Nach all den Jahren als Vorzeige-Gothic des modernen amerikanischen Unterhaltungsfilms kann sich Tim Burton inzwischen ja aussuchen, welchem Thema er als nächstes seine Aufmerksamkeit widmen will, grundsätzlich kommt immer etwas Unterhaltsames dabei heraus. Seine Kollaborationen mit Johnny Depp sind inzwischen so vielzählig, daß allein die Erwähnung eines erneuten Zusammenarbeitens genügt, um die Geldgeber ihre Taschen öffnen zu lassen und manchmal - wie im Falle von "Alice im Wunderland" funktioniert das so gut und läuft dann auch an der Kinokasse dermaßen prächtig, daß man dabei vergißt, daß erzählerisch der Regisseur schon etwas nachgelassen hat. "Alice" war eine Auftragsarbeit, nicht von Burton mitproduziert und letztendlich war das Interesse wohl dem Stoff geschuldet, nicht der Adaption, die eine platte Emanzipationsplotte für das viktorianische Zeit darstellte.
Aber der Erfolg gibt dem Kreativen dann doch wieder Recht, also konnte sich Burton der Adaption von "Dark Shadows" widmen, Dan Curtis' legendärer Grusel-Soap-Opera aus den Spätsechzigern, die mit vampirischer Teilnahme über vier Jahre ihre Zuschauer unterhielt.
Bedenken dürfen bei so einem Projekt geäußert werden, denn wann konnte denn schon mal eine Soap, also das perfekt kostensparend produzierte Mischmasch aus Kitsch, Love Story, Drama und etwas Spannung wirklich dramaturgisch gebündelt in einem abendfüllenden Spielfilm unterkommen. Es stand also zu erwarten, daß Seth Grahame-Smith, fast so etwas wie Burtons Hausautor und John August den Stoff derart umformen würden, daß einer der Genreausrichtungen der Vorzug gegeben werden würde.
Der Dauerpartner Depp war mit dabei, spielte diesmal statt der Nebenrolle (wie in "Alice", wo seine Funktion unnütz aufgeblasen wurde, um dem Starstatus den Weg freizumachen) sogar die Hauptrolle des verfluchten Vampir Barnabas Collins, der nach zwei Jahrhunderten aus seinem Gefängnis freikommt und in die Pop-Art-Welt des Jahres 1972 geworfen wird, wo er die marode Familie wieder zu etwas Großem machen will.
Das klingt per se schon mal witzig, das endende 18.Jahrhundert trifft auf die ausgehende Hippie-Zeit, eine ausreichend schräge Mischung, angestaubte Manierismen würden sich mit einer Epoche duellieren, die in der Rückschau jetzt schon eine Satire ihrer selbst war.
Doch so funktionabel stellt sich am Ende "Dark Shadows" leider nicht mal in einer Filmminute dar, denn eine einheitliche erzählerische Linie wurde leider nicht gefunden. Allein den Tonfall der Story auszubalancieren, gelang überhaupt nicht, zwar streute man einige gelungene Witze über die Filmlänge aus und Depp fühlt sich als steif verbalisierendes Relik sichtlich wohl, aber eine Genrezuordnung kann nicht wirklich vorgenommen werden. Schließlich hatte man ein ganzes Ensemble an Figuren zu präsentieren und die sollten dann auch noch eine Funktion innerhalb dieser Geschichte zu bekommen, ein Unterfangen, das auf ganzer Linie scheiterte. Die Soapelemente, also eine Vielzahl von sich überkreuzenden Handlungsebenen, im Spielfilmformat zu präsentieren, ist in 100 Filmminuten schwer möglich - außer man verzichtet bis auf ein Rudiment auf eine geschliffene Dramaturgie und präsentiert eine ausgelassene Nummernrevue, eine Variante, die bei den Adaptionen der "Addams Family" funktionierte.
Ausgelassen ist jedoch nichts an "Dark Shadows", bei dem verschiedene Vorhaben scheinbar nebeneinander zu existieren versuchen, diverse davon aber schon knapp über der Wurzel verhungern.
Der Humor wurde sporadisch integriert, die Spannung des Duells zwischen Barnabas und der Hexe Angelique, die ihn einst verfluchte, wird enorm ins Absurde überspielt und die Soap-Elemente, die im Wesentlichen auf pointierten Dialogen basieren würden, ziehen den Film manisch in die Länge. Die Haupthypothek liegt darin, daß "Dark Shadows" niemals durchstartet, obwohl man in jeder Minute darauf wartet. Stets verharrt man über der Handbremse, die in den gestelzten bis übertriebenen Dialogen zu lockern wäre, allein das Drehbuch tut es nie. Immer wenn Drive sich ankündigt oder mal etwas Unerwartetes passiert (und das ist wenig genug), verfängt man sich wieder in minutenlangen komplizierten Aufsagen von Dialogen, die Funken sprühen sollen, aber leider nur beweisen, daß das Rezept mißlungen ist.
Depp bietet dabei konzentrieren Parforceritt durch seine Rolle, stimmig bis ins Details, nur kriegt er von der Kamera schlichtweg zu viel Aufmerksamkeit, um den Film damit NICHT zu erdrücken. Als Widerpart scheint Eva Green aus einem anderen, grotesker gestrickten Burton-Film oder einer echten Soap entflohen, sie chargiert nämlich im Overdrive, was jegliche Chemie mit Depp verhindert. Das alles belastet wieder solche Koryphäen wie Michelle Pfeiffer (die außer ein paar Kurzauftritten wenig zu tun hat), Helena Bonham Carter (die in einer witzlosen Nebenrolle verschleudert wird) oder Johnny Lee Miller (der im Gegensatz zu Pfeiffer überhaupt keine Funktion besitzt und irgendwann verschwindet). Am ehesten Punkte können noch Jackie Earle Haley und Chloe Moretz machen, die als knurriger Hausmeister und angekiffte Tochter wenigstens ein paar gute Zeilen besitzen.
Aber verhindern können sie das "Anfahren - Bremsen - Anfahren - Bremsen"-Prinzip der Geschichte leider nicht. Die Optik stimmt dabei, die Kulissen sind erlesen, die Kamera bewährt wie immer, die Tricks sind solide, doch der Plot ist ein formloses Tralala, das sich nie für eine Seite entscheiden kann. Mehr Dramaturgie mit eingestreuten Humorpassagen (wie in "Sleepy Hollow") oder komplett gaga mit ernstem Hintergrund (wie bei "Charlie" oder "Beetle Juice") hätten eher funktioniert, hier sitzt das Publikum bei, wartet ab und überlegt, was es von diesem Zwitter zu erwarten hat.
Da wird im Film reichlich getötet, es mangelt jedoch an jeglicher emotionalen Resonanz, die das Drama um Barnabas in den meisten Szenen aber besitzen sollte, stattdessen fühlt sich die finale Beschäftigungen mit den vielen Opfern fremdschämend unangenehm an, als sie als Witzvorlage mißbraucht wird. Ferner mangelt es an einem Dreh- und Angelpunkt, denn Barnabas als Zentralfigur, ist uns fremd von der Herkunft, strandet in einer uns fremden Zeit und macht auch während des Film eigentlich keinen Veränderungsprozeß durch, alle übrigen Figuren sind im Grunde Statisten, das Verbindungsglied zum Publikum, das Kindermädchen Victoria, ist die blasseste Figur überhaupt in diesem ganzen Kanon, weil sie nicht mal den Faktor "schräg" oder "creepy" mit sich führt.
Und der am Ende aufgebotene Showdown-Bombast wirkt zusätzlich gestellt, als würde man sich an die bekannten Sehgewohnheiten wieder anbiedern müssen, allein zünden kann er nicht.
Mag sein, daß es ein Lieblingsprojekt von Burton war, das macht die Vorlage leider nicht für eine Adaption geeignet. "Dark Shadows" ist ein netter, fast gemütlicher Film, der ständig mit gruseligen Absurditäten und Versatzstücken spielt, diese aber niemals für ein konkretes Ziel nützt, was ihn dem Endlosformat der Soap wieder annähert. Er ist sicherlich einer der bravsten Burtons, der älteren Semester allein aufgrund seiner Erzählstruktur und Nostalgieeelemente viel Spaß machen dürfte, den Hardcorefans auf der Suche nach einem witzigen Trip nicht mehr als ein "naja, war ganz okay" abringen dürfte.
Keine Steigerung gegenüber "Alice", da ist kreativ ein Reifungsprozeß wünschenswert. (5/10)