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Nachdem Christopher Nolan mit seinen ersten beiden Batman-Filmen bereits aktuelle Themen wie die amerikanische Angst nach dem elften September und den „war on terror“ kommentiert hat, wagt er sich bei seiner letzten Auseinandersetzung mit seiner Version des dunklen Ritters nun an eine Aufarbeitung der Weltwirtschaftskrise. Die Bezüge ziehen sich dabei durch den gesamten Film, der soziale Unterschiede noch mehr in den Fokus rückt, als seine Vorgänger das schon taten. Besonders die von Anne Hathaway gespielte Selina Kyle, die Catwoman ist, ohne wirklich so bezeichnet zu werden, drückt dieses Missverhältnis in einer denkwürdigen Szene aus. Sie befindet sich auf einer Spendengala und tanzt mit Bruce Wayne, der ihr dorthin gefolgt ist. Sie weist ihn daraufhin, dass sich der Zustand nicht mehr lange halten lassen kann, in dem wenige Menschen so viel mehr besitzen als alle anderen. Sie kündigt an, dass ein Sturm kommen werde, ein Sturm, der eine Umschichtung des Wohlstandes herbeiführen und für mehr Gerechtigkeit auf der Welt sorgen wird. Als Wayne später einem Betrug zum Opfer fällt, der ihm sein gesamtes Vermögen raubt, passiert dies nicht nur zufällig mit einem gefälschten Börsengeschäft, sondern stellt einen weiteren Verweis auf die Krise dar, die damit auch ihren Einzug in das Batman-Universum Nolans gefunden hat.

Auch Bane, der Oberschurke des Films, trägt einen entscheidenden Teil dazu bei, diesen Sturm Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn sich seine Pläne konkretisieren, zeichnet „The Dark Knight Rises“ ein Bild von einer Gesellschaft, das wie ein Fiebertraum eines Frank Millers anmutet, der davon albträumt, dass die Occupy-Bewegung ihren Willen bekommt. Für einen Moment möchte man innehalten und sich fragen, ob Nolan sich eventuell im Jahrtausend geirrt hat und uns einen Film zeigt, der im Amerika eines Senator McCarthy besser aufgehoben wäre, in dem einst alles nach Weltuntergang roch, was auch nur ansatzweise im Verdacht stand, irgendwie „links“ zu sein. Doch die Figur Bane selbst ist der Schlüssel, der dieses Weltbild zum Wanken bringt. Er entstammt einem Gefängnis, das auch als die Hölle auf Erden bezeichnet wird. Was diesen Ort so besonders schlimm macht, ist nicht, dass es keine Hoffnung auf Erlösung gibt, im Gegenteil, es führt ein langer Schacht in die Freiheit, der nicht zufällig an den Brunnenschacht erinnert, der viele Jahre vorher den jungen Bruce Wayne in „Batman begins“ nachhaltig beeinflussen sollte. Die Insassen können also jederzeit den Himmel sehen und haben die Möglichkeit, in die Freiheit zu klettern, was aber so immens schwer ist, dass es in der Praxis quasi unmöglich zu schaffen ist. Man kann das Gefängnis als die Gesellschaft beziehungsweise deren schlechter gestellte Schichten verstehen, was den Schacht zum American Dream werden lässt; theoretisch kann jeder den Aufstieg schaffen, aber in Wirklichkeit gelingt es kaum jemandem. Ein System, das die Menschen nicht nur bewusst unten hält, sondern ihnen das auch noch unter die Nase reibt und ihnen selbst die Schuld daran in die Schuhe schiebt, kann auf lange Sicht nur eine Figur wie Bane hervorbringen, die entkommt und von nun an auf Rache aus ist und die Mauern nicht nur einreißen, sondern niederbrennen will, die ihn so lange gefangen hielten. Und wenn Bane dann fast in jeder Szene seine Hände an seine Weste legt und nahezu konstant von unten fotografiert wird, erinnert er nicht nur zufällig an Stalin und dessen mediales Bild, das er nur zu gern von sich inszenierte, wir dürfen aber eben auch nicht vergessen, dass er einer Welt entstammt, die ihn zu dem machte, was er heute ist und die der unseren gar nicht so unähnlich ist, wie wir das gerne hätten. So passiert auch einer der größten Wendepunkte des Films im direkten Anschluss an einen kleinen Jungen, der „The Star-Spangled Banner “ singt. Bane tritt danach buchstäblich aus dem Untergrund und präsentiert sich und seine Ziele der Öffentlichkeit Gothams. Diese Szene direkt nach der amerikanischen Hymne zu zeigen, stellt hier deutlich einen Zusammenhang her, der dadurch verstärkt wird, dass Bane währenddessen seinen Weg nach oben bestreitet.

Doch auch wer wenig Interesse an derartigen Interpretationen hat, findet in einem so vielschichtigen Film wie „The Dark Knight Rises“ eine andere Ebene, die ihm mehr zusagt. Die Handlung ist wie schon im direkten Vorgänger so aufgebaut, dass eine Inhaltsangabe dem Film eigentlich nur gerecht werden kann, wenn sie ihn fast komplett nacherzählt. Wann immer man glaubt, zu wissen, wo es hingeht, hat Nolan noch ein Ass im Ärmel und überrascht mit einem weiteren Twist, der den Film in eine neue Richtung lenkt. Das ist besonders beeindruckend, weil man am Ende dann doch das Gefühl hat, dass Nolan genau da angekommen ist, wo er sein wollte und darauf schon seit „Batman begins“ ganz gezielt hingearbeitet hat. Wenn im dritten Film beispielsweise eine Halskette eine nicht unwichtige Rolle spielt, lohnt es sich, darauf hinzuweisen, dass diese bereits in den ersten Minuten des ersten Films aufgetaucht ist und damit ein Teil der Geschichte ist, die Bruce Wayne Jahre später zu Batman werden ließ.

Dass es Wayne immer darum ging, ein Symbol zu erschaffen, das die Menschen inspiriert, ist auch schon ein zentraler Teil seiner Verwandlung gewesen. Dass er das tatsächlich geschafft hat, wird spätestens hier klar, wenn der Film mit dem von Joseph Gordon-Levitt gespielten John Blake eine neue Figur einführt, die nicht nur Batmans wahre Identität erkannt hat, sondern die auch heute noch an ihn glaubt, nachdem die gesamte restliche Stadt ihn für einen Verbrecher hält. Wenn Blake und Wayne sich zum ersten Mal begegnen, zeigen uns Nolan und sein langjähriger Kameramann Wally Pfister dezent, dass sich in Gotham City etwas verändert hat. Die Szene ist in einem konventionellen Schuss-Gegenschuss-Muster aufgebaut, aber bereits im Dialog zeigt sich, dass Wayne nicht das alleinige Zentrum der Aufmerksamkeit ist, da er nur wenig Text hat. Und auch auf der Bildebene findet sich ein erster Hinweis, da Wayne klassisch in Szene gesetzt wird, sich also ungefähr im rechten Drittel des Bildes befindet, während sein Gegenüber das Bild teilweise wesentlich zentraler dominieren darf.

Nolan gelingt in „The Dark Knight Rises“ eine geradlinige Erzählung, die sich ständig bewegt und ihr Ziel trotzdem nie aus den Augen verliert. Er integriert dabei geschickt Szenen und Motive der Vorgänger und lässt seinen Film daher als das Ende einer Reihe erscheinen, obwohl er über weite Strecken auch für sich alleine stehen kann. Dabei fügt er, wie zu erwarten war, Actionszenen ein, die bombastisch realisiert sind, aber dem Zuschauer auch regelmäßig Ruhepausen gönnen, in denen er den Figuren näherkommt, die hier ohnehin im Mittelpunkt stehen. Das Augenmerk des Regisseurs liegt bei seiner Geschichte und er versteht es, ihr alle Elemente seines Films unterzuordnen und trotzdem das Beste aus ihnen herauszuholen.

Und wenn am Ende die Credits beginnen, macht sich dann doch eine gewisse Wehmut breit, dass es das nun gewesen ist. Dass wir wohl nie erfahren werden, was die Zukunft für Nolans Gotham City bereithält, dass wir nie erfahren werden, was aus dem Joker geworden wäre, wenn nicht die tragische Realität ihre Spuren hinterlassen hätte. Andererseits gibt es ja aber schließlich nie ein Ende, das nicht auch einen Neuanfang bedeuten würde und das Warten auf den unausweichlichen Rebbot der Serie kann beginnen. Hoffen wir wenigstens, dass weder Zack Snyder noch Michael Bay ihre Finger im Spiel haben werden.

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