Truffaut: Wir sind jetzt im Jahr 1933. Es ging Ihnen da nicht besonders gut. Ich nehme an, sonst hätten Sie „Waltzes from Vienna“ nie gedreht.
Hitchcock: Das war ein Musical ohne Musik. Ganz billig. Es hatte überhaupt nichts mit meiner sonstigen Arbeit zu tun. Es stimmt, damals hatte ich einen sehr schlechten Ruf, aber zum Glück wußte ich das nicht. Das hatte nichts mit Eitelkeit zu tun, ich war einfach innerlich überzeugt, ein Filmregisseur zu sein. Ich habe mir nie gesagt: Mit dir ist es aus, deine Karriere geht bergab. Und doch, von außen gesehen, für die anderen, war es das.
Ich war sehr enttäuscht gewesen über den Mißerfolg von „Rich and Strange“ [„Endlich sind wir reich“], und „Number Seventeen“ war wirklich ein schlampig gemachter Film. Ich hatte nicht gut überlegt, was ich eigentlich vorhatte. Nach dieser Zeit habe ich gelernt, sehr kritisch gegen mich selbst zu sein, Abstand zu nehmen, um meine getane Arbeit zu beurteilen, einen zweiten Blick darauf zu werfen. Und vor allem, mich nie wieder auf ein Projekt einzulassen, mit dem ich mich nicht innerlich wohlfühlte. Wenn man sich wirklich in einem Projekt zuhause fühlt, dann wird auch etwas Gutes herauskommen. Das ist, als wenn Sie sich darauf vorbereiten, ein Haus zu bauen. Zuerst muß man sich das innere Gerüst vorstellen. Ich spreche nicht vom Bau der Geschichte, ich spreche vom Konzept des Films. Wenn das Konzept gut ist, dann wird daraus etwas werden. Der Film kann etwas besser oder etwas schlechter werden, aber das Konzept ist richtig. Mein Irrtum bei „Rich and Strange“ war, daß ich mich nicht vorher vergewissert hatte, ob die beiden Hauptdarsteller dem Publikum und auch der Kritik zusagten. Bei einer solchen Geschichte konnte ich mir einfach keine mittelmäßige Besetzung erlauben.
Es war in dieser Zeit, als es mit mir bergab ging, da kam eines Tages Michael Balcon im Studio vorbei. Ich drehte gerade „Waltzes from Vienna“. Er hatte mich zum Regisseur gemacht, und ich nehme an, daß er damals wirklich enttäuscht war von mir. Trotzdem fragte er mich: „Was machen Sie nach diesem Film?“ Ich sagte: „Ich habe noch ein Drehbuch in der Schublade, es ist schon etwas älter.“ [...]
Truffaut: Und das war das Drehbuch von „The Man Who Knew Too Much“ [„Der Mann, der zuviel wußte“]?
Hitchcock: Genau. [...]
Quelle: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ von Francois Truffaut