Im Sommer 1997 war's, als der einhellig als schlechtester Batman-Film aller Zeiten bezeichnete "Batman & Robin" die Lichtspielhäuser beehrte. Auf unnachahmliche Art deckelte er hemmungsloses Chargieren und ein windschiefes Drehbuch unter einer Glocke aus Karnevalsatmosphäre, fühlte sich augenscheinlich verpflichtet, seinem großen Vorbild, der 60er-Jahre-TV-Serie, in Sachen Absurdität in nichts nachzustehen.
Keine Sorge, dies wird keine nachträgliche Heiligsprechung dieses Desasters, aber die simple Feststellung, dass der Film trotz allem Spaß machte, ist doch der Erwähnung wert. Es genügt ein Blick in besagten Kinosommer, um zu erkennen, dass Spaß die Maxime war: Ein Dinosaurier lief im zweiten "Jurassic Park" in San Diego Amok, Bruce Wilis rettete als Space-Taxifahrer in "Das Fünfte Element" die Erde, während "Con Air" mit einem Flugzeug voller Knackis halb Las Vegas schrottete.
Welch' Kontrast zum Kinosommer 2012 und seinen Blockbustern: Spider-Mans Neustart? Düster, düster. Ridley Scotts "Prometheus"? Brütet über den ganz großen Fragen der Menschheit.
Und natürlich "The Dark Knight Rises", welcher Christopher Nolans Batman-Trilogie endgültig in die Champions League des Bierernsts befördert. Gesellschaftliche Aussagen und eine, die Welt des dunklen Ritters unterfütternde Seriosität schön und gut, aber: Wo bleibt dabei der Spaß?
Er wird, so könnte man sagen, in den Film hinein gesprenkelt, wie Farbtupfer auf eine ansonsten graue Leinwand. Neuzugang Catwoman darf ein paar Bonmots absondern, und Bruce Wayne schäkert in aus den Vorgängern bewährter Manier mit Alfred und Lucius, aber das sind eben nur Momente, dezent eingeflochten in einen Film, dem es vordergründig nicht mehr um reine Unterhaltung zu gehen scheint. Auch bei anderen Elementen hat man das Gefühl, dass sie nur pro forma in geringen Dosen beigemischt wurden, um hier und da noch eine Zielgruppe zu erschließen; die Szenen von Aufruhr gegen Gothams Geschäftswelt und Besserverdiener gemahnen etwa an die "Occupy"-Bewegung, bleiben aber von Seiten des Films wertfrei im Raum hängen, ganz so, als habe man noch schnell Brotkrumen fürs Feuilleton hinwerfen müssen, um den manchmal etwas unangenehmen Fanboy-Hype auf Relevanzfundament zu bauen. Man hat ja einen Ruf zu verlieren.
Worauf legt der Film denn nun Gewicht?
Er möchte die Geschichte von Bruce Wayne alias Batman und seiner Stadt Gotham zu Ende erzählen und zur Trilogie abrunden. Und dies gelingt ihm in Sachen Storyverlauf auch gut; wer sich eine Verknüpfung diverser loser Enden der Plotfäden erhofft, dürfte nicht enttäuscht werden, denn Fragen bleiben so gut wie keine offen. Mittels einiger Kniffe und Drehs gen Ende scheint sogar eine Comicdimension durch, die dem Film über weite Strecken aber einfach fehlt.
Und das ist eben das Problem, da man immer wieder das Gefühl hat, dass der Film sich vor seinem Ursprungsmaterial ekelt: Eine im Katzenkostüm herumlaufende Frau, die vielleicht noch auf tierische Art erotisch ist? Igittigitt. Da muss sich doch ein möglichst nüchterner (lies: langweiliger) Weg drumherum finden lassen. Auch mit dem, von Nolan über die volle Laufzeit von drei Filmen nie glaubwürdig vermitteltem Fledermausfetisch fremdelt der Film in einem Maße, dass die Parole zu gelten scheint: Möglichst wenig Batman zeigen. Nun soll man hier also endich hinter die Entscheidungen einer Person blicken können, die man nie so recht nahegebracht bekommen hat, und das, während sich das Werk selbst um sie herum drückt.
Es ist die Kehrseite des hyperrealistischen Angangs: Batmans aus nachvollziehbaren Gründen verstellte Stimme wirkt weitaus lächerlicher, als es die absurde Vorlage je war.
Wer seinem Publikum das Hineinfühlen in eine Filmwirklichkeit nicht zutraut, in der, sagen wir, Superman nicht erkannt wird, sobald er eine Brille trägt, macht es sich selbst und damit im Umkehrschluss dem Publikum viel zu schwer. Wo bleibt das Spielerische? War der Unterschied Wayne/Batman bislang in anderen Adaptionen nicht immer gut gelöst worden? Braucht es dafür nicht einfach nur gutes Schauspiel? Kann man mit Nolans Wahl der Waffen überhaupt eine aufrichtige Batman-Geschichte erzählen? Mit allem gebührenden Irrsinn? Gerät dieser Schlussakt deshalb so seltsam blutleer, da er sich zwar Themenkomplexe und Schicksalsdimensionen im Dutzend aufbürdet, sein absurdes Personal aber eben nie konsequent als Comicfiguren begriffen hat? Es ist, als würde man der Royal Shakespeare Company dabei zusehen, wie sie krampfhaft eine Folge von "Star Trek" adaptiert.
Die nicht reizlose Abzweigung Richtung gesteigerter Realismus, die der Vorgänger "Dark Knight" wählte, führt nun leider in eine schmucklose Sackgasse. Hier gibt es nichts zu bestaunen, nichts, was das Auge erfreut. Hier wird nur mit grimmiger Entschlossenheit Verkleiden gespielt - von Erwachsenen, die nicht fassen können, was die Kinder (das wären dann wir, liebe Filmfreunde) da von ihnen verlangen.
Weshalb das alles einen Film zuvor noch funktionierte - gute Frage. Dort hatte man einen schönen Subplot, die Analogie des weißen Ritters in Gestalt des Harvey Dent, eine Hauptfigur, die die Grenzen der Legalität auslotete, und natürlich eine schillernde Schurkengestalt, bei der man sich nie über ihren nächsten Zug sicher sein konnte; ganz im Gegensatz zu dem in Surround polterndem Gasmaken-Terroristen Bane, der nur möglichst viel Schutt und Asche fabrizieren möchte. Insbesondere in seinen Szenen wird augenfällig, wie sehr sich der Film, der doch so sehr Epos sein möchte, um die großen Szenen drückt. Da ist vieles zu fahrig, um wirklich den Begriff "Meisterwerk" verwenden zu können. Die dramatische Brechung Batmans, frei nach der "Knightfall"-Saga der Hefte, gerät überhastet und undramatisch. Bleibende Bilder nach dem Kinobesuch? Wenn man Flugpanzer und indische Minenschächte zählt, dann war's das. Banes letzte Szene, das darf, ohne zuviel zu verraten, gesagt werden, ist eine große Enttäuschung. Und es ist auch auffällig, wie viel Personal das Drehbuch noch aus dem Hut zaubern muss, um die Trilogie zu einem runden Abschluss zu bringen.
Nolan war nie ein großer Actionregisseur; alles, was er in seinen Batman-Filmen oder beispielsweise "Inception" auffuhr, kam nie über solides Handwerk hinaus, ja, verströmte sogar immer ein wenig den Muff von Co-Regie: Action-Unit und Stuntteam werden's schon richten. Mit der vollkommenen Meisterschaft eines James Cameron in diesem Bereich kann Nolan einfach nicht mithalten. Was er wohl selbst weiß, denn er verlässt sich für den Überwältigungseffekt auf eine stets präsente Krachwumm-Tonspur. Man muss seinen Filmen nur mal den Ton abdrehen, um zu erleben, wie undynamisch alles gefilmt ist, über die Bildsprache nahezu nichts geliefert wird, das "larger than life" ist. Grundsätzlich ja nichts Schlimmes. Im Rahmen einer Comicverfilmung schon eine kleine Todsünde.
Sei's drum, die Geschichte ist so, wie Nolan sie erzählen wollte, konsequent zu ihrem Abschluss gebracht, der nun für sich bestehende Dreh, Batman auch anders präsentieren zu können, hat die Möglichkeiten des Comicfilms (immerhin DER Motor des gegenwärtigen Blockbusterkinos) erweitert. Alle Kritik wird an der schon längst allumfassend beschlossenen Seligsprechung dieser Filme nichts mehr ändern können, aber ein wenig persönliche Enttäuschung bleibt mir doch, weswegen ich jetzt auch froh bin, dass es durchgestanden ist.
Denn allein der Gedanke, dieses abschließende, bleischwere 165-Minuten-Ungetüm noch einmal anzuschauen, mutet fast wie Schwerstarbeit an. Und das ist ja wohl das Letzte, das man von einem Batman-Film sagen möchte.