimmen vor diesem mysteriösen Onkel mit dem einnehmenden Wesen verstummen alsbald - eine davon findet sich später in einer Tiefkühltruhe wieder, die andere stirbt in einer Telefonzelle.
Als ein gleichaltriger Schulkamerad eines Nachts in einem Wald gegenüber India zudringlich wird, ist wie aus dem Nichts Onkel Charlie zur Stelle und erwürgt den Burschen - er erledigt dies mit derselben dauergrinsenden Routine wie er auch alles andere macht - nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. In einigen wenigen eingestreuten Rückblenden erfährt der Zuschauer zwischendurch von Onkel Charlies Werdegang - und wie sein Einfluß auf India von Tag zu Tag stärker wird. Nach dem Mord an ihrem Schulkameraden und dessen Beseitigung im eigenen Garten masturbiert India in der Dusche - ein etwas verklausulierter Hinweis in diesem Coming-of-Age-Film darauf, daß sie die charakterlichen Eigenschaften von Onkel Charlie langsam zu übernehmen scheint.

Darstellerisch gibt es an Stoker nichts auszusetzen - die drei Hauptcharaktäre wissen ihre konträren Rollen gut umzusetzen. Während mir die bewußt unattraktive Mia Wasikowska als verzogener Rotzlöffel mit verkümmerten sozialen Fähigkeiten allerdings die ganze Zeit höchst unsympathisch blieb und Nicole Kidman als willenloser blonder Kleiderständer (fast) nur eine Nebenrolle spielt, bezieht Stoker den Großteil seiner zumindest zeitweiligen Spannung aus der Faszination des Bösen, die von Matthew Goode als undurchsichtigem Onkel Charlie ausgeht - für mich der heimliche Star des Films. Dessen Zug um Zug offenbarte dunkle Geheimnisse münden in ein leider recht kraftloses Finale, das überhaupt nicht zu gefallen wußte. Insgesamt also eine durchaus ambivalente (Familien-)Geschichte mit Licht und Schatten - 5 Punkte.

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