Wenn die Tochter des Großmeisters David Lynch zum Genrefilm ruft sollte man dabei sein. CHAINED überzeugt durch seine hochwertige Bildsprache und intensiven schauspielerischen Leistungen, die den Film weit über das oft durchwachsene Image ähnlicher Torture-Filme hinweg heben. In einer vielschichtigen Täter-Opfer Beziehung erleben wir das Martyrium eines gefangen gehaltenen kleinen Jungen, der zum Teenager genannt "Rabbit" (Eamon Farren) aufwächst und von seinem Peiniger Bob (Vincent D'Onofrio) "erzogen" wird.
Vom der Länge und Art der Isolation her erinnert es ein wenig an Natasha Kampuschs 3096 TAGE, ohne jedoch eine derart sexuelle Komponente zu haben. Jennifer Chambers Lynch liefert mit CHAINED einen nachhaltig verstörenden Beitrag ab. Ich kannte sie bislang von dem durchwachsenen BOXING HELENA und dem gelungenen UNTER KONTROLLE. CHAINED macht auch keine Gefangenen und hält sich lange mit einer Vorgeschichte auf und schon nach 30 Sekunden gibt es heftige Szenen zu bestaunen.
Die Beklemmung der Isolation wird perfekt inszeniert und in dem - eigentlich fast kammerspielartigen - 2 Personenstück lebt CHAINED von der herausragenden Leistung von Täter und Opfer. Vincent D'Onofrio überzeugt als Personifizierung des Bösen und liefert hier ein sehr differenziertes Bild in Sprache und Gestik ab und setzt sich damit auch weit von sonst eher eindimensionalen Darstellungen ab. Eamon Farren, der den älteren Jungen spielt liefert uns eine gute Mischung aus Zurückhaltung und Verstörung.
Generell sind die Dialoge zwischen beiden durch Einfachheit, aber nicht der sonst oft trash- und genreüblichen Einfältigkeit geprägt. CHAINED weiß auch diverse explizite Gewalt- und Gorespitzen zu setzen, ohne jedoch nur im Geringsten Selbstzweckhaftigkeit dieser Effekte aufkommen zu lassen. Die komplexe Beziehung der beiden Protagonisten könnte seitenweise beschrieben werden. In dem "angenehm" klaustrophobischen Psychothriller fallen nicht viele Worte, aber die starken Bilder sprechen oft für sich.
Für mich stärkster Satz im Film: "Ich will jagen gehen"…… Die Bildsprache ist generell ruhig, erhaben und es gibt auch immer wieder kontrastierende Naturaufnahmen. Quasi zur Entspannung für den Zuschauer im Gegensatz zu den genannten Szenen. Dominiert wird CHAINED von einem elektronischen Soundtrack der meist zurückhaltend ist, dann aber entsprechend des Gezeigten bei Bedarf ernorm an Dynamik zulegt und mich in dieser fast diabolischen Steigerung an Werke von Gaspar Noe erinnerte.
Oft wird nur mit fiesen fast industrial-artigen Subsonic-Bässen gearbeitet, die die unheimliche Atmosphäre einfach perfekt unterstreichen. Auch die diversen Anspielungen auf das Genre und Werke von Vater Lynch gibt es, aber auch das würde hier zu weit führen. Natürlich gibt es auch einige Klischees und die Synchronisation von Bob ist nicht immer ideal, da sehr schwierig, aber CHAINED überwindet sämtlich Schwächen locker und präsentiert und sogar noch wilde Story-Twists am Ende die die Zuschauer spalten werden.
Für mich war aber auch das Ende in Ordnung, auch wenn hier vielleicht zu viel an bekannte Genrevorbilder erinnert wurde und der extrem selbstbewusste und eigenständige Stil des Films etwas verlassen wurde. Selbst im Abspann überrascht der Film aber erneut mit einer kreativen Idee, die ich bislang so noch nicht bewusst umgesetzt gesehen habe und die für das letzte Fünkchen emotionaler Nachwirkung gesorgt hat.
7,5/10 x Personalausweis-Memory....äh,....Punkten