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Gleich die ersten Bilder signalisieren, das es hier Jemand richtig krachen lassen will. Oliver Stone zeigt sich optisch und inszenatorisch in Bestform, wenn er unter dezenter Anwendung der von ihm gewohnten Stilmittel - Bildbrüche, farbliche Verfremdungen, eingeschobene Storyelemente - eine extreme Situation entwickelt. Das er sie aus dem Off von Ophelia, genannt O (Blake Lively), erzählen lässt, soll Niemandem beruhigen - gleich zu Beginn lässt er sie sagen, dass daraus nicht geschlossen werden kann, dass sie die Story überlebt hat. Vielleicht stammt alles, was sie noch zu sagen hat, von einer Aufnahme, während ihre Leiche längst im Meer schwimmt.

In "Savage" gibt es keine Normalität. Ben (Aaron Taylor-Johnson) ist kein einfacher Haschisch-Bauer, sondern studierter Botaniker, der das beste Marihuana Kaliforniens in großem Stil herstellt. Zudem pflegt er faire Geschäftsbedingungen und spendet einen Großteil des Gewinns für soziale Projekte in Vietnam und Afrika. Sollte es doch einmal Probleme geben, kommt sein Partner und Jugendfreund Chon (Taylor Kitsch) ins Spiel. Dieser verfügt über beste Reputationen als aktiver Soldat in zwei Kriegen, weshalb er auch genügend Kumpels kennt, auf die er bei Spezialeinsätzen zurückgreifen kann. Gemeinsam leben sie in einer luxuriösen Villa in fantastischer Lage und da erstaunt es schon nicht mehr, das sie sich auch die Freundin teilen. O treibt es erst hart mit Chon, dann trifft sie sich zum zärtlichen Liebesspiel mit Ben - aus ihrer Sicht eine ideale Kombination.

Doch diese paradiesischen Zustände gehören schon der Vergangenheit an, wenn Stone mit seinem Film beginnt, und werden nur noch aus O's Erinnerung erzählt. In einer der ersten Szenen konfrontiert der Regisseur den Betrachter mit dem genauen Gegenteil, als er die Aufnahme eines Schlächters zeigt, der gerade einer großer Zahl an Männern den Kopf mit einer Motorsäge abtrennt. Es handelt sich um die Warnung eines mexikanischen Drogenkartells, das Ben und Chon zu Partnern machen will - nach ihren eigenen Vorstellungen natürlich. Dass die Beiden nicht mitspielen, heimlich ihre Geschäfte auflösen und unerkannt abhauen wollen, erkennen sie schnell und nehmen sich das, was sie am meisten lieben - O.

Stone braucht nicht lange, um das glückliche Bild des Beginns zu demontieren. Besonders der kompromisslose Gewalttäter Lado (Benicio Del Toro), der jeden Fehler unbarmherzig bestraft, lässt das schöne Leben voller Kiffen, Sex und Shoppen unter Kaliforniens Sonne schnell zur Illusion werden, auch unterstützt von zusätzlichen kleinen Pinselstrichen - Chons Trauma im Krieg, Ophelia, ein vernachlässigtes Kind aus wohlhabendem Hause, und nicht zuletzt Dennis (John Travolta), der als Polizist für sehr gute Entlohnung die schützende Hand über sie hielt. Auch Ben und Chon konnten sich den inneren Gesetzmäßigkeiten des Drogenhandels nicht entziehen. Und ihr Erfolg hatte automatisch Interesse bei mächtigeren Vertretern der Branche wecken müssen.

"Savage" spitzt eine klassische Konfliktposition so extrem zu, das eine friedliche Lösung unmöglich erscheint. Dazu trägt auch Salma Hayek als Elena bei, die souverän als Boss des Kartells agiert, immer ihr Geschäft im Auge behaltend. Gleichzeitig ist aber auch sie gezwungen, ihr Territorium zu verteidigen, denn es gibt genügend Mitspieler, die gerne ihre Position einnehmen würden. Zur Mitte des Films gelingt es Stone, eine Konstellation aufzubauen, die erkennen lässt, das es innerhalb der Drogengeschäfte keinen Freiraum gibt, keine Möglichkeit, sich eine eigene friedliche Welt zu schaffen. Besonders in der Figur des Ben wird deutlich, das sein Versuch, eine sanfte Droge unter humanen Bedingungen herzustellen und zu vertreiben, scheitern musste. Auch er kann sich den Gewalttätigkeiten nicht entziehen und verliert eine Unschuld, die er im Grunde schon lange verloren hatte.

Obwohl Stone in seiner Bildsprache weiter hart bleibt, weicht er seine Story in der zweiten Hälfte thematisch auf und verliert damit deren kritischen Aspekt. Besonders Del Toro und Hayeks Rollen verlieren ihre Kompromisslosigkeit und werden angreifbar. Das gibt ihren Charakteren zwar eine größere Tiefe, wirkt angesichts des klar strukturierten, bewusst überhöhten Beginns aber unpassend. Schon immer lag die Stärke Stones darin, einseitig gestaltete Figuren so aufeinander prallen zu lassen, das erst durch deren Interaktion Differenzierungen spürbar wurden. Alle Protagonisten - Elena und Lado auf der einen, das Trio Ben, Chon und O auf der anderen Seite - sind keine realen Personen, sondern genauso klischeehaft überzeichnet, wie ihr Umfeld und die diversen Nebenfiguren - vom korrupten Cop, über den Computerspezialisten bis zum gutherzigen mexikanischen Bandenmitglied.

Doch Stone bleibt nicht bei dieser schlüssigen Konstellation, sondern verliert sich in Nebenschauplätzen und nimmt "Savage" damit die erzählerische Linie, als ob er sich nicht getraut hätte, die geschaffene Situation zu ihrem folgerichtigen pessimistischen Abschluss zu führen. Dass er zwei unterschiedliche Enden anbietet, untermauert noch den Eindruck, eines Films, der seine innere Sicherheit verliert und damit den eigenen Aufbau in Frage stellt. Denn beide Enden haben trotz ihrer Unterschiedlichkeit eines gemeinsam - sie sind beide schlecht in ihrem Versuch, dem Ganzen noch etwas positives abgewinnen zu wollen (5/10).

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