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Es ist nicht leicht, eine Marke zu etablieren. Vor allem nicht, wenn man anfangs den Nerv der Gesellschaft (oder eher der Kinofans) trifft, und gewisse Erwartungen gesteckt hat. Oren Peli ist so ein Fall, der sich mit 'Paranormal Activity' einen Namen gemacht, und diesem nun selbstverständlich gerecht werden will. Dass bereits ein Überraschungshit blieb, und daraus später nichts mehr wurde, hat das Regisseuren-Duo Daniel Myrick und Eduardo Sánchez eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit ihrem minimalistischen Erfolg 'The Blair Witch Project' haben sie ein Genre etabliert, dem sich ebenda Oren Peli ebenfalls verpflichtet gefühlt hat. Doch aus Daniel Myrick und Eduardo Sánchez wurde nichts mehr. Vereinzelt haben sie noch nicht erwähnenswerte Horrorfilmchen unter Eigenregie produziert, doch die Namen konnten sie nicht populär machen. Vor selbigen Problem steht nun Oren Peli, welcher nun groß mit seinem Namen für Bradley Parkers 'Chernobyl Diaries' wirbt. Er produziert nicht nur, sondern hat auch die Story mitsamt Drehbuch zu Papier gebracht, das Resultat geht aber in eine andere Richtung, als es sein Regiedebüt tat. Eben genauso wie bei den zwei Studenten. 


Der Plot ist relativ rasch erzählt, und bietet trotz der interessanten Idee keine nennenswerte Innovation. Da treibt es mal wie so oft amerikanische Rucksacktouristen nach Europa, diverse Städte in Großbritannien und gar Deutschland haben sie schon besucht, wie wir im Vorspann zu sehen bekommen, doch wie es sich für einen handelsüblichen Horrorfilmen, der seine Thematik in den Wurzeln Europas verpackt, gehört, treibt es die drei Freunde in den Osten. Dort treffen sie auf den großen Bruder von Chris, der prompt vorschlägt, in die Nähen Tschernobyls zu gehen. Dort soll es ein Dorf geben, dass seit dem Unglückstag nicht mehr besucht wird. Trotz anfänglicher Skepsis seitens Chris, beschließen sie, die Tour an den mysteriösen Ort anzutreten, begleitet von zwei weiteren, amerikanischen Touristen, mit denen sie sich schnell anfreunden. Ihr Reiseführer, Juri, bringt sie schlussendlich an den Ort. Was dann geschieht, weiß der Film selbst nicht so genau, denn eine wirklich zufriedenstellende Antwort hat er nicht parat. 
   Gut eine halbe Stunde passiert grundsätzlich überhaupt nichts, trotz des atmosphärischen Settings und den relativ sympathischen Protagonisten, die jedoch keinerlei Tiefe mit sich bringen, beginnt man sich schnell zu langweilen. Hier und da sind ein paar nicht wirklich story-relevante Schockmomente parat, die meisten sind aufgrund der klischeehaften Kameraführung aber meilenweit vorherzusehen. Wobei man sagen muss, dass der Bär schon eine nette Nummer war. Nett, da wirklich unerwartet. Aber ebenso belanglos, da es keine rationale Erklärung dafür gibt und es eigentlich auch egal bleiben wird.

Der Film verspielt viel Potential. Die Atmosphäre ist stimmig, leichte Spannung baut auch auf, aber die Pausen zwischen den interessanten Momenten sind einfach zu langgestreckt. Zwar konzentriert sich der Film nicht auf Lappalien der Darsteller, auch wenn die üblichen Themen wie Liebe, Bruderstreit und Co. angeschnitten werden, sie übernehmen nicht das Ruder. Der Film möchte einfach nicht in Schwung kommen. Bis überhaupt etwas nennenswerte geschieht, ist schon die hälfte des Films vorüber, und man begegnet aggressive Hunde. Hunde, die wie gewöhnliche Hunde aussehen, und nicht wirklich als gefährlich zu werten sind, aber hey, unsere Helden rennen in der obskuren Landschaft um ihr Leben, meist in der Nacht mit nervösem Taschenlampengeflimmer. Auch scheint der Tag-Nacht-Rhythmus etwas aus dem Ruder zu laufen. Doch das sind nur Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die dem Film aber stappelnd schaden. 
   Anders als 'Paranormal Activity' verzichtet der Film leider auf die Funktion, den Kameramann als handelnden Protagonisten einzubauen. Zwar ist die Kameraführung teils wackelig, und irgendwie direkt am Geschehen, aber ist dann doch eher die dritte, distanzierte Person, die nur dokumentiert, und nicht dazugehören möchte. Warum man nun aber nach der Autopanne nicht einfach tagsüber, da anscheinend ungefährlich, einfach wieder zurückläuft, bleibt ebenso ein Rätsel, wie die Tatsache, dass sich keine wirkliche Bindung zu den Darstellern aufbauen lässt, trotz des nennenswerten Versuchs, eine Charakterisierung einzubringen. Leider erstickt dieser Versuch immer wieder bei der Sinnlosigkeit des Plots. Die meist gestellte Frage wird wohl sein: Warum? 

'Chernobyl Diaries' ist vollgespickt mit logischen Ungereimtheiten, vielen dramaturgischen Lücken und überall dem schwebt stets die Gefahr der Radioaktivität, die mal mehr, mal weniger eine existentielle Rolle zu spielen vermag. Als nach gut einer Stunde dann die Hälfte des Personals irgendwie abhanden kam, beginnt es in der Tat interessant zu werden, doch leider stockt er hier im Minutentakt. Man sieht fast nichts, und man möchte auch nicht wirklich was sehen, auch wenn das Interesse da ist. Da gibt es die schicke Szene in einer Art Küche, die Steven Spielbergs Klassiker 'Jurassic Park' gebührend, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, Referenz erweist. Man hört zwar stets, dass irgendwer oder irgendwas da ist, aber warum es da ist, bleibt ebenso unklar, wer da überhaupt ist. Im Laufe des Films fragt man sich die ganze Zeit, was ist denn nun das Mysteriöse am dem Ganzen? Die verspielten, pseudo-aggressiven Hunde und Bären? Wobei der eine Bär nicht zu erwähnen wäre, da wirklich nur der grotesken Geste wegen. Doch als Zuschauer versucht man, sich das Ganze irgendwie selbst schönzudenken. Mutierte Zombies? Radioaktive Vampire? Hinterwältler im 'The Hills Have Eyes'-Stil? Das wird es wohl am ehesten sein, doch sicher kann man sich da nie sein. 
   Der finale Akt erinnert dann wieder an die guten, alten Tage von 'The Blair Witch Project' und auch 'Paranormal Acitivty 3', in dem die Spannung angedreht wird, um man des Rätsels Lösung mit angespannter Haltung entgegen fiebert. War es bei 'The Blair Witch Project' die merkwürdige Hütte im Wald, so ist es hier bei 'Chernobyl Diaries' klaustrophobisches Ambiente, ein wirres Gerenne durch die Tschernobyl Reaktoren. Hier und da sieht man kurz merkwürdige Gestalten im Hintergrund aufblitzen, die Darsteller immer am Rennen, schreien und ins Nichts sprintend. Der Verlust der vorletzten Protagonisten ist im Übrigen recht lächerlich inszeniert. Aber das nur nebenbei. Zwischen durch kommt noch ein obskures Kind zum Vorschein, was erneut gruseliges Potential hätte... aber Brad Parkers strikte, uninspirierte Regie macht jeden brauchbaren Ansatz zu nichte.  

Brad Parker's 'Chernobyl Diaries' hat eine interessante, ausbaufähige Idee, doch das Resultat ist beschämend. Hier und da blitzen kleine Lichtmomente auf, doch die retten das Werk auch nicht mehr. Zwar handeln die Protagonisten nicht ganz dumm, und wissen sich durchaus zu helfen (trotz der Idiotie bei der Autopanne), doch Oren Peli schafft es nicht, seinem Namen gerecht zu werden. Zu undurchsichtig und schwach ist der Plot, auf aufgeworfene Fragen wird es keine Antworten geben, und der finale Twist, der unschön und vorhersehbar zustande kommt, lässt den Kinogänger mit offenem Mund zurück. Nicht der Faszination wegen, sondern der Irritation. Das alles will einfach keinen Sinn ergeben, zu dilettantisch die Kunst. Hier werden hohe Erwartungen eiskalt unterlaufen, wobei sich der Film auch noch viel zu ernst nimmt, von Humor so gut wie keine Spur. Immerhin ist es schnell vorüber, und trotz der Dunkelheit ist das Setting ziemlich stimmig. Ändert trotzdem nichts dran.
   'Chernobyl Diaries' ist der Versuch, altem mit neuem zu verknüpfen, mit nur sehr mäßigem Erfolg. Die Idee ist klasse, die gute Absicht erkennbar, doch das Resultat ist radioaktiver Müll, der sich viel zu ernst nimmt, und jeden guten Ansatz sofort verstrahlen lässt. 

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