Der am 19.07.2019 verstorbene niederländische Schauspieler Rutger Hauer hatte neben seinen menschlichen Qualitäten eine besondere, fachliche Gabe, die sich eigentlich gar nicht richtig in Worte fassen lässt. Hauer schaffte es alleine durch seine unheimliche Präsenz selbst mittelprächtige Filme merklich aufzuwerten und ihnen seinen eigenen, individuellen Stempel aufzudrücken. Trotz dieser Besonderheit blieb ihm zu Lebzeiten der ganz große Durchbruch in die Liga der Hollywood Topstars leider verwehrt. Seine wahrscheinlich berühmteste Rolle spielte er 1982 als totgeweihter Replikant Roy Batty in Riddly Scotts Kultfilm Blade Runner und Thriller Freunde werden sich gerne an seine phänomenale Darbietung aus Hitcher - Der Highwaykiller (1985) zurück erinnern. Hauer wirkte insgesamt in knapp 90 Projekten mit, darunter nahm er auch an vielen B-Actionfilmen teil, beispielsweise am 1991 fürs US Fernsehen (HBO) produzierten 6 Millionen Dollar teuren Science-Fiction Knast Actioner Wedlock, der meiner Meinung nach trotz spürbarer Defizite durchaus noch als "wohl bekömmlich" angesehen werden kann. Der original betitelte Deadlock hatte seinen deutschen Kinostart am 05.09.1991, außerdem lief der Film in den gesammelten Lichtspielhäusern weiterer europäischer Länder wie zum Beispiel Frankreich, Niederlande oder Spanien.
Gut geklaut oder eher schlecht kopiert? So lauteten meine Gedanken, als ich den Streifen das erste Mal sah, denn bei der Geschichte von Drehbuchautor Broderick Miller rund um explodierende Halsbänder bei ausbrüchigen Gefängnisinsassen musste ich unweigerlich an Schwarzeneggers Running Man denken. In ferner Zukunft wird Frank Warren (Rutger Hauer) bei einem Diamantenraub von seinen Komplizen, der hübschen Noelle (Joan Chen) und seinem "besten" Freund Sam (James Remar) verraten, was für Ihn ein Aufenthalt auf unbestimmte Zeit im neumodischen Gefängnis Camp Holiday bedeutet, selbstverständlich war er klug genug, die Beute vorher zu verstecken. Jeder Insasse trägt eine "explosive" Kette, die mit dem Band eines anderen ihm unbekannten Häftlings verbunden ist und bei gegenseitiger, räumlicher Distanzierung von mehr als 100 Meter detoniert. Die Gefangene Tracie Rieggs (Mimi Rogers) behauptet, mit Frank vermählt zu sein und nach seiner anfänglichen Skepsis gelingt es den beiden zu fliehen. Gleichzeitig sind ihnen der korrupte Gefängnisleiter Warden Holliday (Stephen Tobolowsky) und Franks ehemalige Überfallpartner auf den Fersen um den wahren Aufenthaltsort der Diamanten zu erfahren. Eine gnadenlose Hetzjagd beginnt, bei der alle Beteiligten feststellen müssen, dass bei Geld die Freundschaft aufhört....
Wedlock ist der beste Beweis dafür, dass auch qualitativer Durchschnitt unterhaltsam sein kann, denn nicht mehr aber auch nicht weniger liefert Regisseur Lewis Teague (Navy Seals) mit seiner technischen Inszenierung des Zukunftsszenarios ab. Die Kulissen sind wohl budgetbedingt schlicht und nichtssagend gehalten, einzig futuristisch wirken der Knast und der "bombastische" Sträflingshalsschmuck, ansonsten könnte der Film auch gut und gerne in jeder X- beliebigen Gegenwart spielen, von diesem Blickwinkel her war ich ein wenig enttäuscht. Die handlungsmäßig breitgetretene "Flüchtlingsverfolgung" bis zum Showdown kann das Publikum dank des kurzweilig ausgespielten und wohl gefallenden Buddy Faktors von Frank & Tracie sowie vereinzelter humoriger Einlagen größtenteils bei Laune halten. Letzten Endes fehlen dem Erzählfluss aber die Geradlinigkeit, das Tempo und auch die besonderen Actionmomente um über das Prädikat "solide Hausmannskost" entscheidend hinaus zu ragen.
Die quantitativ etwas sehr überschaubaren Actionsequenzen sind mit vereinzelten graphischen Gewaltspitzen routiniert und optisch annehmbar umgesetzt. Der Streifen bietet ein bisschen Handgemenge, 2-3 blutige Schusswechsel und das ein oder andere effektvoll abgesprengte Oberhaupt, was neben dem etwas ausgiebigeren Finale als das Actionhighlight von Wedlock anzusehen ist. Ergänzend hierzu konnte Lewis Teague auf eine formidable akustische Unterstützung von Richard Gibbs passender und spannungserzeugender Filmmusik zurückgreifen, nicht umsonst erhielt der Tonschnitt 1992 unter anderem auch eine Emmy Award Nominierung. In Relation mit Aufwand und Ertrag betrachtet, bewerte ich das Gesamtergebnis des Actiongehalts und der audiovisuellen Darbietung als zufriedenstellend mit eindeutiger Luft nach oben.
So gesehen kann sich Wedlock bei dem klug selektierten und fähig agierendem Schauspielpersonal bedanken, dass der knapp 30 jahre alte Film obgleich handwerklichen Mittelmaßes vor allem in Fankreisen auch heute noch einen meist positiven Ruf genießt. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass Rutger Hauer besonders brilliert. Hauer ist einfach Hauer und das reicht aus, um der Rolle des von allen Seiten hintergangenen aber dennoch liebenswerten Kleinganoven seinen unverwechselbaren Charme zu verleihen. Darüber hinaus harmoniert er hervorragend mit Mimi Rogers, beide geben ein sympathisches und unterhaltsames Buddy Gespann ab. Einen mindestens gleichwertigen Gegenpol erschaffen die geldgierig und charismatisch auftretenden Antagonisten, welche durch Joan Chen (Twin Peaks), James Remar (Nur 48 Stunden) sowie Stephen Tobolowsky (Grifters) mit bekannten Gesichtern besetzt sind. In weiteren Nebenrollen sind ein damals noch junger Danni Trejo (bedauernswertes Bauernopfer) und der aus "zum Töten freigegeben" berüchtigte Basil Wallace als schwarzer, psychopathischer Killer-Sträfling zu sehen, dessen "Marked for death" mit einem kleinen Gimmick auf einer gut sichtbaren Kinowerbetafel im Film angepriesen wird.
Damit sollte klar sein, dass es Wedlock nicht ganz schafft, in einem Atemzug mit vergleichbaren Gefängnisthrillern der damaligen Zeit wie beispielsweise Lock Up oder Flucht aus Absolom genannt zu werden, da er in Summa Summarum zu viel Einheitsbrei aber gleichzeitig auch zu wenig Erinnerungswürdiges bietet. Nichtsdestotrotz findet der Film alle Jahre wieder den Weg in meinen heimischen DVD Player und empfiehlt sich dank toller Darsteller mit dem prima funktionierenden Buddy Duo Hauer/Rogers sowie den solide präsentierten harten Actioneinlagen im Science-Fiction Gewand als unterhaltsames B-Movie für zwischendurch. 6,5 zu 7 aufgerundete Wertungspunkte halte ich für absolut angemessen.