Gewaltige Schläge prasseln in das Gesicht des Kontrahenten, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Wie ein Besinnungsloser schlägt dieser Stier auf seinen Gegner ein, bis er ihm mit einem letzten Schlag die Nase dermaßen deformiert, dass Tony Janiro nur noch wie ein nasser Sack zu Boden klatscht. "Der Stier" ist Jake LaMotta, der Film "Raging Bull".
Gezeigt wird das genaue Gegenstück zu "Rocky": LaMotta ist weder liebenswürdig, noch interessiert er sich für andere. Er ist so zielstrebig, wie er aggressiv ist. Er ist das Produkt seiner Umgebung. Aufgewachsen im New Yorker Armenviertel, kennt er nur ein Ziel: Ganz nach oben. Sein Hass, seine Ängste und sein Zorn sind in jedem Kampf präsent. Nur so arbeitet er sich hoch zum Weltmeistertitel. Er lässt all diese Emotionen im Kampf mit dem Gegner heraus, weil er unfähig scheint, diese anders zu verarbeiten. Am Ende wird er alles verlieren, dies wird bereits nach ein paar Minuten klar.
Scorsese beweist erneut, dass er sich nicht lumpen lässt: Seine Figuren sind realistisch, verzweifelt und allesamt Opfer eines einzigen Mannes. Jake LaMotta ist ein Berserker im Ring und ein Schwein zu den Menschen, die ihm Nahe stehen. Er schlägt seine Frau, lügt, betrügt und vertraut niemandem. Er ist unfähig mit dem umzugehen, was er sich verdient hat. Seine Eifersucht zerstört die Beziehung zu seiner Frau und zu seinem Bruder. Robert De Niro verkörpert diesen Mann und scheint für die Rolle geboren zu sein: Niemand hätte es besser gemacht! Er treibt das "Method Acting" auf die Spitze, frisst sich mehrere Kilo an um den gealterten Jake LaMotta darzustellen. In diesem Film IST er eins mit der Hauptfigur - Genauso verbissen hat er sein Ziel verfolgt, was ihm natürlich den Oscar bescherte. Joe Pesci spielt LaMottas Bruder Joey, den er sehr impulsiv angelegt hat. Er managt seinen Bruder und unterstützt ihn so gut er kann, verfolgt aber auch eigene Interessen. Pescis Darstellung ist ebenfalls einen Stern auf dem Walk of Fame wert. Zwei Schauspieler, die wie die Faust aufs Boxerauge passen.
Martin Scorsese inszenierte diesen Film in schwarz/weiß, was die wohl beste Entscheidung war. Die Boxszenen sind dermaßen brutal, man hätte wohl Probleme gehabt den Film mit rotem Blut zu vermarkten. Nur in einigen kurzen Szenen sind Farbaufnahmen verwendet worden.
Fazit:
Ein absolutes Glanzlicht der Filmgeschichte und selten noch dazu! Kaum ein anderer Film zerstört so genussvoll den amerikanischen Traum. Eine selbstzerstörerische Hauptfigur hat man in den Kinos selten gesehen. De Niros Darstellung ist sagenhaft und gehört zu den Besten seiner gesamten Karriere. Die Charakterzeichnung ist logisch und realistisch. In diesem Werk wird nichts abgemildert - Weder Geschichte noch die Figuren. Es scheint als hätte Scorsese das Leben selbst verfilmt. Kein Wunder, basiert das Ganze doch auf der Lebensgeschichte des echten Jake LaMotta. Ein Film, der in einem genau das auslöst, wozu der Titelheld nicht im Stande ist: Mitleid - Und zwar für die Hauptfigur.
Unbedingt sehenswert!