Und wieder mal eine neue Variante eines Found-Footage Films der nicht aus einer später gefundenen Kamera gespeist, sondern aus verschieden Quellen dokumentarisch zusammengestellt wurde. Dieses Subgenre scheint sich zumindest in den Augen der Produzenten nicht totzulaufen. Kritiker und Filmfans jedoch fiebern jedoch längst nicht mehr jedem Streifen hinterher. THE BAY mit dem üblichen dämlichen deutschen Zusatztitel "Nach Angst kommt Panik" allerdings kann durchaus eigene Ansätze bieten. Nach relativ langgezogenem Vorgeplänkel wird recht geschickt die Bedrohungsschraube immer mehr angezogen und im letzten Drittel wird durch eine recht spannende Inszenierung geschickt an unsere Urängste der Rache der Natur angeknüpft.
Das Genre lebt von Überraschungen und deshalb wird hier nicht mehr verraten, als dass bei den Feiern am 4. Juli zum Unabhängigkeitstag es zu einer plötzlichen Epidemie in einem kleinen Hafenstädtchen kommt und die Bedrohung scheinbar aus dem Meer zu kommen scheint….Von der Zusammenstellung der Filmschnipsel her haben wir es nicht wie so oft mit einer Gruppe Jugendlicher mit einer Kamera zu tun die alles aufnimmt, sondern die Bilder und Audioeinblendungen stammen von Telefonmitschnitten, SMS, Funk der Küstenwache, Skype, TV-Stationen, diversen Reportern, Überwachungskameras und Privatvideos die später gefunden wurden.
Viele dieser (filmischen) Dokumente werden von einer Reporterin durch Voice Overs kommentiert und manchmal ist sie auch im Bild. Aus puristischer Sicht ist es also eher eine Art Mockumentary bzw. Dokumentation und nicht klassischer Found-Footage. Sehr gelungen ist der Schnitt der scheinbar zahlreiche isolierte Filmdokumente in eine stimmige und dramaturgische konsistente und dichte Einheit bringt. So viel zur formalen Seite von THE BAY. Inhaltlich erleben wir nichts wirklich Weltbewegendes oder Dinge die der erfahrene Filmfreund nicht schon anderswo mal erlebt hat. Aber die Zusammenstellung überzeugt dennoch.
Passend dazu ist die Effektseite her nicht übertrieben und oft bleibt viel im off oder Dunkeln. Aber manchmal gibt es schon recht fiese CGI-Körperverformungen, fiese Wunden und gegen Ende hin viel Blut und Ekliges zu bewundern. Wie erwähnt THE BAY kann auch nicht die systembedingten Schwächen eines langen Vorlaufs der Geschichte mit vielen Banalitäten vermeiden und es dauert mehr als 30 Minuten bis die ersten spektakulären Dinge passieren. Eine weitere Schwäche in der Form der Dokumentation ist, dass immer wieder neue Personen auftauschen und dann eben verschwinden und man nicht durchgängig mit einer Gruppe von Protagonisten mitfiebern kann wie im klassischen Found-Footage Szenario.
Aber diese Herausforderungen werden durch eine durchgängig bedrohliche Atmosphäre und eine sehr dichte Dramaturgie kompensiert die die knapp 80 Minuten Laufzeit sehr kurzweilig machen. Es ist erstaunlich, dass der etablierte und über 71 Jahre alte Regisseur und Oscar-Preisträgen Barry Levinson die Wackelkamera auspackt und sich in das stets Indiefilm geprägte Found-Footage Genre mit einem schönen Schlag Retro-Ökohorror begibt. Mit unter anderem RAIN MAN, WAG THE DOG und SPHERE (zumindest für mich) hat er wahre Overground-Klassiker geschaffen und auch mit anderen Werken in der oberen Liga in Hollywood gespielt.
Mit THE BAY hat er keinen durchgängig packenden, aber erstaunlich frischen, innovativen und nach hinten raus deutlich verstörenden und vor allem auch nachwirkenden Hirnwurm geschaffen der durch die erfahrene Hand von Levinson deutlich erwachsener wirkt als viele andere Werke in diesem Umfeld. Somit kann ich eine Empfehlung für Fans im Umfeld von klassischem Umwelt-, Infizierten- und Parasitenhorror aussprechen.
6,5/10 Punkten