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Eher ungewöhnlich düstere Episode im Midsomer Murders Universum, nach "Echoes of the Dead" schon die zweite dieser Art in der doch noch jungen Ära nach dem Ausstieg von John Nettles als titelgebender Inspector Barnaby und dem Einstieg seines Cousins John Barnaby als geplanten Ersatz. Die Serie, vorher bereits seit guten 14 Jahren mit stetigen Quotenerfolg nicht nur in Mutterland Großbritannien, sondern auch außerhalb und nahezu auf dem Weltmarkt als präsenter Vertreter der humorvollen britisch-schrulligen Krimikost gesetzt, hat sich nicht nur mit dem Wechsel der Hauptrolle grundsätzlich geändert. Ausgestiegen bzw. herausgeschrieben wurden auch weitere feste Angestellte in der personellen Konstellation, was ebenso zu einem Aufschrei der Empörung bei hartnäckigen Liebhabern der Show führte wie besonders auch die schon vorhandene Veränderung im Ton und das zeitweilige Ignorieren sonstiger Konstanten. Der hier vorliegende Episodentitel "Murder of Innocence" lässt sich dabei auch durchaus auf die anhaltende Demontage bisheriger Gewohnheiten beziehen:

Als der als Mörder verurteile Grady Felton [ Jack Pierce ] nach Absitzen der Haftstrafe von 18 Jahren zurück nach Midsomer kommt, erwarten ihn gleich mehrere Probleme. Zum einen wird er von der dortigen Bevölkerung, allen voran die Verwandten des Toten, den Vater Ted Denning [ Ian Redford ] und die Schwester Deirdre Denning [ Lisa Dillon ], sowie die Angeheiratete Mandy Gideon [ Sharon Duce ] und ihre Söhne Kyle [ Rupert Hill ] und  Will [ Sam Callis ] äußerst giftig und missachtend begrüßt. Zum anderen wird noch in der selben Nacht sein damaliger Anwalt ermordet aufgefunden, was prompt erneut die Polizei und die Ermittlungen von Detective Chief Inspector John Barnaby [ Neil Dudgeon ] und Detective Sergeant Ben Jones [ Jason Hughes ] auf den Plan ruft.  

Erstaunlicherweise kommt dabei die Inszenierung von einem Routinier der Serie persönlich, hat doch mit Renny Rye Jemand mit nahezu 20 Folgen Erfahrung Regie und mit Autorin Elizabeth-Anne Wheal auch keine gänzlich Unbekannte die Handlung und somit die Verantwortung geführt. Das umgeänderte Milieu macht sich dafür schon in den ersten Minuten erstaunlich stark gefestigt und dann auch beibehaltend in mehreren Motiven samt tieferer Hintergrundgeschichte breit, wird hier quasi der sicheren Kreis der sonstigen Dunstglocke über Midsomer nicht bloß geöffnet, sondern geradezu durchbrochen. Bedrohlichkeiten von Beginn an geweckt, erst die Außenwelt, das üblicherweise vollständig auch außen vorbehaltene und so gar nicht zu existieren scheinende vor den Toren und Wäldern der fiktiven Grafschaft gezeigt. Eine Ankunft des als Mörders beschriebenen von London herkommend mit entsprechend frostigen Geschmack, in der auch der Hauch von im Raum stehender Lynchjustiz die übliche Naturluft durchzieht.

Hinfort sind die lieblichen, wenn auch sicher klischeehaften und veraltet scheinenden Provinzlertypen möglichst ehemals adligen Geschlechts, die sich im Kampf um Land und Gut und Güter gegenseitig aus der Welt wünschen. Hier steht ein Teenagermord in der Wurzel allen Übels, ein ungesühnter auch, da der Täter in den Augen der Bevölkerung entweder nicht gut dafür gebüßt hat und noch lange nicht resozialisiert, oder – was die Meisten nicht annehmen – gar unschuldig, aber nun mal der Sündenbock und der wahre Halunke noch irgendwo frei am Herumlaufen ist. Zusätzlich wird die Todesliste fleißig beackert, und die Opfer summiert, bietet auch das Privatleben von sowohl Ermittlern als auch den möglichen Verdächtigen alles Andere außer wirkliche Trost für die Niederungen bis hin zu Grausamkeiten im Beruf und sieht das fiktive Milieu von Midsomer hier aus wie komplett aus einem Paralleluniversum entrückt.

Statt Naturgrün und Licht(ung), statt Land und Leute hier ein graues Trübnis von Interieur zumeist unangenehm offiziell scheinender Örtlichkeiten wie Polizeirevier, Gerichtssaal, Krankenhaus, Pathologisches Institut und folgerichtig auch die Folie vom langen Arm des Gesetzes, zumeist etwas schmutzig und korrupt oder sonstwie verlogen scheinend in das Visier der Kamera gerückt. Da jetzt für 90min Ausstrahlung komplett der Kontrast zum gängig Konventionellen betrieben wird, und zuvor und danach in den Episoden "The Dark Rider" bzw. "Written in the Stars" auch Alles wieder in Ordnung erscheint, ist die momentane Neuregelung auch fast wie die albtraumhafte Mutation – Misshandlungen Schutzbefohlener, Besichtigungen mehrerer Gefängniszellen von Innen, ein aufgeputschter Mob, eine ausführliche und ausführlich abgehakte Todesliste, fehlendes Resozialisierungsprogramm, bewaffnete Eingreiftruppen usw. usf. – statt künstlerisch ausprobierendem Geschick. Ein Spuk, der sicherlich seine ganz eigenen Augenblicke von dramaturgischer Anspannung als auch schöpferischer Neugierde Hat, nur eben die eigene Regeln arg beugt bis zuweilen auch kompromisslos und gleich 2x auch in alberner Unlogik bricht.

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