„Venus in furs will be smiling…“
Im Jahre 1969 wurden gleich neun (!) Filme des spanischen Filmbesessenen Jess Franco („Bloody Moon – Die Säge des Todes“) veröffentlicht. Einer davon ist die deutsch-britisch-italienische Koproduktion „Paroxismus“ alias „Venus in Furs“, die jedoch so gut wie nichts mit dem gleichnamigen Roman Sacher-Masochs gemein hat. Ein weiteres Massenprodukt aus dem fragwürdigen Schaffen Francos? Mitnichten!
Jazztrompeter Jimmy Logan (James Darren, „Die Kanonen von Navarone“) lustwandelt gedankenverloren den Strand hinunter, als er auf die entkleidete Leiche Wanda Reeds (Maria Rohm, „Marquis de Sade: Justine“) trifft, die herangespült wurde. Er erinnert sich, dass er beobachtete, wie sie im Rahmen einer dekadenten Party von mehreren Gästen umgebracht wurde. Zerstreuung sucht er in Rio, wo er mit einer Unbekannten, die der Toten bis aufs Haar gleicht, eine Affäre beginnt und damit seine Beziehung zu Rita (Barbara McNair, „Stiletto“) gefährdet. Ist die geheimnisvolle Schönheit ein Racheengel, der einen mörderischen Rachefeldzug gegen diejenigen, die Wandas Tod zu verantworten haben, beginnt?
„Venus in Furs“ entpuppt sich als weitestgehend überraschend sorgfältig umgesetzter Mystery-Thriller, der sein Publikum mitnimmt auf einen psychedelischen Fiebertraum. Die künstlerisch-verspielte, verträumte Kamera fängt malerische Landschaften ebenso ein wie bizarre Partyszenen und Fernweh weckende Exotik, folgt dabei einer angenehmen, jedoch nicht schablonenartigen Ästhetik. „Venus in Furs“ ist ein betont langsamer Film, der den Zuschauer entschleunigt und mit seiner Dialogarmut in seinem visuellen Stil schwelgt, mit unaufdringlicher, freizügig-natürlicher Erotik zu einem besonders sinnlichen Erlebnis avanciert und mit seinem dominanten Klangkulissen und dem Soundtrack mit viel, viel Jazzmusik auch zu einem audiophilen Genuss wird. Erzählerisch bleibt man mystisch, Jimmy Logan erzählt und kommentiert aus dem Off, eine eigenwillige Mischung aus Lebensfreude und Melancholie durchzieht den Film. Eine vollständige Aufklärung der rätselhaften Ereignisse verschafft auch die wahrlich überraschende Pointe nicht, auf positive Weise bleibt „Venus in Furs“ diffus, überzieht den Zuschauer mit Gänsehaut und lädt ihn ein zum Interpretieren und Nachgrübeln, ohne ihn zu verärgern. Im Gegenteil, das Unerklärliche erhält die Mystik des Films aufrecht, entlässt auch mit Einsetzen des Abspanns den Zuschauer nicht aus ihrer Atmosphäre.
Auch schauspielerisch bietet „Venus in Furs“ kaum Grund zur Kritik. James Darren spielt glaubwürdig, Maria Rohm geheimnisvoll und verführerisch, Barbara McNair die aufrichtig Liebende und Verletzungen in Kauf nehmende exotische Schönheit. Klaus Kinskis („Nosferatu – Phantom der Nacht“) Rolle erscheint ihm in ihrer Skurrilität einmal mehr auf den Leib geschnitten. Margaret Lee („Killer sind unsere Gäste“) spielt eine lesbische Fotografin und Dennis Price („Frankensteins Schrecken“) den dritten Unhold im Bunde; diese beiden Rollen wären meines Erachtens noch am ehesten durch andere Darsteller zu ersetzen gewesen, was ihre Leistungen jedoch nicht schmälern soll. Zur im Film mehrmals auftauchenden Jazzband zählt übrigens niemand Geringerer als Manfred Mann, der auch am Soundtrack mitkomponierte. Zuvor sitzt gar Franco höchstpersönlich am Piano.
Ich muss zugeben, dass mich Franco mit „Venus in Furs“ wirklich überrascht hat. Ich bin baff angesichts dieses ganz meinen Geschmack treffenden Films, der von den elf mir bekannten seiner Filme der bisher beste ist – sogar mit Abstand. Ja, der häufiger in Verbindung mit „Venus in Furs“ auftretende Begriff „Meisterwerk“ trifft es möglicherweise wirklich, zumindest im Vergleich mit Francos sonstigen mir geläufigen Arbeiten. Für die Venus im Pelz verzichtet selbst ein Franco auf jeglichen Trash-Anteil und gibt sich ganz als stilsicherer Gentleman. Ich bin begeistert!