Review

Wie pechschwarze Ironie erscheint der Titel des zweiten Werkes von Autor und Regisseur Ron Morales, denn das Land der Anmut gleicht hier einem trostlosen Moloch.
Als reine Milieustudie funktioniert der Streifen ergo recht gut, den Thrilleranteilen gehen jedoch auf halber Strecke die logischen Zusammenhänge flöten.

Marlon (Arnold Reyes) arbeitet seit acht Jahren als Chauffeur für den korrupten Kongressabgeordneten Changho, welcher sich regelmäßig mit Minderjährigen vergnügt. Als Marlon Changhos und seine Tochter von der Schule abholt, kommt es zu einem Überfall, bei dem Changhos Tochter erschossen und Marlons entführt wird. Der Chauffeur gerät zum Spielball zwischen geschmierten Polizisten, erbarmungslosen Entführern und dem Wohl seiner Tochter...

Der Streifen wurde in nur 17 Tagen ohne eigentliche Genehmigung rund um Manila gedreht und Morales machte aus der Not eine Tugend, indem er teilweise recht spontan einige Szenen einfing, während das Team unter stetigen Zeitdruck in kurzer Zeit weitere Szenen abzudrehen hatte. Eingefangen wurde das Ganze hauptsächlich mit einer Handkamera, welche das Geschehen zwar authentischer, zuweilen jedoch auch ein wenig willkürlich aussehen lässt.

Storytechnisch schlägt primär das erste Drittel in den Bann, denn nach dem Überfall wissen Marlon und der Entführer zwar von der getöteten Tochter des Politikers, doch Marlon ist eben kein Held, sondern ein mittelloser Mann, der mit kranker Frau am Rande der Slums lebt und gar nicht die Mittel hat, eigenständig aktiv zu werden, zumal ihm schon bald ein geschmierter Polizist an den Versen klebt. Leider verliert sich der Plot zusehends, streut einige falsche Fährten ein, um im letzten Drittel den unvermeidlichen Twist auszupacken, welcher jedoch einige Fragen aufwirft, die letztlich nicht klar zu beantworten sind.
Zudem bleiben die Nebenfiguren zu vage gezeichnet, um irgendeiner Entwicklung beiwohnen zu können, auch wenn der Fokus stets auf Marlon gerichtet ist.

Was Morales indes ausgezeichnet gelingt, ist Manila als einen Sumpf aus Kinderprostitution, Korruption und Trostlosigkeit darzustellen. Überall türmen sich graue Müllberge unter denen man wahrscheinlich noch nicht einmal eine Kinderleiche entdecken würde, enge Gassen und überfüllte Straßen kennzeichnen das gehetzte Alltagsleben, während ausgerechnet ein Bordell mit Minderjährigen durch bunte Farben hervorsticht. Diese Form von Selbstverständlichkeit lässt nicht kalt und offenbart phasenweise so etwas wie einen Kulturschock, denn wo man nur hinsieht herrscht Trostlosigkeit.

Der lange Zeit unauffällige und zurückhaltende Score schlägt erst im letzten Drittel ein paar ruhige Töne an und untermalt die latente Tristesse angemessen. Diese Grundstimmung trägt den Stoff über weite Teile, denn als reiner Thriller mangelt es an Wucht, die das Thema der Kinderprostitution eigentlich mit sich brächte. Themen wie Moral, Schuld und Schutz der Familie werden zwar angemessen behandelt und doch befriedigt der Ausgang der Geschichte nur bedingt.

Fans reiner Entführungsfilme sollte sich demnach auf unbequeme Kost einstellen, denn mit Hochglanzoptik und unbarmherzigen Helden wie in "96 Hours" ist hier keineswegs zu rechnen. Eher geht "Graceland" als schonungsloses Kulturportrait mit einem passablen Krimianteil durch, - sehenswert bleibt er aufgrund des ungewöhnlich sperrigen Sujets jedoch allemal.
6,5 von 10

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