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Christopher Nolans geradezu olympisch gefeierte Batman-Reihe geht in die dritte Runde. Und was erwartet sich da der freudig erregte Multiplex-Fan? Einen echten Straßenfeger! Überdimensional, episch und ein für alle Mal sollte er werden. Ein Ausrufezeichen hinter Nolans bisheriges Oeuvre! Die Ruhe vor dem Sturm herrschte so auch in den letzten Monaten in der Diskussion um den extrem erfolgreichen Vorgänger, dessen gigantische Fußstapfen nur allzu schwer zu füllen sein würden. Nicht nur Heath Ledger als Joker würde praktisch unmöglich in der Rolle des Schurken zu ersetzten sein, auch die vortrefflich ins Werk gesetzte Geschichte von „The Dark Knight" glänzte inszenatorisch derart an allen Ecken und Enden, dass jeder noch seine kleine Kratzer am Lack des doch wohl hoffentlich ebenso glänzenden Nachfolgers als schwere Scharte ausgelegt werden würde. Die von Christopher Nolan selbst praktisch unerreichbar hoch gelegte Messlatte müsse so quasi selbstredend zum Fallstrick des Kultregisseurs werden, meinten viele, es sei denn, es geschähe ein Wunder. Nun, Wunder gibt es zwar - zumindest wenn wir dem Schlager aus dem Jahre 1970 Glauben schenken - immer wieder, aber offenbar nicht im Sommer des Jahres 2012.

Derselbe Artist auf dem Regiestuhl, der zwei wahre Meilensteine des Superhelden-Kinos schuf, setzt nun sein drittes Bat-Vehikel so leichtfertig gegen die Wand, dass man sich die Augen reibt. Es ist denn auch nicht nur besagtes Wunder ausgeblieben; „The Dark Knight Rises" ist meilenweit von der Güteklasse des zweiten Teils entfernt und spielt noch nicht einmal mit dem Beginn der Saga in der gleichen Liga, so ernüchternd und schade das ist. Diesmal hat Nolan nämlich wirklich geschludert. Zuviele Baustellen werden hier aufgemacht, ohne sich ihnen aufmerksam zu widmen, zu vieles zu halbherzig angerissen oder einfach nur nach hinten durchgewunken. Da werden Analogien konstruiert und eine Bildsprache gesprochen, die sich vermutlich noch nicht einmal dem Mann am Steuer zur Gänze erschließen (Wie war das mit Platons Höhlengleichnis?). Die mit zunehmender Spielzeit immer aufdringlicher vor die Nase gehaltene Philosophie im Film wirkt eher peinlich bemüht als meisterhaft nachdenklich. Da wird von Nolan wild drauflos zusammengeklebt und Story geflochten, ohne auf Feinabstimmung und Stichhaltigkeit zu achten. Die Logik der Handlung bleibt so nicht nur einmal wie ein zu Schrott gefahrenes Batmobil auf der Strecke. Aber gehen wir in medias res.

Acht Jahre sind vergangen seit Batman (Christian Bale) Gotham City vor dem Joker rettete und er, um dem Frieden Dauer zu schenken, einen Mord auf sich nahm, den er nicht begangen hatte. Nun erhebt sich, wie sollte es anders sein, nach Jahren trügerischer Ruhe erneut das Böse in den Schluchten des großstädtischen Moloch. Wird Batman Gotham City ein weiteres Mal vor seinem Untergang retten können oder sind die Worte seines Dieners Alfred (Michael Caine) wahr, nämlich dass, sollte Bruce Wayne erneut in seinen schwarzen Umhang steigen, dies sein letzter Kampf sein wird? Die Gefahr ist diesmal zudem wahrhaft apokalyptisch. Der irre Muskelprotz Bane bedroht mit seinen Schergen die von ihm von der Außenwelt abgeschnittene Stadt mit einer aus dem Magazin der Wayne-Foundation entwendeten Atombombe. Vor der Weltöffentlichkeit profiliert er sich als Robespierre, als Befreier der Menschen aus den Klauen der westlichen Dekadenz und ihrer reichen Gewährsmänner. In Wirklichkeit will er die Stadt zerstören. Samt ihren Menschen.

Und schon betreten wir die erste, ohne genauere Planung eröffnete Baustelle Nolans. Bane ist, und damit wird auf den ersten Teil der Trilogie Bezug genommen, ein Zögling der Gesellschaft der Schatten. Dass dieselbe Organisation, die Batman bereits zwei Parts zuvor Ärger machte, erneut herangezogen wird, die im weiteren Verlauf logikscheue Story zu stützen, mutet durchaus zurecht ein wenig einfallslos an. Wenn dann noch dieser ohnehin schon uninspirierte Baustein der Handlung nicht nur zu prosaisch, sondern leicht unstimmig geradezu ins Geschehen geklatscht wird, dann schwant dem Liebhaber des gepriesenen zweiten Teils gleich zu Beginn Böses. Dahingestolpert geht es nun leider weiter im Text.

Fast drei Stunden lang erlebt der Comic-Fan nur einen humpelnden Bruce Wayne, der sich von seinem von der Öffentlichkeit abgeschotteten Siechtum im entlegensten Trakt des Wayne Manor (oder später von den Schlägen seiner Gegner) erholt. Der Bruce Wayne des dritten Teils hat, weil er seit acht Jahren nur noch einen Teil seines Anwesens heimlich bewohnt und damit keinen Ausgang hat, keinen Knorpel mehr in den Gelenken und kann nur noch mit Beinschiene oder Gehhilfe laufen. Eine solch völlig lächerliche Krankengeschichte würde sogar in einem Michael Bay Film als albern auffallen. Als dann endlich Batman nach geschlagenen 100 Minuten einen ersten Kampf gegen den fiesen Bane bestreitet und natürlich verliert - und der ihm die Wirbelsäule zerbröselt - geht das Dahinvegetieren erst so richtig los. Von Batman sieht man dann auch tatsächlich nicht (mehr) viel, dafür Bruce Wayne auf Krücken, im Bett oder fiebrig im Delirium. Viel Bettman, wenig Batman! So lässt sich „The Dark Knight Rises" kurz zusammenfassen, der seinen Titel nur bedingt zurecht trägt. Dass der mit Leichtigkeit überwundene Wayne von Bane dann nicht getötet, sondern als Gefangener unbewacht (!) in ein gigantisches, von alten Philosophen bewohntes Erdloch, mitten in Zentralasien gesteckt wird, von wo aus er dem Untergang Gotham Citys am Bildschirm live beiwohnen soll, setzt dem Blödsinn die (Dornen-)Krone auf. Natürlich gelingt es dem Milliardär nach weiteren sechzig Minuten (!) mit halb gebrochenem Rückgrat, nach vielen Geschicklichkeitsübungen, aus der Höhle zu kraxeln, um pünktlich zum Showdown wieder zuhause zu sein, doch hat sich bis dahin längst Langeweile breit gemacht. Und das bei Nolan! Ein heimisches Verließ für den gefangenen Bruce Wayne wäre übrigens zwar vermutlich praktischer gewesen, hätte aber den Regisseur der Möglichkeit beraubt, seinen Star sinnlos ein zweites Mal zerlumpt durch die Steppen Asiens stapfen zu lassen.

Während Batman also die Hälfte des Films krank am anderen Ende der Welt im Bett liegt und von Profis geriatrisch beraten wird, geht es in Gotham City nicht minder bizarr zu. Die Polizei ist in die unterirdische Falle gelockt worden und steckt in der Kanalisation der Stadt fest. Oben werden unterdessen groteske Revolutionsgerichte abgehalten, um jedem, der noch ganz bei Trost ist, den wohlverdienten Prozess zu machen. Die Gesellschaft soll gereinigt werden. Da der mit seiner Maske geradezu Hannibal-Lecter-artige Bane, ganz dem Wesen der Gesellschaft der Schatten gemäß, jedoch kein Freund konzilianter Lösungsansätze ist, soll die Bombe aber natürlich sowieso explodieren. Da fragt man sich doch, wozu der Bösewicht überhaupt vorher den aufwendigen Budenzauber veranstaltet. Will er wie der Joker seinen Spaß? Man weiß und erfährt es ob der mangelnden logischen Verknüpfungen im Film leider nicht. Ebenso wenig ist sich der Zuschauer etwa darüber im Bilde, warum zum Teufel die festgesetzten Polizisten von den ansonsten völlig teilnahmslosen und ohne Unterlass durch die Gegend mordenden Spitzbuben mildtätig verköstigt und damit am Leben gelassen werden - wenn sie doch sowieso kurze Zeit später nuklear exekutiert werden sollen. Damit sie fliehen können? Natürlich! Und wenn dann noch der Kapitalismus und die Weltwirtschaftskrise quasi im Vorbeigehen angerissen werden, indem Bane eingangs die Börse besetzt und seine Ideologie vor sich hin deklamiert, dann ist das schlicht zuviel Ballast für das ohnehin fragile Plot. Börse, Wirtschaftskrise, Klassenkampf, Sozialneid und Revolution hören sich zwar wunderbar hochtrabend an, bedürfen aber nicht nur bei einem Superheldenfilm der professionellen Analyse, bevor man sie umsichtig und behutsam in die Handlung unterhebt. Das ist Nolan keinesfalls gelungen. Plump und ungelenk widmet er sich ohne eigentlichen Kommentar heißen Eisen, die er hier nur streift und dort nur mit ihnen herumwurstelt. Weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen.

Der Story treu und nett anzuschauen sind hingegen die vielen Versatzstücke der Batman-Comics. Vom Hubschrauber ohne Rotor bis zum beliebten, konvertiblen Fledermausmotorrad wird hier alles bewegt und zu Klump gefahren, was schick und stylisch aussieht. Auch Finsterling Bane passt in die Geschichte, wenn er auch kein Joker-Ersatz ist. Seine wirren, aber stets sachlich vorgetragenen Hasstiraden, die er seinen Gegnern mit skurriler, den Wahnsinn transportierender Wackelstimme an den Kopf wirft, wissen zu unterhalten. Hier besitzt der neue Batman seine wenigen Stärken. Auch Bruce Waynes grenzenlose Menschenliebe spielt hier wieder eine entscheidende Rolle. Die ging ja schon im zweiten Teil soweit, dass er das Leben seines schlimmsten Feindes verschonte, wohl wissend, dass er damit womöglich Tausende Menschenleben gefährdet. Letztendlich kostete seine Weigerung, den Joker in der Straßenschlucht zu töten, seiner Liebe das Leben. Batman weigert sich auch weiterhin, Killer und Psychopathen zu töten und bleibt damit familientauglich. Seine manische Philanthropie bringt ihn diesmal sogar dazu, der ihn wieder und wieder hintergehenden und bestehlenden Maskenfrau (Anne Hathaway) ebenso wieder und wieder zu vertrauen. So selbstzerstörerisch das im wahren Leben wäre, so erfolgreich klappt Waynes Psychologie im Film. Nicht nur die mysteriöse Diebin, viele Menschen werden durch Bruce Wayne ihre Läuterung erfahren.

Nolans „The Dark Knight Rises" hat Längen, aber dennoch eine überfrachtete Story. Er verheddert sich im selbst gesponnen Netz aus Anspruch und oberflächlicher Unterhaltung. Der Erfolgsregisseur bemüht sich neben profaner Berieselung um philosophische Diskussion, ohne aber ein Ziel vor Augen zu haben, sozusagen im Vorbeigehen. Er nimmt sich die Tiefgründigkeit einfach aus der Retorte. Das muss schief gehen. Und geht es auch. Es scheint fast so, als sei Bruce Waynes viel zu episches Kränkeln ein Gleichnis, eine Versinnbildlichung des gesamten Films. Hier ist so einiges im Argen. Und das ist nicht nur unnötig gewesen, sondern, angesichts der Stattlichkeit des Vorgängers, ziemlich bitter.

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