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Wir schreiben das 14. Jahrhundert in England. Der Priester Nicholas wird während eines Schäferstündchens mit einer Dame von dessen Gatten überrascht und tötet diesen im Affekt. Panisch flieht er aus seinem Heimatort und lernt auf seinem Weg eine Gruppe Theaterreisender kennen, denen er sich anschließt. Notgedrungen müssen die Schauspieler, deren Anführer Martin erst kürzlich seinen Vater verloren hat, in einem kleinen Dorf, welches direkt unter dem Schloss des mächtigen Lord de Guise liegt, Rast machen. Dort wird gerade einer Frau der Prozess gemacht, die einen Jungen aus Habgier getötet haben soll und der nun die Exekution droht. Statt ihr übliches Programm aufzuführen, beschließen die Schauspieler die Geschehnisse als Buhnenstück darzustellen. Bei der Befragung der vermeintlichen Täterin, die taubstumm ist und sich nur durch Gesten mitteilen kann, kommen insbesondere Nicholas aber erhebliche Zweifel an deren Schuld auf .Als er mit Martins Hilfe weiterforscht, kommen beide einem Komplott auf die Spur, das viel größere Ausmaße annimmt, als zu erwarten war und alle aus der Schauspielergruppe schließlich in Lebensgefahr bringt...


Eine wirklich gelungene Idee dieses Films ist es, dem Zuschauer beide Versionen des Tathergangs nicht einfach zu erzählen, sondern von den Schauspielern als kurzes Theaterstück vorführen zu lassen. Und zwar sowohl die erste Variante, als auch die korrekte Version gegen Ende. Sicher ist das nicht unbedingt realistisch, aber originell bleibt es trotzdem.


Dadurch, dass der Thriller im 14. Jahrhundert spielt, was in diesem Genre ja nicht gerade häufig passiert, wird „Reckoning" natürlich gerne mit „Der Name der Rose" verglichen, zumal auch hier ein Mönch eine entscheidende Rolle spielt. Ansonsten haben die beiden Steifen aber eher wenig gemeinsam.


Natürlich sind die Dialoge auch der Zeit angepasst, in dem die Ereignisse stattfinden, und hören sich bisweilen, insbesondere für die MTV-Generation, sicherlich etwas befremdlich an. Darauf muss man sich dann auch einlassen können, ansonsten braucht man „Reckoning" erst gar nicht in den Player legen.


Willem Dafoe ist in diesem Film der mit Abstand überzeugendste Charakter. Ich weiß nicht mehr, wann ich ihn zuletzt so großartig habe spielen sehen. Paul Bettany nimmt man den Pfarrer auf der Flucht durchaus ab, doch insbesondere gegen Ende bewegt er sich ganz nahe am berüchtigten Overacting. Vincent Cassel wandert ja eh immer auf diesem schmalen Pfad, besonders wenn er wieder mal den Fiesling mimen muss, löst diese Aufgabe aber durchaus zufrieden stellend.


Ein besonderes Lob geht an die mehr als gelungene Filmmusik, die das Geschehen angemessen untermalt und mich sogar dazu brachte, mir den kompletten Abspann anzusehen, was ich sonst eher selten tue.


Einziger kleiner Kritikpunkt ist der etwas langatmige Einstieg, der aber aufgrund der Story unvermeidbar ist.

Ansonsten gibt's für einen in Geschichte eher nicht bewanderten Menschen wie mich hier nichts auszusetzen. Historiker würden hier bestimmt das ein oder andere zu nörgeln finden, aber wer ist das von uns Normalos schon, daher gibt's verdiente

8 Punkte

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