In die Riege etablierter Boxer-Dramen muss links von „Rocky“ und rechts von „Million Dollar Baby“ ganz ohne Zweifel auch „Raging Bull“ eingeordnet werden. So kraftvolle Dramen, die dazu noch auf Tatsachen beruhen, sind selten genug. In diesem Fall sind nun auch noch die Macher anerkannte Fachmänner: Martin Scorsese („Cape Fear“, „Casino“) und Robert De Niro („Heat“, „Ronin“) – beide dank „Taxi Driver“ längst eine Legende.
Dabei waren die Vorzeichen für diesen Film 1980 alles andere als positiv. De Niro, fasziniert vom legendären Boxer Jake La Motta, der alles andere als ein Aushängeschild seines Sports darstellte, wälzte dessen Biographie, um schließlich an Scorsese heranzutreten, dem immer noch die Enttäuschung seines finanziell gescholtenen „New York, New York“ in Mark und Bein steckte, zumal United Artists so einer riskanter Produktion, die nach der Intention Scorseses auch noch unüblich in Schwarzweiß gedreht werden sollte und sich einer zentralen Figur annimmt, die man weder als Volksheld noch als Sportidol verkaufen konnte, sehr skeptisch gegenüberstand. Gegen alle Widerstände setzt sich der beharrliche De Niro aber letzten Endes durch, so dass Scorsese, selbst nicht gänzlich mit dem Stoff vertraut, das mehrfach überarbeitete (u.a. von Paul Schrader, „Taxi Driver“, „Bringing Out the Dead“) Biopic inszenieren würde.
Man kann das Duo nur dazu beglückwünschen, dass sie letztlich diesen Stoff mit soviel Leidenschaft umsetzten, denn heraus kam eine wirklich dramatischer Analyse eines Boxers, der aufgrund seiner Stimmungsschwankungen unterworfenen Psyche erst auf den Boxolymp landete, um wenig später ins Bodenlose zu stürzen.
Aber Jake La Motta ist in erster Linie Italiener und deswegen heißblütig und emotionell. De Niro hat seine Hausaufgaben gemacht, seinen Charakter intensiv studiert und verinnerlicht. Von seiner unbeholfenen Gestik bis hin zu seiner Art Zigarren zu rauchen, hat er ihm alles nachempfunden. Er trainierte sich Muskeln an, ließ sich das Boxen beibringen und fraß sich später seinen Speckbauch an. Die Auszeichnung seiner Leistung war deswegen nur folgerichtig. Ob als junger Hüpfer in Little Italy oder später als vom Boxen gezeichneter, fett gewordener Ex-VIP, der in Spelunken in halbkomischen Auftritten, mit denen er sich selbst demontiert, ist er mit unbeschreiblich viel Herz in dieser Rolle verhaftet. Möge er heute doch noch einmal zu diesen Qualitäten zurückfinden...
Natürlich lädt La Motta auch einen Schauspieler ein beziehungsweise fordert ihn heraus, weil er eben so ein extrem labiler Mensch war. Unberechenbar, eifersüchtig und jähzornig, dafür mit falschem Stolz und sexueller Begierde ausgestattet, begeht der Mann abseits des Ringes, nur wegen seines Dickschädels und der sich dort drin verbergenden, zwangsläufig damit verbundenen Dummheit, die größten Fehler, die er als Karriereboxer machen kann. Er stößt einflussreiche Männer, die ihm die richtigen Kämpfe besorgen können, vor den Kopf und legt sich mit der Mafia an, anstatt sich mit ihr zu arrangieren. Dass er dabei den Boden unter den Füßen verliert und auf die Schnauze fällt, ist dabei nur folgerichtig.
Martin Scorsese inszeniert wie ein Besessener, aber mit Innovation. Insbesondere die Auseinandersetzung mit La Mottas Boxkämpfen, die nur einen Bruchteil des eigentlichen Films ausmachen, sind von einer versierten Kameraarbeit Michael Chapmans („Taxi Driver“, „The Fugitive“) die jene Hintergründe verwischt mit Licht und Schatten arbeitet und in ihrer dynamischen Intensität so nah dran am Geschehen ist, dass man Blut und Schweiß schmecken kann und die wabernde Hitze förmlich greifbar scheint.
Sein Auf und Ab im Ring, das zu keinem Ergebnis führt, weil ihm der Titelkampf aufgrund seines Verhaltens vorenthalten wird, verläuft parallel zu seinem Privatleben, das sich wegen seiner aufgebauten Frustration identisch entwickelt. Seine gut aussehende, aber auch naive Frau Vickie (Cathy Moriarty) sieht sich irgendwann außerstande die unkontrollierbaren Ausbrüche ihres Mannes länger zu tolerieren, denn selbst sein Bruder Joey (selten war er besser: Joe Pesci, „Casino“, „Lethal Weapon 4“), der für ihn den Kopf hinhielt, sich um seinen Status in der Gesellschaft bemüht und ständig aus den gröbsten Problemen mit der Mafia heraushielt, schlägt er im Jähzorn krankenhausreif. Als sein engster Bekanntenkreis sich abwendet tut dies sehr schnell auch sein Erfolg.
Seine Selbstverliebtheit, seine ewige Verbissenheit, die selbst sexuelles Verlangen kontrollieren, führen ihn im und außerhalb des Ring(es) zu Sieg und Niederlage, denn der Ruhm währt für ihn nur kurz und sein Abtreten soll einer Vernichtung gleich kommen, auch wenn er während seiner gesamten Karriere nicht einmal auf die Bretter ging. Dabei hatte er doch immer seine Gegner vernichtet!
Seine nicht in Bahnen lenkbare Emotionalität, die ihm im Leben scheitern ließen, ist im Ring seine Stärke. Ohne Deckung und ohne leichtfüßiges Tänzeln schlägt er seine Gegner barbarisch roh einfach KO. Wozu Umwege, wenn es auch direkt geht?
Seinen Werdegang nach dem Karriereaus gestaltet er unfreiwillig und unbewusst wie eine Parodie auf sich selbst und verspielt mit seiner eigenen Bar schnell sämtlichen Kredit, den er noch bei den Menschen hatte...
Seine Energie schöpft „Raging Bull“ vor allem aus seiner ehrlichen Herangehensweise an diese schillernde Figur, die sicherlich faszinieren kann, aber nie als großartiger Sportler geadelt werden würde. Von den sozialschwachen Strukturen von Little Italy über die allgegenwärtige Korruption im Boxsport, die sich bis heute immer extremer entwickelt hat, bis zur finalen Demontage La Mottas, versucht der Film nicht in einer einzigen Szenen etwas zu glorifizieren. Er ist nicht dreckig oder pessimistisch, sondern ganz einfach nüchtern real und deswegen weniger konsumentenfreundlich als ein aufbauender „Rocky“.
Fazit:
Aufgrund seiner unkonventionellen Schwarzweißoptik visuell ein sehr hartes, markantes und authentisch wirkendes Boxerdrama, das den Aufstieg und Fall eines Talents fokussiert, analysiert und schildert, ohne von der Wahrheit Abstand zu nehmen. Martin Scorseses Regie und Robert De Niros Einsatz erheben den Filmen zu den Besten seiner Zunft. Aufgrund seiner Unverdaulichkeit kein Film den man sich öfter anschaut, dafür aber einer den man, nicht zuletzt aufgrund seiner innovativen Inszenierung, besonders im Ring, nicht so schnell vergisst.