Einige junge US-Touristen auf Europa-Reise wollen nach diversen Städtetrips im Westen auch nach Moskau, wo sie sich am Weg dorthin mit dem Bruder des einen in Kiew treffen. Dieser schlägt der Gruppe ein ganz besonderes Ereignis vor, nämlich einen Trip ins Sperrgebiet von Tschernobyl, was nach etwas Überzeugungsarbeit dann auch angenommen wird. Ein ortskundiger Führer in Gestalt eines ehemaligen Militärs (Dimitri Diatchenko als Uri) ist auch schnell zur Hand, und in dessen alten Kleinbus geht es alsbald Richtung Reaktorgelände. Zunächst scheint die Unternehmung an einem Checkpoint zu enden, wo der Truppe von Milizen erklärt wird, daß derzeit niemand auf das Gelände darf - aber als (geschäfts-)tüchtiger Guide weiß Uri um einen Schleichweg durch den Wald, und so gelangt die durch ein weiteres Pärchen auf sechs Touristen verstärkte Gruppe trotzdem ins Sperrgebiet. Nach dem Besuch einiger verlassener Wohnblocks jedoch springt der Kleinbus nicht mehr an und die jungen Leute müssen sich darauf einstellen, die Nacht an diesem verbotenen Ort zu verbringen...
Chernobyl Diaries beginnt vielversprechend, indem eine Gruppe durchschnittlicher westlicher Jugendlicher ohne allzu lange Vorgeschichte an diesen ungewöhnlichen Ort gelangt, wo sie sich dann vorhersehbarweise verirren - danach jedoch beschränkt sich das Drehbuch (Oren Peli, Paranormal Activity) nur noch auf Standard-Horror-Elemente aus dem Lehrbuch und läßt einen nach dem anderen verschwinden. Da dieses Verschwinden kameratechnisch leider äußerst schwach gehandhabt wurde und sich die Darsteller auch noch vollkommen unlogisch verhalten, wird einem deren Schicksal schon bald ziemlich egal. Die vorhandenen Monster agieren nur schemenhaft im Dunklen, für deren Existenz und Treiben kommt zu keiner Zeit eine plausible Erklärung und so bleibt die Spannungskurve im unteren Bereich, die teilweise wackelige Handkamera tut ein Übriges. Das Thema Radioaktivität und die Gefährlichkeit der unsichtbaren Strahlung spielen übrigens fast keine Rolle, die mitgeführten Geigerzähler werden ähnlich eines Mückensprays bei Bedarf verwendet und auch der technische Hintergrund des 1986er Super-GAUs kommt überhaupt nicht zum Tragen.
Das ist eigentlich schade, denn der Film hätte durchaus Potential gehabt: Ein weltweit bekanntes radioaktiv verseuchtes Sperrgebiet, in das jugendliche Besucher vordringen, indem sie unter der Leitung eines einheimischen Führers jahrzehntelang leerstehende Wohnblocks durchstreifen, aus diesem Stoff ließe sich durchaus ein spannender Horror-Thriller machen. Mangels Drehgenehmigung am ukrainischen Original-Schauplatz wurde übrigens in der Nähe von Budapest gedreht, wo man in einigen verlassenen Beton-Wohnsilos eine stilistisch überzeugende Location fand. Spuren im Staub, ein verlassener Rummelplatz mit rostigem Riesenrad, ein Auto-Friedhof mit vergammelten Vehikeln, sogar einen Bären läßt man einmal durch eine Wohnung laufen - all dies vermittelt die nötige Grusel-Atmosphäre. Und noch irgendetwas ist da draußen, was genau weiß man nicht und auch Uri will da nicht konkret werden, obwohl er es offenbar weiß oder zumindest ahnt und sicherheitshalber eine Pistole dabei hat.
Dieser Uri, ein stämmiger Ex-Militär, der sich mit dergleichen Touristenführungen seinen Lebensunterhalt verdient, ist zweifellos die interessanteste Persönlichkeit des Films - er hat den GAU hautnah miterlebt, er weiß um die persönlichen Schicksale der ehemaligen Bewohner der Geisterstadt Prypjat und er weiß auch, daß dort mittlerweile irgendwelche Leute zurückgekehrt sind, so beiläufig wie er die Überreste eines erloschenen kleinen Feuers mit dem Fuß verwischt, bevor seine West-Touristen diese bemerken und neugierige Fragen stellen können. Dieser Uri jedoch, der genug Autorität besitzt, sich den Anweisungen der bewaffneten Milizen am Checkpoint zu widersetzen und seine Gäste verbotenerweise in die Geisterstadt bringt, dieser Uri schafft es dann nicht mehr, seinen jahrelang bewährten Kleinbus zu starten (weil dieser zwischenzeitlich sabotiert wurde) und verschwindet kurz danach von der Bildfläche, die fortan nur noch dem westlichen Kanonenfutter gehört.
Dabei hätte die Fortführung des Charakters Uri dem Film gut getan, denn ab dem Zeitpunkt von dessen Verschwinden fokussiert sich alles nur noch auf die sattsam bekannte Film-Ausgangslage von einigen US-Twens in feindlicher Umgebung. Da sich diese nunmehr auf sich selbst gestellten Besucher aber keineswegs wie eine Gruppe verhalten sondern sich im Gegenteil auch noch aufteilen und in weiterer Folge vollkommen unlogisch handeln, wird Chernobyl Diaries ab diesem Zeitpunkt immer vorhersehbarer langweilig. Hektische Schnitte und verwackelte Nachtaufnahmen im Pseudo-Found-Footage-Stil sowie ein paar Standard-Grusel-Effekte können die Story dann nicht mehr retten, ebensowenig wie die mäßige Schlußpointe, in der noch einmal das Feindbild des bösen Osteuropäers beschworen wird. Schade, da war mehr drin. 5,51 Punkte.