Review

„Hornblower in Space - ein neuer, alter Anstrich für die Enterprise"

Der erste Ausflug des Raumschiffs Enterprise auf die große Leinwand war ein voller Erfolg. Wenigstens finanziell. Denn große Teile des Publikums sowie der Kritikerzunft mochten den Film nicht sonderlich. Bei Paramount Pictures war man sich dieser Diskrepanz durchaus bewusst und nicht gewillt das Risiko einzugehen, beim zweiten Teil auch an den Kassen Schiffbruch zu erleiden. Schließlich hatte „Star Trek - The motion picture" in erheblichem Maß von der Neugier und gespannten Erwartung der „Trekkies" profitiert, die mit ihrer Leidenschaft und Hingabe die zunächst kaum beachtete TV-Serie in ein popkulturelles Phänomen verwandelt hatten. Von diesem Vertrauensvorschuss würde ein Sequel allerdings nicht mehr profitieren können. Entscheidende Veränderungen erschienen daher geradezu logisch. Und die machten auch vor großen Namen nicht halt.

Der Schuldige für die Misstöne um das Original war schnell ausgemacht: Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry wurde sowohl für das schwache Skript (er verlangte ständig nach Änderungen), wie auch das aus dem Ruder laufende Budget verantwortlich gemacht. An seine Stelle trat der hauseigene TV-Produzent Harve Bennett. Wie Robert Wise (Regisseur des Vorgängers) hatte Bennett allerdings noch nie eine Star Trek-Episode gesehen, aber anders als Ersterer wertete er dies als signifikantes Manko und sah sich binnen kürzester Zeit sämtliche 79 TV-Folgen an. Ein Kraftakt, der sich bezahlt machen bzw. den man dem fertigen Film zumindest deutlich anmerken sollte.

„Star Trek II - Der Zorn des Khan" besitzt all das, was viele am Auftaktfilm schmerzlich vermisst hatten. Eine spannende Geschichte, einen starken Gegenspieler, eine flotte, straffe Inszenierung und nicht zuletzt die drei für den Erfolg der Serie so essentiellen Grundpfeiler: einen aktuellen gesellschaftspolitischen Bezug, einen manchmal flapsigen, manchmal (selbst-)ironischen Humor sowie die lebendige Interaktion zwischen dem lieb gewonnenen Protagonisten-Quartett Kirk (William Shatner), Spock (Leonard Nimoy), McCoy (DeForest Kelley) und Scotty (James Doohan). Kurz: der Film fühlte sich bis in die kleinste Pore nach Star Trek an und konterte damit die Hauptkritik an der ersten Leinwandadaption mit einer vollen Breitseite - um im Seefahrer-Jargon zu bleiben.

„Maritim" ist überhaupt DAS Motto von „Trek II". Die Bezüge zu C.S. Foresters Romanzyklus um den britischen Marineoffizier Horatio Hornblower sind unverkennbar und unbedingt gewollt. So ist nicht nur Admiral James T. Kirk (William Shatner) charakterlich an Foresters Helden angelehnt, das ganze Prozedere an Bord der Enterprise ist den Gepflogenheiten und Ritualen auf einem (Kriegs-)Schiff nachempfunden. Nicht zu vergessen der zentrale Auftrag der Enterprise, auf ihren Reisen ins All neue Lebensformen und unbekannte Planeten zu entdecken und zu erforschen, was deutlich das Zeitalter der Entdeckungsfahrten zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert aufgreift.
Regisseur Nicholas Meyer griff damit eine Prämisse auf, die für Roddenberrys Entwicklung von „Star Trek" federführend gewesen war. Dies wurde dann nicht nur im großen Stil angewandt - so ähneln die Raumschlachten in Taktik und Bewegung stark den Gefechten großer Segelschiffe, aber auch den moderneren U-Boot-Kämpfen - (1), sondern manifestierte sich auch in Kleinigkeiten wie das „Seite pfeifen" für an Bord kommende Offiziere, das Weltraum-Äquivalent zur klassischen Seebestattung, oder Kirks mit allerlei maritimen Utensilien dekorierten Privatwohnung. Dazu kommt die Betonung auf bereits aus der Serie bekannte Begriffe wie Brücke, Deck, Maschinenraum, Kabine, Schiffsarzt, 1. Offizier, Steuermann, Ruder, Torpedos etc. Die auf Wunsch Meyers neu entworfenen (2), burgundroten Uniformen greifen historische Vorbilder aus der napoleonischen Zeit auf und verstärken den deutlich militärischen Look des Films. Schließlich sind Kirks Gegenspieler Khan und seine Getreuen in Kluft (uneinheitlich, bunt, martialisch) und Verhalten (Kapern eines Raumschiffs, „Segeln" unter falscher Flagge, Jagd auf reguläre Schiffe) klar im Umfeld der Piraterie angesiedelt, womit sich der marine Kreis vollends schließt.

Das marine Gesamtkonzept wird also konsequent durchgezogen und findet sich folgerichtig auch in Plot und Erzählstruktur wieder. „Star Trek II" ist in vielerlei Hinsicht eine Reminiszenz an das klassische Abenteuerkino, mit seinen Ablegern des Piraten- und Seefahrerfilms. Allerdings wird das durchaus vorhandene Swashbuckler-Motiv leicht modifiziert. Kirk entspricht einerseits klar dem gewitzten, tollkühnen, charmanten Abenteurertypus. So hat er für die Kadettencrew der Enterprise sowie seine alten Weggefährten Spock, McCoy, Scotty, Sulu und Uhura eine ganze Salve flapsiger Sprüche auf Lager. Bei seinem Gefecht mit Khan gerät er zwar zunächst ins Hintertreffen, übertölpelt ihn dann aber mit einer Mischung aus todesmutigem Draufgängertum und verschmitzter Cleverness. Dabei behält er im Angesicht äußerster Gefahr stets einen kühlen Kopf sowie seine moralisch-charakterliche Integrität.

Auf der anderen Seite bekommt die strahlende heroische Rüstung auch ein paar Kratzer verpasst. So hat Kirk den von der Föderation als Charakter-Test angelegten „Kobayashi Maru" zwar als einziger Flottenoffizier jemals bestanden, aber nur weil er die Testparameter geändert und damit die eigentliche Intention (das Erkennen der eigenen Fehlbar-/Besiegbarkeit) ad absurdum geführt hatte. Auch mit einer anderen ultimativen Wahrheit steht er zunehmend auf Kriegsfuss: dem Älter werden. So trifft er mit der Leiterin des Geneis-Projekts seine Jugendliebe Dr. Carol Marcus wieder  und trifft dabei auch erstmals ihren gemeinsamen Sohn David, dessen rebellische, aufsässige Art ihn an seine eigene Jugend erinnert. Dieser Topos der schmerzlichen Bewusstwerdung des eigenen Alters zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung.
In einer melancholischen Sequenz gleich zu Beginn bekommt er von seinem Freund und Arzt Dr. „Pille" McCoy nicht nur eine Lesebrille geschenkt, sondern auch den gut gemeinten Rat, sich mit der Vergänglichkeit des Lebens abzufinden und nicht vergangenen Zeiten hinter her zu trauern. Am Ende wartet dann mit dem Tod seines Freundes Spock (3) der ultimative Charaktertest auf Kirk, gewissermaßen sein zweiter Kobayashi Maru, nur gibt es diesmal kein Hintertürchen. In dem er den Tod als Teil das Lebens endgültig akzeptiert, besiegt er auch seine rückwärts gewandte, pessimistische Grundstimmung und blickt wieder mit Elan und Neugier in die Zukunft.
Schon früh im Film - und gleichzeitig mit Shatners erstem Auftritt - deutet Regisseur Meyer diese Läuterung vom mythischen, selbstsicheren Heroen zum bescheideneren, sich seiner Grenzen bewussten Realisten mit einem gelungenen, ironischen Kniff an. So erscheint Kirk nach Abbruch der Simulation für den Kobayashi Maru als von hinten angestrahlte Silhouette auf der Brücke der Enterprise. Diese Einführung als gewissermaßen mit einem Heiligenschein umgebene Retterfigur evoziert in ihrer optischen wie dramaturgischen Vordergründigkeit eine ironische Brechung der mit dem Kirk-Charakter verbundenen Helden-Assoziationen. (4)

Zweifellos steht Captain/Admiral Kirk im Fokus der Figurenzeichnung, aber durch seine engen Beziehungen zu Spock und Dr. McCoy bekommen auch diese eine ungleich schärfere Profilierung als im in dieser Hinsicht betont oberflächlichen Vorgänger. So erweist sich „Pille" abseits seiner bekannten Reizbarkeit und pathologischen Nörgelei als feinfühliger Menschenkenner und kluger Ratgeber. Und der vermeintlich ganz der Logik verschriebene Spock offenbart nicht nur intellektuell, sondern auch emotional erlangte Einsichten in die menschliche Natur.
Für die übrige Kern-Crew bleibt da leider wieder nicht allzu viel Platz, zumal Antagonist Khan auch dank Ricardo Montalbans intensivem Spiel stark akzentuiert wird. (5) Er ist ein ebenso furchterregender, wie brutaler Gegner, was schon bei seiner Einführung deutlich wird, als er die gefangenen Commander Chekov und Captain Terrell mit skorpionartigen Parasiten infiziert, um sie gefügig zu machen. Zerfressen und getrieben von Hass auf seine Nemesis Kirk, wird er zum Captain Ahab des Star Trek-Universums. Ein zutiefst verbitterter und moralisch abgestumpfter Misanthrop, der seinem finsteren Ziel alles und jeden unterordnet und damit am Ende auch seine ihm treu ergebene Mannschaft opfert. Eine ebenso interessante wie passende Parallele, untermauert durch Khans letzte Worte, die exakt jenen Ahabs in „Moby Dick" entsprechen:  "To the last I will grapple with thee... For hate sake... I spit my last breath at thee!"

Bleibt noch der in zahlreichen TV-Episoden so geschickt verwobene zeitaktuelle Bezug. Die in den 1980er Jahren sich im Bewusstsein vieler stark manifestierende Technik-Skepsis und Zukunftsangst sowie deren Gegenposition finden sich in „Star Trek II" in Form des Terraforming betreibenden Genesis-Projekts (also die Transformation unwirtlicher Planeten in von Menschen Bewohnbare). Die Erschaffung neuen Lebens beginnt dabei mit der Zerstörung des alten, womit die Zweischneidigkeit zwischen Fortschritt und seinen möglicherweise negativen Begleiterscheinungen bzw. Auswirkungen aufgegriffen wird. Dazu kommen die Ängste bezüglich Überbevölkerung sowie der sukzessiven Zerstörung des Planeten, was die Menschheit dazu zwingen könnte, sich andere Planeten zur Bevölkerung suchen zu müssen. Das Genesis-Projekt bietet exakt diese Technik, birgt aber eben auch ein nicht unerhebliches Zerstörungspotential. Im Film werden die gegensätzlichen Positionen zwischen Befürwortern und Skeptikern passenderweise, weil der inneren Logik der Figurenanlagen folgend, von Spock und McCoy vertreten.

Plot, Figuren, Star Trek-Essentials, die Neujustierung der Franchise war also in allen Bereichen in die Offensive gegangen, um der Kritik am ersten Kino(aus)flug der Enterprise mit Warp-Geschwindigkeit davon zu rasen. Bleiben nur noch die zwei unbestritten größten Stärken des Originalfilms: Musik und Effekte.
Das deutlich geringere Budget konnte hier durchaus zum Stolperstein werden. Die Tricks mussten diesmal auf Anhieb passen und Starkomponist Jerry Goldsmith war schlicht zu teuer innerhalb des engen 11 Mio. $-Rahmens. Ein herber Schlag für die Produktion, hatte Goldsmith doch Herausragendes geleistet und viel zum epischen Ton des Films beigetragen. Engagiert wurde schließlich der heute nicht minder bekannte James Horner, der aber 1982 noch keine 30 Jahre alt und ein weitestgehend unbeschriebenes Blatt war. Darüber hinaus hatte er nur etwas mehr als einen Monat Zeit, um den Score fertig zu stellen. Angesichts dieser Hürden ist das Ergebnis grandios. Die von Produzent Bennett und Regisseur Meyer gewünschte Symbiose aus Anleihen an Soundtracks klassischer Abenteuerfilme und bekannten Klängen aus der TV-Serie (v.a. Alexander Courages Titelthema) komplettierte perfekt die dramaturgische wie auch die inhaltliche Ausrichtung, die ja derselben Intention folgten.
Bei den Tricksequenzen griff man diesmal auf George Lucas Trickfirma ILM zurück, mit der Paramount beste Erfahrungen gemacht hatte (u.a. „Jäger des verlorenen Schatzes"). Und tatsächlich sollte die Arbeit diesmal wesentlich effizienter und ökonomischer verlaufen. In bewährter Manier kombinierte ILM Matte Paintings, Blue Screen-Technik, Modelle und eine erstmals komplett am Computer erstellte Sequenz (die Geburtsstunde von CGI zeigt dabei sinnigerweise den Genesis-Effekt) zu einer täuschend echten Illusion. Wie bei der Filmmusik hatte also das Austauschen der Verantwortlichen dem Film in keiner Weise geschadet.

„Star Trek II - Der Zorn des Khan" kam im Juni 1982 in die US-Amerikanischen Kinos und brach sogleich Startrekorde. In der globalen Endabrechnung war er trotz eines geringeren Einspiels profitabler als sein Vorgänger, der ja ein wesentlich höheren Budget gehabt hatte. Nicht hoch genug veranschlagt werden kann aber sein Stellenwert für das Star Trek-Franchise insgesamt. Die deutliche Rückbesinnung auf wesentliche Elemente der TV-Serie im Verbund mit einer kinotauglichen Formatvergrößerung legte den Grundstein für die weiteren Abenteuer und damit für die bis heute anhaltende Beliebtheit der Reihe. Ob ein Fortfahren im Stil von „Star Trek - Der Film" den frühen Leinwandtot der Enterprise bedeutet hätte, ist natürlich Spekulation. Vieles spricht allerdings entschieden dafür.

Viele „Trekkies" wie auch profane Science-Fiction-Fans halten „The Wrath of Khan" für den besten Star Trek-Film der inzwischen immerhin 13 Filme umfassenden Serie. Ob dem so ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Eine spannende Geschichte, sympathische Helden und perfide Schurken, menschlich und gesellschaftlich relevante Subthemen, spektakuläre Tricks und rasante Action, schmissige Dialoge und ein eingängiger Score sowie ein in jeder Hinsicht flotter Ton schnüren jedenfalls ein Qualitäts-Gesamtpaket, mit dem nur wenige Filme aufwarten können. Und wann sieht man schon mal einen marinen Swashbuckler-Western im All.

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1 Interessanterweise setzte der größte Science-Fiction-Konkurrent („Star Wars") auf Luftschlachten als Vorbild.
2 Meyer gefielen weder die bunten Uniformen der TV-Serie, noch die weiß-beigen Neuanfertigungen für den ersten Kinofilm. Ihm schwebte ein historisch-motivierter, deutlich militärischerer Look vor, der ebenfalls Teil des „Hornblower-Konzepts" war.
3 Nachdem diese Plot-Sensation durchgesickert war (Bennett und Meyer gaben dafür dem gekränkten Roddenberry die Schuld) kam es zu tumultartigen Fanprotesten, die zu Nachdrehs führten, die eine Rückkehr Spocks zumindest andeuteten.
4 Meyer nahm hier deutliche Anleihen beim Spätwestern-Genre, das sich häufig mit alternden, müden Helden und ihren daraus resultierenden Gemütsschwankungen befasste. Auch der Motivkomplex um den verbitterten Rächer (hier in Gestalt von Kirks Gegenspieler Khan) ist eine deutliche Parallele.
5 Montalban nahm dabei seine Rolle aus der Trek-Episode „Space Seed" („Der schlafende Tiger") von 1967 wieder auf. Für das Verständnis und die Wirkung der Figur spielte das keine Rolle, aber als Fanservice war dieser Einfall grandios.

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