Emotionale morbide Achterbahnfahrt und für mich einer der besten (Genre-) Filme 2013
Es beginnt mit schöner old-school Horror-Atmosphäre und nach ca. 60 Sekunden erfolgt eine Szene, die unter Umständen mindestens die Hälfte der unvorbereitenden Seher vor Grauen (im übertragenen Sinne) das Weite suchen lässt. Der spanische PAINLESS ist aber weit mehr als ein neuer guter Horrorbeitrag. Er ist einer der besten Genremix-Beiträge zwischen Drama, Thriller, Mystery, Fantasy und Horror den ich kenne. Und das sind eine Menge.
Zuschauern, bei denen der anspruchsvolle Mix wirkt, kann ich eine sehr aufregende Reise an die Grenzen des Vorstellbaren versprechen. Selten wurde ich so nachhaltig in einen Film aufgezogen und PAINLESS entfaltet seine suggestive Kraft ganz langsam, aber nachhaltig und man kann die Augen nicht mehr von der immer dramatischeren Geschichte nehmen. Sie erzählt (OHNE SPOILER!) in 2 zunächst völlig separaten Handlungssträngen die Geschichte von Kindern mit der Krankheit der völligen Schmerzunempfindlichkeit (eben "Painless") und dem krebskranken Arzt David auf der Suche nach seinen Eltern…
Würde man die komplette Story niederschreiben wollen, der Inhalt ließe sich gar nicht einfach zusammenfassen. PAINLESS wirkt wie so oft am besten, wenn man sich nicht sehr viel vorab informiert. Die dabei immer mehr zusammenlaufenden Handlungsstränge sind relativ komplex, jedoch immer nachvollziehbar und wenn man sie annimmt, logisch und konsistent geschalten. Der Film vermeidet also eine zu sehr konstruierte Form die oft anderen Filmen das Genick bricht.
In einer nicht enden wollenden Bilderflut erleben wir einen Film, der mit Blicken und wenigen Gesten seiner starken Protagonisten eine sehr starke Wirkung und morbide Atmosphäre hinterlässt. Sehr lange wird der Zuschauer im Unklaren darüber gehalten, wo die Reise überhaupt hingehen soll, und auf einmal befindet man sich in einem Kriegs- und Nachkriegsdrama mit erschütternden Szenen und gutem historischem Bezug.
Eine Warnung sei für zarte Gemüter ausgesprochen. PAINLESS hat nicht viele, aber in etwa ein halbes Dutzend sehr heftiger Gewaltspitzen, die im Gedächtnis haften bleiben und für viele sicherlich schwer zu verdauen sind. Diese leben von dem starken Realismus, auch wenn das wirklich Explizite meist im off stattfindet, PAINLESS versteht es geschickt dafür zu sorgen, dass der Zuschauer dies in der eigenen Phantasie zu etwas viel grausameren kombiniert.
Am Ende erleben wir eine fast metaphysische oder spirituelle Note die PAINLESS für mich den gewissen Kick gegeben hat. Jegliche Haupt- oder Nebenrolle erfüllt ihren Zweck, es gibt keine dramaturgischen Schwächen oder sinnlose Handlungspfade. Alles läuft auf eine ziemlich unvorhersehbare Überspitzung der Handlungspfade hinaus. Eine "Wendung" wäre ein viel zu einfacher Ausdruck.
Es scheint das Erstlingswerk des mit einem interessanten Namen ausgestatteten Regisseurs Juan Carlos Medina zu sein was den Film noch beachtlicher macht. PAINLESS wird bei weitem nicht jedem gefallen. Reinen Drama-Freunden wird er vielleicht viel zu brutal sein, Thrillerfans werden ggfs. die leichten Fantasy und mystischen Elemente ablehnen. Freunde von Standard Horrorkost könnte unter Umständen der bedächtige Storyaufbau im Dramastil etwas abschrecken.
Für mich ist PAINLESS nicht mehr und nicht weniger die größte Filmüberraschung 2013 im Sinne der Relation von Erwartung und Wirkung. Man sollte ihn mit Geduld und sehr unvoreingenommen auf sich wirken lassen und eine Chance geben. Selten hat mich ein Film so hypnotisch in seine Fänge genommen und gefesselt und ich hoffe, dass es noch vielen Sehern so geht.
Selbst der deutsche Zusatztitel "Die Wahrheit ist schmerzhaft" ist diesmal sogar schön doppeldeutig passend gelungen. Deswegen berichte ich hier völlig positiv geflashed (was man sicher merkt) von einem sehr ungewöhnlichen, einmaligen und verstörenden Genremix, den ich allen offenen Gemütern sehr ans Herz legen möchte.
8,5/10 Punkten