Review

„Du willst mich mit ‘ner Juwelendiebin verkuppeln?“ – „Ich würde Sie mit einem Schimpansen verkuppeln, wenn ich Sie dadurch zurück ins Leben bekäme.“

Mit „The Dark Knight Rises” schloss der britische Regisseur Christopher Nolan nach „Batman Begins“ (2005) und „The Dark Knight“ (2008) im Jahre 2012 seine Batman-Trilogie ab. Wie bereits für „The Dark Knight“ verfasste Nolan das Drehbuch zusammen mit seinem Bruder Jonathan Nolan. Dieses basiert lose auf der „Knightfall“-Comicvorlage.

„Sie leben nicht. Sie warten darauf, dass sich alles wieder zum Schlechten wendet.‘“

Vor acht Jahren hat Batman (souverän und sportlich: Christian Bale, „American Psycho“) die Schuld am Tode Harvey „Twoface“ Dents auf sich genommen und sich daraufhin zurückgezogen – sowohl in seiner Rolle als nun von der Polizei gesuchter dunkler Verbrechensjäger Batman als auch in seiner wahren Identität als vermögender Geschäftsmann Bruce Wayne. Dass in der Öffentlichkeit seither ein verzerrtes Bild Dents und dessen Verbrechen vorherrscht, nimmt er billigend dafür in Kauf, dass in Gotham City relative Ruhe herrscht. Dank einer rigoroseren Justiz können Verbrecher leichter hinter Schloss und Riegel gebracht werden, dafür wurden jedoch die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt. Dass es sich dabei lediglich um die Ruhe vor dem Sturm handelt, muss Gotham schmerzlich erfahren, als Bane (endzeitig: Tom Hardy, „Inception“), ein brutaler Terrorist und ehemaliger Angehörender der „Gesellschaft der Schatten“ um Ra‘s al Ghul (mystisch: Liam Neeson, „Darkman“), nach der Macht über die Stadt greift und sie mittels einer atomaren Explosion zu vernichten droht. In der Stadt herrscht daraufhin der Ausnahmezustand. Inmitten dieser Anomie tut sich Batman mit Juwelendiebin Selina „Catwoman“ Kyle (akrobatisch und sexy: Anne Hathaway, „Alice im Wunderland“) zusammen, um den Kampf gegen Bane und dessen Bande aufzunehmen, während Commissioner Gordon (knurrig: Gary Oldman, „Sid & Nancy“) und Detective Blake (jugendlich: Joseph Gordon-Levitt, „Halloween H20“) auf den Straßen Gothams die Ordnung halbwegs aufrecht zu erhalten versuchen. Doch das Unterfangen scheint schier aussichtslos, Batmans und Gothams Schicksal scheint besiegelt…

„Das hier ist eine Börse! Hier gibt's kein Geld, das sie stehlen können!“ – „Möglich… Weshalb seid ihr dann alle hier?“

Ein bisschen verrückt ist es schon: Während mir Nolans Filme häufig zu formal, kalt und mathematisch sind und mich (Super-)Helden-Comicverfilmungen i.d.R. eher kaltlassen, trifft beides nicht auf Nolans Batman-Trilogie zu, an der ich tatsächlich Gefallen gefunden habe. Im großen Finale mit seiner Nettolaufzeit von zweieinhalb Stunden wird eine ganze Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole als Geisel genommen und fordert diese Form megalomanischen Terrorismus natürlich seine Action-Spektakel und seinen Bombast, doch finden auch die leiseren Töne Berücksichtigung und Gehör: Alfred (erhaben: Michael Caine, „Die Muppets-Weihnachtsgeschichte“) zweifelt an Batman, Batman zweifelt an sich selbst, kämpft mit Schuldgefühlen und steckt in einem Dilemma. Mit Blake wird eine interessante Mischung aus engagiertem, integrem Detective und Batman-Sidekick Robin eingeführt, der gleichzeitig als eine Art Wachablösung Jim Gordons fungiert. Mit Talia al Ghul (Marion Cotillard, „Big Fish“) gibt sich eine der faszinierendsten weiblichen Figuren des Batman-Comic-Universums ein Stelldichein, und nicht zuletzt dürfte manch Kind im Manne angesichts Batmans modernistischen Flugautos frohlocken. CSU-Politikerin Dorothee Bär war davon gar so begeistert, dass sie seither den Bau deutscher Flugtaxis vorantreibt.

„Wir werden Gotham vernichten!“

Stilistisch vermengt Nolan erwartungsgemäß Big-Budget-Neo-noir mit Action und der Realität etwas entrückter Comic-Fantasy, während er inhaltlich neben bereits genannten persönlichen Konflikten Kritik an staatlicher Repression im Allgemeinen und an Jim Gordon, der hier an den New Yorker Law-&-Order-Bürgermeister und Trump-Mafioso Rudy Giuliani erinnert, im Speziellen übt und die Polizei angenehm ambivalent darstellt. Weitere Kritik wird laut an obszönem Reichtum im Privatbesitz selbstgefälliger Snobs und einem Finanzsystem, das diese Entwicklungen und daraus resultierende tiefgreifende Krisen zulässt sowie an falschen Propheten in Form reaktionärer Demagogen und skrupelloser Tyrannen, die sich an soziale Protestbewegungen wie Occupy und ähnliche hängen oder an die Spitze revolutionärer Umwälzungen setzen, um sie für ihre persönlichen Zwecke zu instrumentalisieren. Dass Bane dies gelingt, ist kein Abgesang auf organisierten Protest und Rebellion, sondern Teil der Neo-noir- und Batman-typischen, düsteren, tendenziell desillusorischen Weltsicht. Ferner geht es um friedliche Nutzung technischen Fortschritts und die Gefahr, die von ihm ausgeht, wenn er in die falschen Hände gerät – ein Dauerbrennerthema inmitten der Reflektion im Erscheinungsjahr und bis heute sehr real anmutender Ereignisse. Den Nolans gelang es, sich an der Realität der 2000er-Jahre zu orientieren, diese aber auf eine Weise zu verarbeiten, dass die erzählte Geschichte dennoch weitestgehend zeitlos bleibt.

„Bane hat ihre Eier im Schraubstock!“

Mit Bane beherrscht ein Antagonist diesen Film, der einen ganz anderen Typen als Scarecrow oder den Joker verkörpert. Aufgrund seiner Maskierung ist ihm kein exaltiertes Minenspiel wie dem Joker möglich, zudem hat seine Boshaftigkeit keinen psychopathologischen Hintergrund. Insofern erscheint er wesentlich bodenständiger, jedoch auch unbehauener, von beeindruckender physischer Präsenz, durchtrainiert, kreuzgefährlich und unbeirrbar seine Pläne verfolgend – wie eine gut geölte Kampfmaschine. Er will nicht weniger als die Endzeit heraufbeschwören und nimmt den entsprechenden Look bereits vorweg. Teile seiner Hintergrundgeschichte werden nach und nach in Rückblenden erzählt. Dass meine Assoziation aus meiner Kindheit, die „Unterwelt“ halte sich unter der Erdoberfläche auf, hier tatsächlich zutrifft, wärmt mein Herz. Etwas Werbung für Freeclimbing hat sich eingeschlichen, doch die spektakulären Action-Sequenzen sind wohldosiert, erkennbare CGI die Ausnahme und auch „coole“ Einzeiler haben es glücklicherweise nur wenige in den Film geschafft. Das Finale hält eine überraschende Wendung parat und gegen Ende treibt ein unerbittlicher zwölfminütiger Countdown die Spannung in die Höhe, was in einen pathetisches Schluss mündet, in dem Gordon aus Charles Dickens‘ „Eine Geschichte aus zwei Städten“ zitiert.

Das ist alles großes Kino, das sich größtenteils auf Geschmacksfragen herunterbrechen lässt, aber in jedem Falle beeindruckt. Jedoch: Entweder Regisseur Nolan oder der Schnitt schienen mit diesem Epos überfordert. Einige entscheidende Momente sind unterrepräsentiert, gehen im Spektakel unter oder werden schlicht übergangen, was den Erzählfluss und die Nachvollziehbarkeit stört. Und wer genau ist denn nun Bane, was ist seine Geschichte? Doch sicherlich mehr als schlicht Talias Liebhaber, geschasst und misshandelt von deren Vater Ra's al Ghul? Die Rückblenden sind in dieser Hinsicht nicht sonderlich aufschlussreich. Hier wurde möglicherweise vergessen, dass die irren Hintergrundgeschichten der Schurken einen entscheidenden Faktor der vom Batman-Universum ausgehenden Faszination ausmachen. Und vielleicht fühlt sich manche Frau, wenn sie sich über die Oberflächlichkeit und Eindimensionalität manch weiblicher Figur in der Populärkultur beschwert, so wie ich gerade in Bezug auf Bane…

Unabhängig vom damaligen Hype um diesen Film, der eine überzogene Erwartungshaltung provozierte, die – nicht zuletzt aufgrund des sehr starken Trilogie-Mittelteils „The Dark Knight“ – geradezu enttäuscht werden musste, ist „The Dark Knight Rises“ ein über weite Strecken gut bis sehr gut gelungener Batman-Film, mit dem man aber wohl etwas zu viel wollte und darüber den einen oder anderen wichtigen Parameter leider etwas stiefmütterlich behandelte. Für 7,5 von 10 Atombomben langt’s nach meiner Erstsichtung allemal.

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