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In der ersten Szene vermittelt Sönke Wortmanns Film "Das Hochzeitsvideo" einen kurzen Moment den Eindruck, sein Film über die Hochzeit eines jungen Paares könnte zu einer entlarvenden Angelegenheit über die Feier einer angesagten Hochzeit werden, die jedes Klischee erfüllt - luxuriöse Location, Junggesellen - Abschiede mit Strippern und viel Alkohol, kirchliche Trauung und ein riesiges Fest für alle Verwandte und alle Freunde seit der Kindergartenzeit. In dieser ersten Szene stellt sich Daniel (Martin Aselmann) selbst vor, quasi als Einleitung seines Hochzeitsvideos, das er auf Bitten des Bräutigams Waldemar von Stieglitz (Michael Abendroth) drehen wird. Doch anstatt bei der Sache zu bleiben, verfällt Daniel in weinerliches Selbstmitleid, weil seine Freundin gerade mit ihm Schluss gemacht hatte.

Einen Moment scheint Wortmann hinter die Fassade angestrengter Feierlichkeiten sehen zu wollen, um einen Blick auf die alltägliche Verlogenheit zu werfen, aber mit diesem Eindruck ist es schnell vorbei. Denn stattdessen setzt er auf ein Panoptikum an Klischee-Irren, die in ihrer selbstdarstellerischen Penetranz nur schwer zu ertragen sind, aber jede Nähe zur Realität von sich weisen, außer man hält Hochzeitsfeiern im Hollywood-Style für normal. Die Nähe zu Filmen wie "Hangover", wie die Marketingabteilung sie Wortmanns Film andichtet, ist nicht gerechtfertigt, denn "Das Hochzeitsvideo" persifliert hier nicht die deutsche Wirklichkeit, sondern eine völlig überzogene Kino-Realität.

Aufeinander losgelassen werden zwei Extrembeispiele deutscher Klischee - Charaktere - den linken "Political-Correctness" - Freak, der hinter jeder Bemerkung gleich die Benachteiligung irgendwelcher Minderheiten vermutet und das Luxushotel sogleich als früheren Sitz der SS enttarnt, und den konservativen Landadel, dem es vor allem um den Erhalt der männlichen Linie geht. Natürlich gibt es diese Typen, aber wenn sie so dämlich und unflexibel daher kommen, wie in "Das Hochzeitsvideo", dann verliert jede Ironie ihre Bedeutung. Weder die Eltern von Waldemar, noch die seiner zukünftigen Frau Pia (Lisa Bitter) lassen irgendwelche Entwicklungen erkennen, was letztlich für beinahe alle Beteiligten gilt. Alles ist streng auf Linie gebürstet, zur allgemeinen Schadenfreude des Filmpublikums.

Im Mittelpunkt steht natürlich das Paar Pia und Waldemar, denen übel mitgespielt wird. Da sie sich sehr spontan für die Hochzeit entschieden hatten, gibt es von allen Seiten Ressentiments gegen den jeweiligen Partner, die sich auch selbst erst besser kennenlernen. Ein durchaus ernst zu nehmender Gedanke, den Wortmann nur zu billigen Witzen gebraucht, denn Pia war früher einmal mit Carlos, genannt "Die Keule", zusammen, einem schmierigen Porno-Darsteller, der alles dafür tut, sie wieder auseinander zu bringen. Diese Konstellation ist beispielhaft für den Film, der jeden kritischen Ansatz unnötig ins Extreme steigert. Als der Standesbeamte die Brautleute nicht mehr traut, weil sie ein paar Minuten zu spät kommen und er Feierabend hat, feiert das deutsche Beamtentum durchaus real Urständ, aber ihm später eine sodomistische Liebe zu seinen Hunden anzudichten, um ihn damit zu erpressen, verschenkt diese Szene an einen primitiven Effekt.

Trotzdem - hätte Wortmann die Meute an Feierwütigen am Ende tatsächlich geopfert und die Hochzeit scheitern lassen, hätte das wirre, ständig aus der Handkamera betrachtete Spektakel noch eine innere Konsequenz behalten, so übertrieben klischeehaft es im Einzelnen auch daher kam. Aber wenn sich am Ende neue Pärchen finden und das junge Glück mit der Flasche Sekt am Meer feiert, dann wird deutlich, wo sich die Verlogenheit tatsächlich verbarg - in Wortmanns Film (2/10).

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