Wer die Hollywood-Maschinerie kennt, der weiß, dass im Sommer 1997 bereits der Grundstein gelegt wurde für ein weiteres Filmprojekt, das just in dem Moment so sicher wurde wie das Amen in der Kirche: „Men in Black 2“. Gezeugt 1997, geboren 2002. Eine recht lange Zeit für Planungen. Aber was lange währt, wird leider nicht immer gut. Das beweist uns auch dieses Sequel eines besonders erfolgreichen Vorgängers.
„Men in Black“ konnte vor allem in visueller Hinsicht neue Akzente setzen sowie ausgehend von der Grundidee, nämlich der Präsenz Außerirdischer auf der Erde, welche als Menschen verkleidet unter uns weilen und deren Geheimhaltung der Organisation der „Men in Black“ obliegt.
Im unvermeidlichen Sequel entschloss sich Sonnenfeld bewusst, keine Risiken einzugehen und inszenierte „MIIB“ als berechenbare Fortsetzung von der Stange, die die prägnanten Merkmale des Originals einfach nur wiederverwertet und in einen anderen Kontext setzt. So richtig hat das aber niemanden überzeugen können. Die Enttäuschung sitzt nach dem ersten Ansehen jedenfalls tief, wenngleich zumindest ein gewisses Maß an Unterhaltung aufkommt.
Dabei fängt es recht viel versprechend an, indem man absichtlich billig gemachte Ausschnitte aus einer Trash-TV-Serie zeigt, die der Wahrheit näher kommt, als das Zielpublikum dieser Serie je ahnen würde. Der Inhalt ist auch gleich das zu lösende Problem, das sich den Men in Black stellt. Eine gewisse Serleena sucht ein gewisses Licht von Zartha, welches sie auf der Erde vermutet. Dort schmuggelt sie sich als Unterwäschemodel unter die Menschen – ganz im Sinne der Terminator-Trilogie mit einer technischen Weiterentwicklung, denn das Aushöhlen eines Menschen und das damit verbundene Tragen der Haut im Hannibal Lecter-Stil ist nicht mehr nötig. Unser grünes Octalusvieh ist nämlich der Formwandlung mächtig und braucht nur ein wenig visuellen Anreiz.
Dass dann ausgerechnet ein Wäschekatalog mitten auf dem Rasen liegt und sich Serleena in die spärlich bekleidete Lara Flynn Boyle verwandelt, dürfte an der Zielgruppe „14-Jähriger geiler Teenie“ liegen. Um gleich im American Pie-Rahmen zu bleiben, wird ausgerechnet die Rolle des sprechenden Mopses Frank – wie vorhersehbar – am meisten ausgeweitet. Nur bedarf es hier keiner Drogen, um den Mops zum Sprechen zu bringen. Schön, das spart Zeit.
Stück für Stück hangelt sich Sonnenfeld an der Struktur des Originals entlang, was bei der Titelsequenz beginnt. Der Score ist identisch, statt einer Libelle fliegt das Raumschiff von Serleena vor einem tiefschwarzen, klaren Hintergrund entlang und zerstört periodisch einen Planeten nach dem anderen. Zum ersten und beileibe nicht letzten Mal in diesem Film wird wieder das aus dem Original bekannte „Size doesn't matter“-Prinzip aufgeworfen, demzufolge auch ein ganzes Universum in einer Murmel Platz finden kann – inklusive unserem eigenen. Bei der Landung des Raumschiffs mag das noch ganz gut gelungen sein, mit der Zeit wird das Prinzip aber überreizt, weil es immer und immer wieder eingestreut wird. Vielleicht für den ganz dummen Zuschauer, damit auch der letzte kapiert, was der Regisseur zu sagen hat.
Nicht nur das, auch andere Elemente aus Teil 1 werden wiederverwertet. Einzig die Spielerei mit dem „Blitzdings“ funktioniert hier ganz gut. Es ist witzig, wenn man sieht, wie sorglos damit herumgespielt wird, ohne sich um eventuelle Spätfolgen des „Blitzdingsens“ zu scheren. Mal hier, mal da wird oft auch unnötigerweise wiederholt ein Zeuge einer außerirdischen Aktivität lächelnd ins Röhrchen gucken gelassen. Dann sogar als Allaround-Flashlight vom fliegenden Vehikel aus, und zuletzt... ach, das muss man selbst gesehen haben.
Abgesehen vom Mops Frank, der sich hier wirklich teilweise penetrant in den Vordergrund spielt, steht aber immer noch das ungleiche Gespann K und J im Zentrum des Interesses, nicht weniger locker gespielt als im ersten Teil vom grimmigen Tommy Lee Jones und vom aufgekratzten Will Smith. Was neu ist – und in der Filmindustrie Hollywood ein ganz alter, abgenutzter Hut – diesmal ist das Verhältnis umgekehrt. K ist der Neuling, weil nach der Sache mit der Schabe geblitzdingst, und J ist der Profi, weil inzwischen als Star des Außendienstes etabliert. Dem Fan von Buddy-Filmen wird das bekannt vorkommen, denn in Filmen wie „Rush Hour 2“ ist das ein altgedienter Usus. Nichtsdestotrotz ist es witzig, den knurrigen Jones als humorlosen Postangestellten „Kevin“ in Doug Heffernanschen Shorts arbeiten und die Gebräuche und richtigen Verwendungsweisen von Paketschnur und-Papier erklären zu sehen.
Nun muss der alte K natürlich wieder „deneuralisiert“ werden, damit er wieder weiß, was abgeht. Hier ergreift man die Gelegenheit, um Tony Shalhoub wieder ins Spiel zu bringen, was ohne Frage eine erfreuliche Sache ist. Sein Einsatz ist hier zum Glück wieder so angenehm dezent wie bei seinem ersten Auftritt. Die Herleitung ist aber mal wirklich erzwungen.
Was die Gegner betrifft, gibt man sich diesmal nicht mit einem zufrieden. Die gute Serleena hat da so ihre Helfer und Helfeshelfer. Bei denen durfte sich die Kreativabteilung so richtig schön austoben. In diesem Punkt kann man eigentlich niemandem einen Vorwurf machen. Johnny Knoxville hat einen abgedrehten Doppelauftritt und gibt das Alien recht überzeugend. Der gleitende Kerl mit dem Umhang basiert wieder auf dem Ungewöhnliche-Anatomie-Konzept, wobei eine gewisse Ähnlichkeit zum Endgegner von Arnold Schwarzenegger aus „Last Action Hero“ nicht von der Hand zu weisen ist. Dann hätten wir noch „Corn Face“, ein Mopsgesicht, einen Typen mit dem Kinn am Sack und dem Sack am Kinn u.v.a. Diese Artenvielfalt lenkt allerdings etwas vom Wesentlichen ab. Funktional sind die Charaktere jedenfalls nicht. Man kann schon sagen, dass das Design hier die Story übertüncht, wobei diese einmal mehr so dünn ist, dass man das auch als Absicht auslegen kann.
Aber eine Schlüsselfigur fehlt noch in der Besprechung. Rosario Dawson spielt die Zeugin des Mordes an ihrem Chef, der ein Alien war. Und für Agent J wird sie zur Love Interest. Nebenbei muss sie als „Kronzeugin“ in Sicherheit gebracht werden und findet Unterschlupf im Mini-Apartment der allseits beliebten Worm Guys, die damit auch wieder ihren Auftritt weghaben.
Dawson kann irgendwie nicht ganz so sehr überzeugen, was aber vor allem an ihrer Rolle liegt. Überhaupt ist es etwas verwunderlich, dass Linda Fiorentino, die am Ende von „MIB“ immerhin scheinbar zu einer „WIB“ geworden ist, hier mit keiner Silbe erwähnt wird.
Was den Rest betrifft, geben sich gelungene und schwache Szenen die Klinke. J's neuer Partner zu Anfang ist urkomisch; die Karate-Einlage von Rip Torn gegen Lara Flynn Boyle dagegen urpeinlich, wenn auch irgendwie wohl nicht ganz so ernst gemeint. Der Mops ist ganz witzig, wenn er „Who let the dogs out“ mitbellt, hat aber auch so seine blöden Witzchen und nimmt insgesamt zu viel Platz ein. Die Michael Jackson-Verarschung ist sehr lustig, wenn man die Umstände im Vorfeld der Produktion bedenkt (Jackson wollte wirklich eine Rolle als MIB-Agent), allerdings auch ein bisschen gemein, weil man auch nicht so genau weiß, ob sich Jackson bezüglich des Sinnes seiner Szenen im Klaren war. Nett ist dann wiederum der Gastauftritt des Regisseurs als verdutzter Familienvater, schwach der Schlussgag, der nur die Pointe aus dem Original mit anderen Mitteln wieder neu auflegt.
Nimmt man den Film als Gesamtes, bleibt die atmosphärische Eigenheit, die den Vorgänger von 1997 noch umweht hatte, völlig auf der Strecke. „MIIB“ ist das typische Sequel, bei dem die Publikumslieblinge hervorgehoben und die Schwächen zurückgeschraubt werden, wobei sich zwangsläufig neue Schwächen ergeben. Mr. Jones und Mr. Smith ist dabei kein Vorwurf zu machen, die sind spielfreudig wie immer. Eher schon Regisseur Sonnenfeld und den Produzenten, die einfach zu wenig Risiko eingehen, weil sie stets auf der Spur bleiben. Da sind dann auch nicht ganz so viele Punkte drin, auch wenn man sich den Streifen durchaus ansehen und sich unterhalten lassen kann – so ab dem zweiten Mal, wenn die große Enttäuschung verflogen ist.